Kapitel 5

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Mit einem leichten Pochen im Kopf schlug ich die Augen auf und blinzelte gegen die Sonne an, die das Zimmer mit Licht durchflutete. Im ersten Moment war ich erstarrt, da ich mich in einem mir fremden Zimmer befand. Doch einige Sekunden darauf prasselten die Erinnerungen der vergangenen Nacht auf mein inneres Auge ein und ich entspannte mich wieder. Nur um gleich darauf erneut stocksteif aufzufahren. Ich hatte bei Mr. Black -oder sollte ich besser sagen: Logan- übernachtet. Hatte ich völlig den Verstand verloren? Warum zum Teufel hatte ich zugestimmt mit ihm zu gehen? Ich blickte zur Tür und allein schon der Gedanke hinaus zu gehen und ihm entgegen zu treten versetzte mich in blanke Panik. Ein schneller Blick auf den Wecker verriet mir, dass es bereits kurz nach zwölf Uhr am Mittag war. Um Himmels Willen, wie lange hatte ich geschlafen? Die Chance mich unbemerkt herauszuschleichen, mir ein Taxi zu rufen und zu verschwinden war also mehr als gering.

Ich spürte wie die Nervosität von meinem Körper Besitz ergriff und meine Handflächen zum Schwitzen brachte. Was sollte ich jetzt tun? Es wäre wohl das Beste, zuerst einmal ein Badezimmer aufzusuchen, es graute mir bereits davor, einen Blick in den Spiegel zu werfen. Womöglich sah ich noch schlimmer aus als der Glöckner von Notre Dame.

Widerstrebend schleppte ich mich aus dem Bett heraus und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Langsam und mit klopfendem Herzen drückte ich die Klinke herunter und spitzelte heraus auf den menschenleeren Flur. Erleichtert atmete ich auf und trat durch die Tür. Der Duft von Kaffee lag in der Luft und weckte in mir die bisher unterdrückte Sucht nach dem Gebräu. Also war Logan sehr wahrscheinlich bereits auf den Beinen und es wäre unmöglich, mich einfach davon zu stehlen. Ganz abgesehen davon, wie unfreundlich und undankbar dieses Verhalten wäre. Ich seufzte und wandte mich den restlichen drei Türen zu. Verdammt, welche von ihnen war denn nun das Badezimmer? Mir blieb wohl nichts anderes übrig als zu raten. Ich entschied mich für eine Tür ganz am Ende des Flurs. Was würde mich dahinter wohl erwarten? Was wenn es gar nicht das Badezimmer war, sondern möglicherweise sogar Logans Schlafzimmer? Was wenn er auch noch schlief und ich hereinplatzte? Unzählige Gedanken und Szenarien spielten sich unweigerlich in meinem Kopf ab. Ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen, die Tür zu öffnen, ich fühlte mich wie ein Schnüffler.

Herrgott, ich sollte mich wirklich nicht so anstellen. Ich nahm einen tiefen Atemzug und öffnete widerwillig die Tür.

Natürlich war es Logans Schlafzimmer, wie sollte es auch anders sein? Es wäre schon ein glücklicher Zufall gewesen, wenn ich das Badezimmer auf Anhieb gefunden hätte. Und Glück war nun mal etwas, das in meinem Wortschatz nicht vorkam.

Ich war im Begriff umzukehren, da es sich nicht gehörte in fremden Zimmern herum zu schnüffeln, schon gar nicht in dem meines Lehrers, in welchem ich absolut nichts zu suchen hatte. Allein meine bloße Anwesenheit in diesem Apartment war mehr als verboten und fragwürdig. Und dennoch konnte ich mich nicht abwenden. Meine Augen wanderten durch den Raum. Ein dunkler Dielenboden passte sich dem Dunkelgrau der Wände perfekt an und bildete einen Kontrast zu dem hellen Mobiliar des Raumes. Zur linken Wand befand sich ein begehbarer Kleiderschrank, dessen Türen noch offen standen. Bereits von meinem jetzigen Standpunkt aus konnte ich erkennen, dass jedes einzelne Kleidungsstück mit großer Sorgfalt und exakt dem gleichen Abstand aufgehängt und gewissenhaft zusammen gelegt worden war. Am meisten jedoch zog das riesige King Size Bett meine Blicke an. Es prangte in der Mitte des Raumes und lenkte alle Aufmerksamkeit auf sich, als wäre es der Fluchtpunkt des Raumes. Im Großen und Ganzen war das Zimmer sehr maskulin und zeitgemäß eingerichtet. Allerdings gab es auch in diesem Raum etwas, das mich beunruhigte, etwas, weshalb ich mich in diesem Raum nicht wirklich wohl fühlen konnte. Dieses Zimmer war kühl und unpersönlich, genauso steril wie der Rest dieses Apartments. Keine Fotos, keine Bücher, keine Unordnung, rein gar nichts, was mir irgendwie persönlich erschien oder was darauf hindeutete, dass hier jemand lebte. Es war zwar wirklich schön, aber zu ordentlich und ungemütlich, es strahlte keinerlei Wärme aus.

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