Kapitel 61

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Kurzschlussreaktion.
Oder so.
Ich halte es hier nicht mehr aus.
Leon ist noch nicht einmal zwei Tage weg und hier in München geht alles drunter und drüber.
Wie sollte ich das die nächsten zwei Wochen aushalten?
Richtig.
Es ist unmöglich.
Deswegen habe ich mich noch gestern Abend, nachdem ich Benni raus geschmissen habe, daran gemacht, mir einen Flug nach Frankfurt zu buchen.
Ohne Leon Bescheid zu geben.
Er würde alles dafür tun, um mich davon ab zu halten. Schließlich sollte ich mich ja ‚ausruhen'. Allerdings kann man sich bekanntlicherweise Zuhause am besten ausruhen. Und das war bei mir nicht irgendein Ort.
Zuhause war bei mir da, wo Leon gerade ist.
Deswegen bin ich jetzt dabei, wahrlos irgendwelche Klamotten in meinen Koffer zu schmeißen.
Die Hälfte würde ich eh vergessen.
Das einzige was jetzt zählt, ist, das ich so schnell wie möglich weg von hier komme.
Weg von Benni und seinen dummen Geschichten.
Bei den Gedanken an gestern Abend läuft es mir eiskalt den Rücken runter.
Nie wieder möchte ich diesem ekligen Typen über den Weg laufen.
Schnell schüttele ich die Erinnerung ab, um ins Bad zu gehen und meine Kosmetiktasche zu packen.

In eine Jogginghose und einen Pulli von Leon gekuschelt, verlasse ich gemeinsam mit meinem flüchtig gepacktem Koffer und meiner Tasche die Wohnung.
Erleichtert atme ich auf, als die Tür hinter mir ins Schloss fällt. Ich hätte es nicht eine Minute länger alleine darin ausgehalten.
Mit der letzten Kraft, die ich zusammen bekomme, hiefe ich meinen Koffer die Treppen nach unten.
Leon würde einen Herzinfarkt bekommen, wenn er das mit ansehen müsste...
Was soll's. Hauptsache, ich kann heute Abend endlich wieder neben ihm einschlafen.
Unten angekommen schließe ich die Haustüre und mache mich auf den Weg zur U Bahn.
Zuerst habe ich einen Abstecher in Annas Café eingeplant.
Ich muss Tim dringend für seine kleine Rettungsaktion danken und ein Stück Bananenbrot zum Frühstück würde sicher auch nicht schaden.

Als ich in der U Bahn sitze, klingelt mein Handy im Sekundentakt. Alle Leute, die ich gestern Abend in der Verzweiflung angerufen haben, wollen nun wissen, was los ist.
Allerdings entscheide ich mich, niemanden etwas von meiner spontanen Mini Reise zu berichten. Nicht das Leon noch davon Wind bekommt, bevor ich in Frankfurt ankomme.
Ich stelle mein Handy in den Ruhemodus und stecke es dann wieder zurück in meine Handtasche.
Nach ein paar Minuten Fahrt hiefe ich mein Gepäck aus der Bahn und mache mich auf den Weg zum Café.

„Linnea! Heute etwa großes vor?" überrascht sieht Tim, der gerade hinter der Theke steht, mich an.
„Ich denke..." grinsend nicke ich.
„Ich gehe Leon in Frankfurt besuchen!".
Mein Gegenüber zieht eine Augenbraue nach oben.
„Solltest du nicht hier bleiben, um dich auszuruhen?".
„Kann ich nicht. Benni und alles andere hier steigt mir gerade zu Kopf..." dankend nehme ich die Tüte mit meinem Lieblingsgebäck entgegen, die der Kellner mir gerade reicht.
„Verstehe. Dieser Benni war schon etwas komisch drauf. Findest du nicht?" unsicher sieht Tim zu mir.
„Die Beschreibung ‚komisch' ist noch harmlos... der Typ ist krank!"  murmele ich und nehme ebenfalls die heiße Schokolade in einem To Go Becher entgegen.
„Dafür wollte ich dir eh noch danken. Du hast echt was gut bei mir, dafür das du mich da raus geholt hast!".
„Ach." er winkt ab.
„Das der Typ nicht ganz sauber ist, hat jeder im Umkreis von zehn Kilometern mitbekommen. Irgendwie musste ich dich da raus holen!".
Lächelnd reicht mir Tim noch eine weitere Tüte.
„Das sind Annas neue ‚Fitness Törtchen' ohne Zucker und mit ganz viel frischem Obst. Für den werdenden Papa!".
„Vielen lieben Dank!" begeistert nehme ich das Gebäck entgegen.
„Was kriegst du?" ich krame in meiner nach Tasche nach meinem Portmonee.
„Geht aufs Haus. Anna wird sich freuen, wenn Sie hört, das Leon ihre neuste Kreation probiert hat!".
Lächelnd lasse ich meine Tasche wieder sinken.
„Danke Tim. Für alles."
„Liebend gerne. Mach's gut!"
Dann bin ich auch schon gemeinsam mit meinem Frühstück aus dem kleinen Laden verschwunden.
Bei Tim habe ich das Gefühl, er würde sich noch zu einem guten Freund entwickeln.
Anders als Benni akzeptiert er ein klares ,Nein' und ich bin mir sicher, das auch Leon mit der Zeit eine gute Freundschaft zu dem braunhaarigen Jungen aufbauen könnte.
Besonders dann, wenn ich ihm erzähle, das er mich vor Benni ‚gerettet' hat. Allerdings... bin ich mir noch unsicher, wie ich meinem Freund das ganze beibringen soll.
Er fällt in Ohnmacht, wenn er hört, das ich meinen ehemaligen Schulfreund zu uns nach Hause eingeladen habe...
Seufzend schiebe ich meinen Koffer zum nächsten freien Platz in der S Bahn.
Darüber konnte ich mir noch den Kopf zerbrechen, wenn ich erst einmal in Frankfurt angekommen bin.

Erschöpft lasse ich mich in meinen Sitz sinken, als ich endlich im Flieger angelangt bin.
Wenigstens ein Fensterplatz.
Mein Freund wäre schon drei Tode gestorben, wenn er mitbekommen hätte, das ich mit den Öffentlichen gefahren bin, mich dann durch eine elend lange Schlange an der Sicherheitskontrolle gekämpft habe und dann auch noch die letzten Meter zu meinem Gate rennen musste, weil ich viel zu spät dran war.
Tief atme ich einmal durch und verstaue meine Tasche unter dem Vordersitz.
Es dauert eine Weile, bis alle Vorbereitungen erledigt sind und das Flugzeug endlich in Richtung Startbahn rollt.
Neben mir hat sich eine ältere Frau niedergelassen, die interessiert in ihrer Zeitung blättert.
Irgend ein Klatschblatt. Die Bunte oder so.
Nichts ahnend lehne ich mich zurück und versuche die Augen zu schließen.
Allerdings fällt mir das wirklich schwer, weil meine Sitznachbarin mir immer wieder einen verstohlenen Blick zu wirft.
Am liebsten würde ich Sie fragen, was genau den ihr Problem mit mir ist, allerdings habe ich gerade wirklich keine Lust, eine Diskussion mit einer wildfremden Person anzufangen.
Der Flug dauert nur 50 Minuten Linnea.
Das vergeht schnell.
Ich atme tief durch und schließe erneut die Augen.
Und tatsächlich funktioniert es.
Kurz nachdem der Flieger den Münchner Boden verlassen hat, döse ich weg.

Geweckt werde ich erst durch die etwas harte Landung in Frankfurt.
Genüsslich strecke ich mich. Zumindest soweit, wie das mit der begrenzten Beinfreiheit in der Economy Class möglich ist.
„Besuchen Sie ihren Freund?" nun traut sich meine neugierige Sitznachbarin wohl doch, mich anzusprechen.
„Ja." ich schenke ihr ein müdes Lächeln.
„Aha... Aber sagen Sie mal... welchen den?" sie hält mir eine Seite ihrer Zeitung hin, wo ich zwei mal abgebildet bin. Einmal mit Leon und einmal mit, wie sollte es auch anders sein... Benni.
„Ich ähhh..." ich spüre wie mein Gesicht kreidebleich wird und ich tue mich schwer, Luft zu bekommen.
„Das sind doch Sie. Oder?" unsicher sieht die Frau erst die Fotos, dann mich an.
„Ja...schon." ich bin kurz davor, in Panik auszubrechen. Jetzt gilt es, alles zu geben, das Leon diesen Artikel nicht zu Gesicht bekommt. Koste es was es wolle.
„Aber um ehrlich zu sein... dieser Fußballer hat doch auch schon längst eine neue Freundin. Nehmen Sie ruhig den blonden. Der sieht sympathischer aus!" die Frau zwinkert mir zu.
Was ist hier los?!
„Wie...Wie meinen Sie...?" verwirrt sehe ich zu meiner Sitznachbarin.
„Sehen Sie! Hier!" sie blättert eine Seite weiter und hält mir ein Bild von meinem Freund, gemeinsam mit Sheyenne unter die Nase.
Jetzt macht alles Sinn.
Von wegen verpasster Flug.
„Diese verdammte Schlange!" murmele ich leise, woraufhin mich die Dame überrascht ansieht.
„Kann ich mir die ausleihen?" ich zeige auf die Zeitung.
„Natürlich! Nimm Sie mit. Ich brauche Sie nicht mehr. Aber mach dir nicht so einen Kopf Schätzchen. Männer sind alles Idioten. Besonders die Fußballer!".
„Danke. Ich werde mir den Rat zu Herzen nehmen..." schnell schnappe ich mir das Heftchen und stopfe es in meine Tasche.
Dann drängele ich mich so schnell wie nur möglich raus aus dem Flieger.

Im Terminal angekommen wähle ich Linas Nummer.
Nach nur einem Signalton wird abgenommen.
„Linnea! Ich hab mir solche Sorgen gemacht! Ist alles in Ordnung?"
„Ja. Ist Leon in der Nähe?"
„Nein. Die Jungs sind beim Training. Warum?" die Stimme meiner besten Freundin klingt überrascht.
„Du glaubst nicht, was ich gerade herausgefunden habe...."

One last Time. ||a Leon Goretzka Fanfiction ||Where stories live. Discover now