~Dreiundzwanzig~

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„Wir wollen keinen Streit, nur unsere Leute zurück, die noch bei euch sind", entgegnete Antonio ihnen und näherte sich langsam. „Könnte ich mit eurem Boss sprechen?"

Zwei der fünf Männer nickten sich zu und verschwanden in dem Haus. Die Übrigen versperrten weiterhin den Weg, doch als Luciano in einen Anzug gekleidet aus der Tür trat, wichen sie zur Seite. Ein Gang aus Menschen entstand, den Luciano entlangschritt und Antonio die Hand zum Gruß reichte.

„Was verschafft mir die Ehre, dass du hier persönlich auftauchst?", erkundigte er sich gut gelaunt.

„Das solltest du dir denken können", Antonio gefiel seine Art nicht. Diese Überlegenheit, die sein Gegenüber ausstrahlte, wirkte fremd und unpassend. „Gian geht es besser, nicht wahr? Wir möchten dir für die Hilfe danken, doch unsere Leute sind und bleiben ein Teil von uns, also bringen wir sie nun zurück."

„Gian könnt ihr gerne zurückbekommen, was Felicita betrifft ...", er legte absichtlich eine ausgedehnte Pause ein. „Sie wäre bei mir eindeutig sicherer. Ihr wart bereits mit Gians Zustand überfordert und Felicita liegt mir nun mal am Herzen."

„Daraus wird wohl nichts", verneinte Antonio. „Sie gehören beide zu uns."

Einen Moment schwiegen sie sich an, tauschten allemal nichtssagende Blicke aus. Für Antonios Geschmack trafen sie in letzter Zeit eindeutig zu oft aufeinander und allzu lange würden sie einem Konflikt nicht mehr aus dem Weg gehen können. Was bezweckte Luciano gerade jetzt mit dieser Wiederwehr? Reichten ihm die Irren, die das Vit C3 nahmen, noch nicht aus?

Antonio aus der Reserve zu locken, was noch nie einfach gewesen, allerdings schaffte Luciano es heute zum ersten Mal und freute sich heimlich über diesen Erfolg. Ein, in Anbetracht auf die momentanen Probleme in der Arena, unbedeutender Erfolg, doch seine Schadenfreude ließ die tiefen Ängste kurzzeitig verblassen. Dieses süße Gefühl der Überlegenheit, sei sie auch noch so gering, schmerzte ihn fast schon.

„Dein Einwand macht wenig Sinn, da nur Felicitas Blut Gian ein bisschen Linderung verschaffen kann", murrte Antonio.

„Und in wie fern interessiert mich das?"

„Luciano, du", Antonio brach ab, schien er doch zu begreifen, dass hier ein Gefallen keinerlei Bedeutung hatte und man sich nur auf sich selbst verlassen sollte. „Müssen wir uns gerade jetzt bekämpfen?"

„Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt, um einen Kampf zu starten", blaffte Luciano mit seinem Lächeln auf den Lippen und winkte einen der Seinen zu sich. Antonio dürfte die meisten seiner Untergebenen kennen, wenn nicht beim Namen, dann anhand des Aussehens. „Diego wird dich zu Gian führen, aber alleine. Deine Leute müssen leider draußen warten."

Überraschend schnell willigte Antonio ein und nahm damit Luciano den Spaß an der kleinen Quälerei, die er hier veranstaltete. Sein vorläufiger Plan ging dennoch mehr oder minder auf. Während Diego den Boss des Rudels zu Gian bringt, würde Luciano zusammen mit Felicita fliehen. Den genauen Grund, den er ihr vorhalten würde, musste er sich zwar noch ausdenken, doch er hegte vollstes Vertrauen in seine schauspielerischen Künste.

Sein rechter Fuß betrat gerade die kleine Stufe vor der Tür, hinter der Felicita nach der langen und anstrengenden Nacht schlief, da hörte er schon ein lautes Poltern. Eilig öffnete er und schaute sich das vermeintliche Chaos an. Allerdings war lediglich ein Regal auseinandergebrochen und die einzelnen Böden lagen wild verstreut im Raum. Wie eine erschreckte Katze starrte die junge Frau auf den Haufen Altholz, die blauen Augen weit aufgerissen und das Haar vom Schlaf zerzaust.

„Und ich dachte schon", stöhnte Luciano.

Noch immer perplex kam sie auf ihn zu und klammerte sich an den Saum seines Anzuges. Zuerst zögerte er, aber diese Gelegenheit wollte – nein konnte – er sich nicht entgehen lassen. Seine Hand strich über ihr langes, blondes Haar und er schlang die Arme um sie. Ein leiser Schrei entfleuchte ihr, doch das war nur der Schreck.

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