32 | Die Asche unserer Feinde.

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Mein Körper war an die Scheibe der Glastür gelehnt, von der aus ich Cory in der Telefonzelle beobachten konnte. Was war mit der NSA? Belauschten sie einfach das Telefonat und informierten sofort die CIA und das FBI? Aber als Cory und ich über diese Möglichkeit sprachen, war sie sich selbst nicht sicher gewesen, ob wirklich alle unter einer Decke steckten. Sie wusste ja noch nicht einmal, ob Rider wirklich mit dem Director des FBI's zusammenarbeitete.

Es waren alles nur Vermutungen gewesen, trotzdem bereiteten mir diese Unbehagen. Alles versteifte sich in mir und schickte einen Schauer durch meinen gesamten Körper. Selbst wenn die Chance dafür noch so klein war, betrug diese nicht direkt null. Dieser Anruf war eine Gefahr, warum ignorierte sie das nur?

Warum ignorierte sie alles gefährliche überhaupt? Waren das ihre Schuldgefühle? War das ihre Art sich selbst zu foltern? Das ihr Gewissen sie zerfraß war mir bewusst, aber sie konnte doch nicht so leichtfertig mit ihrem Leben umgehen! Ich war doch hier. Mir war ja bewusst dass meine bloße Präsenz nicht all diese Gräueltaten wiedergutmachen konnte, aber war ich hier um sie in jeden Schritt zu unterstützen.

Cory ließ ihren Kopf gegen die Scheibe der Zelle glieten und fuhr sich angestrengt durch die Haare. Ihre Lippen bewegten sich und ab und zu konnte ich ihre eisblauen Augen sehen, die zu mir hoch sahen. Redete sie über mich? Wollte sie sich die letzten Details meines Gesichtes nochmal einprägen, bevor sie mit diesen David verschwunden wäre? Ich musste einfach wissen über was sie sprachen!

Ich hasste mich selbst für diese misstrauischen Gefühle und Gedanken, aber war es denn nicht verständlich? Waren meine Sorgen denn nicht berechtigt? Sie hätte niemanden von diesen Leuten vertrauen dürfen. Wir waren auf dieser Flucht mehr kriminelle begegnet, die vertrauenswürdiger wirkten, als ihre alten Kollegen.

Ich hielt diese Ungewissheit nicht mehr aus und verließ das Zimmer, während ich meine Augen auf dem roten Teppich behielt, der sich selbst bis über die Treppen zog. Die Türen des Motels waren schon so nah, aber hielt mich eine Stimme - eigentlich eher was sie sagte, auf.

Das die beiden Mädels, von denen Cory die Kleidung gestohlen hatte, sich bei der Rezeption über den Diebstahl beschwerten, ignorierte ich. Meine Aufmerksamkeit lag eher auf dem Radio, was auf einem kleinen Tisch stand, der von Stühlen umgeben war.

Eine männliche Stimme redete. Sie klang älter und teilweise sehr kränklich, als hätte die Person jahrelang geraucht. "Wir US-Amerikaner sind stolz auf unser Land!" Schrie er schon fast in einem drohenden Ton, der all diejenigen einschüchtern sollte, die nicht seine Meinung teilten. Aber er lag falsch. Wie konnte ich stolz auf dieses Land sein, wenn ich und meine Liebe um unser Leben fliehen mussten? Und was war mit den Leuten, die sich nicht einmal trauten zum Arzt zu gehen, weil sie sonst fürchteten auf der Straße zu laden? Und was war mit den Völkern, die unsere Vorfahren ermordeten und nun leugneten, dass das jemals passiert war? Wie konnte man stolz auf sowas sein?

"Wir werden nicht zulassen, dass die Neider - die Terroristen - unseren Wohlstand und unser geliebtes Land in die ruinieren treiben werden!" Was war der Sinn dieser Rede? Nannten sie Cory und mich Neider? Oder stellte sich diese Aussage an all die Menschen, die in Kriegsgebieten lebten, auf Hilfe hofften und in Schutt und Asche zurückgelassen wurden, als es nichts mehr zu zerstören gab? Wurde jeder angesprochen, der einfach nur mit dem jetzigen Standpunkt der Politik unzufrieden war? Es gab schon lange nichts mehr zu ruinieren, wenn das die besten Seiten dieses Landes waren.

"Wir sind das mächtigste Land der Welt. Die Menschen von jedem Kontinent sehen zu uns auf und bewundern uns." Gelogen. Wir waren der Witz der gesamten Welt. "Und genau weil wir so großartig sind, wollen die Terroristen uns brechen. Aber wir stolzen US-Amerikaner werden nicht kapitulieren und uns immer aus der Asche unserer Feinde erheben!" Wie manipulativ, die reinste Gehirnwäsche. War die Asche eine Metapher für Blut? Würden wir noch mehr Blut vergießen, nur damit die reichsten und mächtigsten Personen sich keine Sorgen über ihren Wohlstand machen mussten, während so viele versuchten über die Runden zu kommen?

Ich war wütend und frustriert. Wie konnten die Leute nur so eine scheiße bejubeln. Meine Hände griffen nach dem alten Radio und wollten es einfach auf den Boden zerschmettern lassen, aber hielt mich ihre Stimme auf. "Was machst du da, Cass?" Wisperte mir ihre Stimme sanft zu und langsam stellte ich das Radio wieder hin. Eine Vermisstenmeldung von einem sieben jährigen Jungen folgte. Es war so normalisiert gewesen, dass es mich nicht einmal mehr schockierte.

Es wurde zum Normalzustand, wenn ich einen Amber-Alert von einem vermissten Kind auf meinem Handy bekam und es einfach ignorierte. Hätte ich es ignorieren sollen? Nein. Aber es war normal und wenn etwas sich immer und immer wieder wiederholte, dann verschwand der Schockeffekt und man gewöhnte sich daran, bis es einen nur noch egal war. Ich konnte nur hoffen, dass Cory sich nicht auch so fühlte.

Ich ließ mich von hinten in ihre Arme fallen und konnte ihr Kinn spüren, welches sich auf meiner Schulter ablegte. Ich wollte das einfach genießen, denn ich brauchte das so dringend. Alles fühlte sich einfach so hoffnungslos an. "Wir sollten gehen." Meinte sie aber. Verwirrt sah ich Cory an, aber folgten meine Augen ihre und sahen zurück zu den beiden Mädels, die sich noch immer über ihre Kleidung beschwerten. Es war wirklich nicht sonderlich hilfreich, dass wir ausgerechnet in ihren Sachen in der Lobby standen. Wenn sie nach Videoaufnahmen fragten - welches dieses Motel hoffentlich nicht besaß - dann wären wir geliefert gewesen.

Cory nahm mich bei Hand, unsere Finger ineinander verschränkt und ging mit mir die Treppe rauf. Wieder hielten wir vor Zimmer 34. Langsam fühlte sich diese Nummer wie ein Fluch an. Der Moment als die Türen geschlossen waren, ließ ich mich einfach in ihren Armen fallen. Ich brauchte ihre Berührungen jetzt einfach. Ihre Finger strichen durch mein braunes Haar und ihre Lippen hinterließen zärtliche Küsse auf meiner Stirn, aber leider konnte dieser ruhige Moment nicht ewig andauern.

"Er wird kommen." Und davor fürchtete ich mich.

The Story Of Cass & CoryOù les histoires vivent. Découvrez maintenant