Kapitel 18

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war meine rechte Bettseite leer. Verschlafen ließ ich meinen Blick wandern und entdeckte Mia am Fußende des Bettes. Sie lag mit dem Kopf in Richtung des Fernsehers und schaute sich irgendeinen Film auf dem Disney Channel an. Ihre Füße ließ sie abwechselnd in der Luft hin und her baumeln. Als ich mich zu strecken begann, schaute sie über die Schulter zu mir auf und grinste breit.

»Guten Morgen, kleine Motte.«Begrüßte ich sie und unterdrückte ein Gähnen.

»Morgen«, sie setzte sich auf und ihre braunen Locken fielen ihr ins Gesicht. »Steh auf, es ist schon zehn Uhr! Tante Carolyn hat Frühstück gemacht!«

»Mhh lecker. Dann lass uns mal nach unten gehen.« Ich schwang die Beine über die Bettkante und schlüpfte in meine Pantoffeln. Mit einem Hechtsprung hüpfte Mia aus dem Bett, klemmte sich Rabbid unter den Arm und marschierte zur Tür. Schlaftrunken folgte ich meiner kleinen Schwester auf den Flur hinaus. Gerade als ich die Tür hinter mir schloss, kam Adam nebenan aus seinem Zimmer. Mit einem Mal war ich hellwach und mein ganzer Körper wie versteift.

»Guten Morgen ihr beiden.« Begrüßte uns Adam und fuhr Mia in einer liebevollen Geste durchs Haar. Am liebsten hätte ich ihm den Arm abgehackt. Der alleinige Anblick, wie er meine vierjährige Schwester anfasste bereitete mir Übelkeit und ich unterdrückte das Bedürfnis, seine Hand wegzuschlagen.

»Morgen Adam.« Brummte sie und schenkte ihm einen schüchternen Blick. Sie kannte Adam nicht sehr gut, lediglich von vereinzelten Treffen in den letzten vier Jahren, bei denen Mum und Dad Tante Carolyn in Florida besucht hatten. Ich war nicht sehr begeistert von der Idee gewesen, dass sie Mia mit nach Florida nahmen. Doch dass Adam sich an einem Mädchen vergreifen würde, das gerade mal ein paar Jahre alt war, schien mir dann doch etwas extrem. Derart geistesgestört schätzte ich ihn dann auch wieder nicht ein. Ich persönlich hatte seit dem Sommer vor vier Jahren jeglichen Kontakt zu ihm gemieden und Mum hatte dafür gesorgt, dass er nie wieder in meine Nähe gekommen war.

Adam löste sich von Mia und seine giftgrünen Augen richteten sich auf mich. Ein schiefes Grinsen huschte über seine Lippen, als er mich taxierte. Mit Mühe unterdrückte ich den Würgereiz, der in mir aufstieg und legte Mia schützend eine Hand auf den Rücken, ehe ich hinter ihr die Treppe nach unten ging. Adam schloss sich uns an und ich fühlte seine Gegenwart mit jeder Faser meines Körpers. Ich nahm jede seiner Bewegungen wahr, obwohl ich ihn nicht einmal sah, spürte ich sogar seinen Blick in meinem Rücken, der mich frösteln ließ. Starr und mechanisch stieg ich eine Stufe nach der anderen hinab und konnte es kaum erwarten, ihm nicht mehr den Rücken zukehren zu müssen

Unten angekommen erfüllte bereits der deftige Geruch nach Eier und Speck die Luft, gemischt mit dem herrlichen Aroma von Kaffeebohnen. Mein Magen begann sich zu regen, obwohl Adams Anblick mir jeglichen Appetit verdorben hatte. Mia und ich traten in die Küche, wo Tante Carolyn gerade den Tisch deckte. Ihre raspelkurzen Haare standen ihr in Stacheln zu Berge und sie blickte über den Rand ihrer Lesebrille zu uns auf.

»Guten Morgen, da sind ja meine drei Lieblinge.« Sie strahlte und nahm Mia, die wild auf sie zugerannt kam auf den Arm. Auch Adam wurde zur Begrüßung von Tante Carolyn herangezogen und erhielt einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

»Morgen Mum.« Entgegnete dieser mürrisch und ließ sich auf dem Stuhl mir gegenüber nieder. Instinktiv fragte ich mich, wie eine Frau, die so liebevoll und fürsorglich war wie Tante Carolyn, einen Sohn großziehen konnte ohne zu bemerken wer er wirklich war. Ich fragte mich, wie sie wohl reagieren würde, wenn sie herausfand, dass ihr Sohn ein sadistisches Monster war. Mit Sicherheit wäre sie über die Tatsache, dass aus ihrem Sohn derselbe manipulative Mann geworden war wie damals auch schon ihr Ehepartner, am Boden zerstört. Es war mir wirklich ein Rätsel, wie Tante Carolyn es all die Jahre mit Adams Vater ausgehalten hatte. Sie hatte mit einem alkoholsüchtigen tyrannischen Mann zusammengelebt. So wie Dad meinen Onkel beschrieben hatte, würde es mich nicht einmal wundern, wenn er sogar gewalttätig gewesen war, womöglich auch Adam gegenüber? War mein Cousin möglicherweise aus diesem Grund so krank im Kopf? War seine Kindheit durch seinen erbarmungslosen Vater derart geprägt worden, dass er mir deshalb all diese Dinge antat, mich deshalb so sehr quälte?

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