Back to Germany?

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Ich stand jetzt schon seit einigen Minuten an derselben Stelle und wusste immer noch nicht, ob ich sie jetzt wecken sollte oder besser nicht.

Ich schluckte. Okay! Ich schlich vorsichtig Richtung Couch. Doch bevor ich meine Mutter am Arm antippen konnte, schlug Jack die Augen auf. Wuah! Mein Herz rutschte in die Hose.

„...Soojin?", hörte ich seine verschlafene Stimme. „Ähm...ja...bin wieder da." Meine Güte, ich machte diese Situation merkwürdiger als sie war. Er lächelte mich an. Dann strich er meiner Mutter eine Haarsträhne aus dem Gesicht und flüsterte leise ihren Namen.

„Hana...Soojin ist hier..." Es war lange her, dass ich jemanden den koreanischen Vornamen meiner Mutter benutzen hörte. Ich mochte ihren deutschen Namen, Janett um einiges lieber.

Kurz tauchte das Bild meines Vaters vor meinen Augen auf, doch ich schüttelte schnell den Kopf. Meine Mutter schaute sich leicht verwirrt um, doch dann schien sie sich zu erinnern, was heute Abend passiert war und sprang auf.

„Ar-äh Soojin!" Irgh! „Ja, ich weiß. Es tut mir wirklich leid, dass...!" Ich wurde abrupt von ihrer stürmischen Umarmung gestoppt.

„Soojin...Gott sei Dank, geht es dir gut! Ich hätte nicht so ausflippen dürfen, immerhin bin ich hier ja die erwachsene Person...tut mir leid." Haaaaaach! Es tat gut. Es war warm und kuschelig in ihren Armen und es roch...nach Mama halt.

Ich drückte mich fester an sie und spürte die Tränen in meine Augen steigen. Nicht schon wieder! War es nicht irgendwie schädlich für die Gesundheit andauernd zu heulen? Ich nahm mir fest vor, in nächster Zeit nicht mehr aus den Augen zu Schwitzen.

Ich spürte eine große Hand über meinen Kopf streichen. „Schön, dass du wieder da bist. Ihr habt sicher Einiges zu bereden, daher gehe ich schonmal ins Bett. Aber macht nicht zu lange, es ist schon spät.", kam der gutgemeinte Rat von Jack. Ich lächelte ihn dankend an und nickte. „Danke Schatz, ich komme gleich nach.", erwiderte meine Mutter ebenfalls mit einem Lächeln.

Als Jack das Wohnzimmer verlassen hatte, starrte ich meine Mutter an. „Was ist?", fragte diese beunruhigt. Ich verschränkte die Arme. „Schatz? ... Dein Ernst?"

Sie lachte. „Stört dich das so sehr?" Ich ließ mich auf das Sofa plumpsen. „Gib mir drei Jahre, dann habe ich mich daran gewöhnt...oder ich bin bis dahin ausgezogen, dann störts mich auch nicht mehr." Sie setzte sich neben mich und schwieg.

Irgendwas bedrückte sie, aber sie wollte es nicht sagen. „Raus mit der Sprache!" Sie sah zu Boden. „I-ich weiß nicht, ...ob es so eine gute Idee war hierherzuziehen."

BAM! Brüller des Abends oder besser des Morgens. „Könntest du das genauer ausführen?", forderte ich. „Ich...bin mir sicher, du vermisst deinen Vater." Es war drei Uhr Frühs...ich hörte quasi schon mein Bett nach mir rufen, aber natürlich war es die richtige Zeit, um DARÜBER zu sprechen.

Ich seufzte. „Schon möglich, dass ich ihn vermisse, aber was hat das mit hierherziehen zu tun?" Endlich schaute sie mich an. „Wärst du in Deutschland nicht glücklicher? Ich meine, ich habe es geschafft, dein halbes Leben auf den Kopf zu stellen! Noch dazu bin ich mir sicher, dass du Jack hasst und Chris...da bin ich mir nicht sicher, aber du fühlst dich hier sicher nicht wie Zuhause. Ich...ich dachte, wir könnten eine richtige Familie sein. Ich weiß, ich habe dich oft vernachlässigt und Arbeit war mir wichtiger als meine eigene Tochter, aber das wollte ich ändern. Ich wollte, dass du mit hierherziehst, damit ich irgendwie neu anfangen kann und wir naja so eine Bilderbuchfamilie werden. Aber ich war egoistisch und wenn du wirklich hier wegwillst, dann versteh ich das. Ich rede mit deinem Vater, dass du zurück nach Deutschland gehst und..."

Ich hob meine Hand, was meine Mutter verstummen ließ. Warum wollten mich heute alle zurück nach Deutschland verfrachten? „Mami, bevor du gleich das Flugticket kaufst, darf ich mal meine Meinung loswerden?" Sie nickte mit einem ernsten Gesichtsausdruck.

„Gut. Also...Ich will nicht zurück, auf keinen Fall, nie und nimmer... also doch vielleicht mal in den Ferien oder so. Aber worauf ich hinaus will ist, ...ich fange an, mich hier wohl zu fühlen. Ja, ich gebe zu, ich wollte Jack hassen und Chris mal nebenbei auch, dennoch musste ich zu meinem Bedauern feststellen, dass dies nicht möglich ist. Die ganze Atmosphäre in diesem Haus ist ganz anders, als sie bei uns war. Es hat was Heimisches. Dennoch fühle ich mich hier nicht richtig Zuhause, da hast du recht, aber das tue ich in Deutschland auch nicht. Ich kann sehen, wie viel Jack an dir liegt und ich weiß dich bei ihm in guten Händen und er gibt sich auch wirklich Mühe, dass ich mich hier wohlfühle und nach dem heutigen Tag, weiß ich, dass er sich auch um mich sorgt...aber versuch bitte nicht, ihn als meinen neuen Vater zu verkaufen. So...Habe ich was vergessen zu erwähnen? Mmh, ach ja! Ich weiß, du hast alle Hände voll zu tun mit deiner Arbeit und so, aber ich würde mich freuen, wenn wir so wie heute öfter mal einfach reden können. Ich hab dich lieb, Mom."

Ich schlang meine Arme um sie und sie erwiderte meine Umarmung. „Ich habe dich auch lieb mein Schatz." Dies ließ mich argwöhnisch zu ihr hochschauen. „Äh...ich will diesen Moment ja nicht kaputt machen, aber...nenn mich bitte nie wieder Schatz...dein Schatz liegt immerhin oben im Bett und wartet auf dich." Die Wangen meiner Mutter färbten sich leicht rosa.

Ich lachte. „Du siehst gerade aus wie ein Mädchen, das zum ersten Mal verliebt ist." Als Antwort zu meinem Kommentar zwickte sie mich in die Nase. „Machst du dich etwa lustig über mich? Pass mal auf, wenn du das erste Mal verliebt bist! Ich habe haufenweise Babyfotos von dir...nackte Babyfotos!" Mir klappte die Kinnlade runter. „NEIN! Glaub mir, wenn ich einen Freund habe, dann werde ich ihn definitiv von dir fernhalten!" Wir lachten beide. DAS, genau DAS, hatte ich all die Jahre vermisst.

„Aber Soojin, was dein Knie angeht...", fing meine Mutter vorsichtig an. Ich nickte. „Ja, ich weiß. Ich war unvorsichtig und es wird nicht mehr vorkommen, versprochen. Mir ist bewusst, wie es ausgehen kann."

Sie streichelte mir übers Haar. „Es tut mir leid. Ich weiß, wie viel dir das Tanzen bedeutet hat, aber ich wusste all die Jahre nicht, wie ich dir nachdem entgegentreten sollte. Du sahst so traurig aus, aber keine Worte von mir, hätten alles rückgängig machen können. Mir erschienen jegliche Aufmunterungsversuche sinnlos. Aber ich hätte bei dir sein sollen, für dich da sein sollen...es tut mir leid."

Ich seufzte. „Nein, schon gut. Ich wollte zu dem Zeitpunkt sowieso von niemanden was hören. Wie siehts eigentlich aus mit meiner neuen Schule? Wissen sie Bescheid?", fragte ich, bevor ich in Depressionen ausbrächen konnte.

Meine Mutter nickte. „Ja, du bist vom Sportunterricht freigestellt." Hach, für einige wäre es wahrscheinlich der Himmel auf Erden, kein Sport machen zu müssen, aber für mich war es eher die Hölle auf Erden!

An meiner alten Schule wurde ich als für zu fein zum Sportmachen abgestempelt wurden. Hoffentlich würde es dieses Mal anders sein. „Und...ich habe für heute einen Termin im Krankenhaus gemacht, sodass sie dein Knie durchchecken, ob es Schäden vom Inliner fahren genommen hat. Der Termin ist für nachmittags sechszehn Uhr angesetzt und ich werde dich begleiten. Du bist dort jetzt als reguläre Patientin angemeldet und musst einmal im Monat zum Check-Up dorthin. Ist das okay für dich?"

Ich nickte langsam. „Ja. Aber ich hätte da noch eine Bitte..." Meine Mutter sah mich fragend an. „Kann Chris mich morgen zum Krankenhaus begleiten?" Überrascht zog meine Mutter die Luft ein. „Du...willst es ihm sagen?" Ich nickte erneut. „Ich denke meine neue Familie hat es verdient, es zu wissen..."

505-Stray KidsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt