Cry Baby

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Stopp! Das war nicht die Zeit, um auf Wolke 7 mit der Aufschrift, Welcome to Mitzy heaven, zu schweben. Ich rannte die Treppe hoch, wo meine Mutter gerade dabei war, ein paar Männern in Arbeitsuniformen Kartons in die Hände zu drücken.

„Hiermit bitte vorsichtig, es ist zerbrechlich." Als sie mich sah, zeigte sie mit dem Finger in Richtung meines Zimmers. „Ariah, du solltest auch anfangen zu packen. Wir haben nicht viel Zeit." Äh, war ich hier die Einzige, die sich für unsere familiäre Situation interessierte?

„Mama, kann ich dich mal kurz unter vier Augen sprechen?" Etwas widerwillig ließ meine Mutter die Männer ihren Job machen und ging mit mir ins Wohnzimmer. Ich schloss die Tür. Wir machten uns nicht erst die Mühe, uns hinzusetzen, sondern blieben einfach mitten im Raum stehen.

„Ich will nicht nach Südkorea! Also schon...aber nicht so! Hat Papa die Wahrheit gesagt, dass du einen Liebhaber hast?" Mir wurde schon übel, diese Frage aussprechen zu müssen. Das war absurd. Natürlich hatten meine Eltern so ihre Probleme, aber wer hatte die nicht? Meine Mutter war nicht die Sorte von Person, die Leute hinterging und schon gar nicht ihre eigene Familie.

Das dachte ich zumindest.

Meine Mutter seufzte. „Doch, es stimmt. Ich habe ihn vor vier Monaten kennengelernt auf einer meiner Dienstreisen. Weißt du, dein Vater und ich verstehen uns schon seit längerer Zeit nicht mehr so gut und als ich dann Jack Bang traf, bemerkte ich, dass es so nicht weitergehen konnte."

Ah, der Affe hatte also auch einen Namen. Meine Stimmung sank von Keller bis Hölle! „Und als du ihn sahst, dachtest du, ich verlasse mal kurz meinen Mann und schleife meine Tochter ans andere Ende der Welt oder was?"

„Ariah Sophie! So redet man nicht mit seiner Mutter!" „Man vielleicht nicht, aber ich schon. Außerdem solltest du den richtigen Namen benutzen, schließlich bin ich doch demnächst Ariah Sophie Bang, wenn ich das hier richtig verstehe."

Der Blick meiner Mutter verfinsterte sich. „Das hat dein Vater ja toll hingekriegt, dich einfach gegen mich aufzuhetzen! Dabei ist er es doch, der seit Jahren Affären mit seinen Angestellten hat! Und der Platz im Büro scheint ihm auch nicht auszureichen.

Andauernd bin ich es, die fremde BHs in der Wäsche findet, die sicher nicht deinem Vater gehören! Ich halte es hier nicht mehr aus. Mag sein, dass ich nicht mehr die Jüngste bin, aber dennoch bin ich eine Frau mit Würde und das bisschen, was ich noch habe, lasse ich mir jetzt nicht auch noch nehmen!"

„Und woher willst du wissen, dass dieser Jack nicht genauso ist, nachdem ein oder zwei Jahre vergangen sind? Wie oft hast du ihn bisher gesehen, dass du dir in ihm so sicher sein kannst?"

„Dein eigener Vater war es, der mich mehrmals nach Korea schickte, um dort die Firmen zu überprüfen. Dabei wollte er mich nur weg von zu Hause wissen.Jack war stets offen zu mir und hat mich unterstützt, als ich mir in diesem fremden Land so unbeholfen vorkam. Vertrau mir doch bitte, wenn ich dir sage, dass er kein schlechter Mensch ist und er ein gutes Herz hat."

Verdammter Mist! Meine Mutter meinte es tot ernst. Natürlich waren unsere Familienverhältnisse noch nie die besten gewesen, aber dass es so schlimm um uns stand, wusste nicht mal ich.

Ich hatte meine Mutter nachts manchmal weinen gehört und ich wusste, dass mein Vater der Grund dafür sein musste, dennoch brachte ich nie den Mut auf meine Mutter direkt zu fragen, was los war. „Was ist, wenn ich nein sage? Was ist, wenn ich nicht mit nach Südkorea komme?"

Der Blick meiner Mutter wurde traurig. „Ich lass dich hier nicht allein mit diesem Mann. Wenn du wirklich unter keinen Umständen mitwillst, dann werde ich dich auch nicht zwingen. Ich bin deine Mutter und das werde ich auch immer bleiben.

Dennoch kann ich nicht länger in diesem Haus bleiben. Wir könnten uns zunächst hier irgendwo eine Wohnung nehmen und dann weitersehen. Aber..." Weiter kam meine Mutter nicht, sie war den Tränen nah. Shit. Ich selbst war auch kurz davor, mich auf dem Boden zu wälzen und zu heulen wie ein Kleinkind.

Ich entschied mich aber dagegen und umarmte stattdessen meine Mutter. Überrascht legte sie ihre Arme um mich. Ich wusste gar nicht, wie lange es her war, dass ich ihre Wärme gespürt hatte. Es fühlte sich gut an.

„Wenn es dir wirklich so wichtig ist, dann komme ich mit nach Südkorea. Aber das mache ich nur für dich und erwarte nicht, dass ich diesen Jack einfach so akzeptiere und auf liebes Töchterchen mache!"

Ich ließ sie los und wir schauten uns beide an. Wir sahen aus wie Heulsusen. Immer noch Tränen in den Augen habend, fingen wir an zu lachen. Wir mussten echt bekloppt aussehen.

„Ich habe dich lieb." Meine Mutter lächelte mich an, wie ich es schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie sah irgendwie...glücklich aus. Da blieb mir wohl nichts anderes übrig als ihre Worte zu erwidern und sie ebenfalls anzulächeln. Schonwieder waren wir den Tränen nah.

(Titel- Cry Baby, Melanie Martinez)

505-Stray KidsWhere stories live. Discover now