Nolite timere* aktualisiert

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 Die Eiche wankte. Ohrenbetäubend laut krachte es. Die Eiche senkte sich gen Boden. Alainn hob den Kopf. Die Rinde war gemustert, zerfurcht und klebrig von Harz. Knarrend schwankte sie auf den Pfad zu. Sie würde sie begraben. Alainn drehte den Kopf. Kirans Augen waren geweitet. Sie würden es nicht schaffen rechtzeitig abzubremsen. Alainn stürzte sich auf ihn. Die Eiche fiel. Der Waldboden vibrierte, als der mächtige Stamm polternd auf dem Boden aufschlug und den Pfad unter sich begrub. Kiran und Alainn landeten neben ihn. Zerfurchte Rinde ratschte über Kirans Oberarm. Hinterließ ein Labyrinthartige rote Linien darauf. Alainns Körper drückte ihn auf den Waldboden. Es roch nach Erde. Leicht nussig. Vermischt mit den Geruch von modrigen, in einander fallenden Laub. Kiran stöhnte. Alainn setzte jeweils eine Hand neben sein Gesicht. Der Pferdeschwanz fiel links über ihre Schulter. Die Spitzen kitzelten seine Wange. Er öffnete die reflexartig geschlossenen Lider. Moos. Tief dunkles Moos. Jenes grüne schlingpflanzenartiges Gewächs, dass man nur tief im Wald findet und auf dessen verzweigtes Grün sich golden funkelnd die Sonne spiegelt zwischen der Schatten werfenden Finsternis. 

„Alles okay?",ein spitzbübisches Lächeln verzog ihre Lippen. Kiran drehte den Kopf. Rillenförmige Muster erwarteten ihn. Erde klebte an Kiran Händen. 

„Hab dich wohl ganz schön umgehauen?", er hörte das Lachen in ihrer Stimme. Sie saß auf ihn. Beobachtete wie er sich verwirrt umschaute. Dann richteten sich seine Kieselsteinaugen auf sie.

 „Geh von mir runter!", unsanft landete sie neben ihm auf den Boden. „Du könntest ruhig freundlicher sein! Ohne mich wärst du jetzt flach wie ein Pfannkuchen!"

„Eine schöne Metapher!", krächzte er spöttisch:" Aber mit dir habe ich eine doppelt so breiten Schädel! Nicht unbedingt ein bessere Aussicht!", er taste vorsichtig seinen Hinterkopf ab. Die Beule hatte jetzt schon die Größe einer Faust erreicht. 

„Besser doppelt so breit, als vierfach so flach!", sie zuckte mit den Schultern und hielt ihm ihre Hand hin. Wieder richtete sie ihre Moosaugen auf ihn. Grimmig umschloss seine Hand die ihre. 

„Wie konnte dieser Baum überhaupt umstürtzen? Normalerweise fallen Eiche nicht einfach so vom Himmel!" Kiran ging auf das Ende der Eiche zu. Zersplittertes Holz ragte in unregelmäßigen Spitzen heraus. „Gut dass diese Seite nicht auf uns gefallen ist. Als Schweizer Käse wollte ich nicht enden!", witzelte Alainn. „Du weißt schon, dass du nicht witzig bist!", knurrte Kiran sie an ohne seinen Blick von den zersplitterten Holzspießen abzuwenden. 

„Stimmt!", murmelte sie:" Die eigentliche Lachnummer bist ja du. Und was für eine Stimmungskanone.."

„WAS?", fragte er scharf. „Was?", unschuldig sah sie ihn an. „Was du gesagt hast?", gespielt verwirrt runzelte sie ihre Stirn. „Nichts. Wieso? Hast du denn etwas gesagt?", Kiran stöhnte genervt auf:" Was den Baum wohl umfallen lassen hat?"

„Sieht nach einer Explosion aus!", sagte Alainn und zeigte das schräg abfallende Ende. „Hier muss der Explosionsherd gewesen sein", sie zeigte auf die kurzen Spitzen:" Und hier muss er der Baum gesplittert sein"

„ich habe aber nichts dergleichen gehört! Kein Knall, kein Rauch- nichts, was auf eine Explosion hinweisen würde.", sie seufzte und zuckte mit den Schultern „Ich eigentlich auch nicht!" Der Wald hatte sich verdunkelt. Die Temperaturen waren gefallen. Alainn rieb sich fröstelnd die Arme:" Ich finde, wir sollten weiter laufen!", sie setzte sich in Bewegung um den Baumstamm, der gut ein paar Meter über den Pfad hinaus in die Wildnis ragte, zu umrunden. 

„Das ist keine gute Idee!", Kiran wollte sie am Ärmel fassen und zurückziehen, aber sie hatte den Pfad schon verlassen. Unter ihren Sohlen knisterte das Laub. Dornenranken ritzten rötliche Striemen auf ihre helle Haut. Kiran folgte ihr. Drehte sich unsicher um. Das hier war das Reich der Feen. Nicht gerade der perfekte Ort, um gemütlich einen Waldspaziergang zu machen. Sie liefen den Stamm entlang. Sonnenlicht fiel nur noch spärlich durch das Geäst. Immer wieder blickte Kiran zurück. Die ganze Zeit behielt er den Pfad im Auge. Feen hassten es, wenn man ihr Revier betrat, und tat man es doch, war man Frischfleisch. Bereit um als Strafe Tage oder sogar Wochen lang durch den Wald zu irren. Eine Aussicht, die in der momentanen Verfassung des Waldes durchaus tödlich sein konnte. Sie mussten sich durch Gebüsche kämpfen, dass sich mir der Baumkrone zu einer Mauer aus Pflanzen drapierte. Sie krabbelten unter einer der ersten Äste in die Mauer hinein. Dornen griffen nach Alainns Haaren. Sie schrie, als sich einige der roten Strähnen zu einem Knäul in den Dornenranken verhedderte und ihren Kopf ruckartig zurückriss. Alainn versuchte sie heraus zu reißen. Aber die Dornen hatten das Feuerhaar fest im Griff. Mit angestrengter Miene versuchte Kiran vorsichtig die Strähnen aus den Fesseln des Unkrauts zu befreien. Er stand direkt hinter ihr. Sie konnte seine Körperwärme spüren und versuchte nicht an Weihnachten zu denken, während seine Finger sich an dem Knäul zu schaffen machten. Strähne für Strähne löste er überraschend sanft aus den Fängen der Pflanzen. Mit Striemen und zerrissenen, löchrigen Kleidern tauchten sie schließlich auf der anderen Seite auf. „Wo ist der Pfad?", Alainns Stimme überschlug sich. Mieses Feenpack. Sie presste ihre Lippen aufeinander und blickte dem Stamm entlang:" Kein Pfad!", murmelte Kiran neben ihr.

Officium #Wattys2016Where stories live. Discover now