~Sechsundzwanzig~

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Alles war, soweit Luciano es einschätzen konnte, nach Plan verlaufen. Die Hölle auf Erden, in der er die letzten Jahre leben musste, erlag ironischer Weise einem Feuerchen. Keiner der Seventh hatte sich die Müge gemacht, die Flammen zu löschen oder wenigstens unter Kontrolle zu bringen. Nachdem die Mauern kokelten, brach schiere Panik aus. Luciano und seiner Männer hatten geduldig und in nasse Umhänge abgewartet, bis die ersten Menschen erfolgreich die Ausgänge stürmten. Erst dann ließ er nach und nach die Seinen in die ersehnte Freiheit fliehen. Er selbst bildete das Schlusslicht, erkannte irgendwo in der Ferne Antonio. Falls dieser Mann ebenfalls entkommen war, würde Felicita sicher sein und Luciano bekäme seinen Rivalen zurück.

Antonio Romano war nämlich kein Geringerer, als der Nachfolger einer der Mafiafamilien der Umgebung. Der Sohn eines einflussreichen Mannes in der Branche des Betrügens. Sie hatten sich vielleicht zwei oder drei Mal vor der Arena gesehen, doch dieser befreiende Tag brachte Neuerungen. Luciano stand allerdings eine andere Herausforderung bevor. Sein jüngerer Bruder hatte sich bestimmt seine ehemalige Position als Boss unter den Nagel gerissen und führte die Romano Familie an. Das musste ein Ende haben.

„Boss", flüsterte Diego neben ihm. „Eine Idee, wie es jetzt weitergehen soll?"

Die Leute, die Luciano gefolgt waren, versammelten sich um ihn. Ihre Blicke noch unsicher in die Zukunft gerichtet und doch voller Tatendrang. Ihre Körper schienen von der langen Fast und den Strapazen der Haft ausgezehrt, während sie sich bereits für den nächsten Kampf vorbereiten müssten. Zumindest, wenn sie bei Luciano bleiben wollten.

„Wir werden meinem kleinen Bruder einen Besuch abstatten. Mal sehen, was er zu meiner Rückkehr sagen wird und wie er darauf reagiert, dass ich nicht alleine komme."

Lautes, zustimmendes Gegröle ertönte. Die Gruppe erregte zu viel Aufmerksamkeit, was sich rasch rächte. Zwei schwarze Autos mit dunkel getönten Scheiben fuhren vor, kesselten sie ein. Die ohnehin schon enge Gasse wurde nun von beiden Seiten abgeriegelt. Luciano schluckte trocken, schmeckte Asche und verbranntes Holz auf seiner Zunge. Pino zückte sein Messer.

Seventh stiegen vor sowie hinter ihnen aus, die Pistolen am Anschlag. Doch statt zu schießen und es schnell zu beenden, trat einer von ihnen hervor. Ein Glatzkopf von kleiner Statur, der sich in einen dunkelblauen Anzug mit unpassend weißer Krawatte gezwängt hatte. Er bewegte sich nicht wie einer der Wachmänner, wirkte irgendwie erhabener und trug eine goldene Uhr an seinem linken Handgelenk.

„Luciano Fontana, wenn ich mich nicht irre", krächzte er streng und kam weiterhin auf ihn zu. Er lief eine gerade Linie und wusste, wen er zu suchen hatte. Wen er ansprechen musste und vermutlich auch, dass er Luciano töten wollte. „Ich habe etwas für dich", er fischte einen weißen Umschlag aus seiner Jackentasche und überwand eilig die letzten Meter zwischen ihnen. „Giovanni Del Monte schickt mich."

„Del Monte?", wiederholte Luciano skeptisch, nahm den Brief jedoch entgegen. „Der Mann, der die Seventh unter der hiesigen Regierung angeführt hat?"

„Richtig."

„Und was will er von mir?"

„Alles weitere erklärt das Schreiben."

Mit einer unscheinbaren Verbeugung verschwand der Glatzkopf in den Reihen seiner Männer und schließlich knallte eine Autotür zu. Daraufhin zogen sich auf die Übrigen zurück. Wie ein Windhauch fegten sie davon, als wären sie nie hier gewesen.

Luciano schaute sich den Brief vorerst nicht an, sondern verstaute diesen in seiner Hosentasche und plante, seine Leute in Sicherheit zu bringen. Die Regierung würde nicht lange brachen, um die Insassen ausfindig zu machen und wieder einzufangen. Zu diesem Zeitpunkt wollte er jedoch längst außer Reichweite sein und bestenfalls seinen Bruder gestürzt haben.

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