12 | Verhalten.

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"Willst du das etwa, Cass?" Sie war wütend, Cory war richtig wütend. Schnell schüttelte ich meinen Kopf, aber fühlte es sich dadurch nur an, als wäre der Zigarettengeruch noch stärker geworden. "Warum zur Hölle, bist du dann weggerannt?"

Ungeduldig suchten meine Augen nach etwas, auf das sie sich hätten fokussieren können, aber sah ich nichts als die Ziegelsteine des Nachbarhauses.

Ich konnte Corys Finger auf meiner Haut spüren. Ihr Daumen und Zeigefinger positionierten meinen Kopf in ihre Richtung, damit ich ihr auch ja in die Augen sah.

Genau wie ihre blauen Augen, wirkten auch ihre Berührungen eiskalt. Bereitete ich ihr stress, damit ihr das Blut in den Adern gefror, oder war sie schon immer von Kälte umgeben gewesen?

"Antwortete mir gevölligst, Cass!" Warum sagte sie meinen Namen immer und immer wieder? Sollte es sich dadurch persönlicher anfühlen? Als hätte ihr bloßer Anblick mich nicht schon mit genug schuldbewussten Gedanken zurückgelassen.

"Ich hab' Angst, ich will das nicht mehr!" Kam es einfach wie bei einem Wasserfall aus mir herausgeflossen. Sie legte ihren Kopf in den Nacken und stöhnte auf, bevor sie mich mit Mitleid ansah. "Das versteh ich ja, aber wie schon gesagte, du steckst nun zu tief hier drin."

Das wollte ich nicht hören, von mir aus konnte sie auch lügen. Cory hätte mir erzählen können, dass alles wieder gut werden würde, dass ich mir keine Sorgen machen müsste. Ich wollte irgendeine von diesen Lügen hören. Sie dürfte lügen, sie dürfte alles.

"Wir gehen." Sagte sie und Hakte ihren Arm bei mir ein. Fest, als hatte sie befürchtet, dass ich noch einmal zur Tür rennen würde. Ihr Kopf war gesenkt und ich konnte nicht anders, als es ihr gleich zutun.

"Meine Freundin," Wisperte ich, denn noch kämpfte die Hoffnung mit ihren letzten Atemzügen in mir. "Sie arbeitet für die Polizei, sie kann uns helfen." Aber hörte ich nur ein kleines Lachen von Cory kommen, welches nur so vor Unglauben trotzte.

"Cass," Sagte sie meinen Namen, als hätte sie meine Hoffnung süß gefunden. "Man hält mich für eine Terroristin, wenn irgendwer von der Polizei das dem FBI steckt, dann wird die CIA davon auch erfahren."

"Und was nun?" Die Hoffnung starb, aber ich hätte sowieso nicht davon ausgehen sollen, dass Jane mir helfen würde. "Vergess sie und alle anderen auch, nur wir können uns noch helfen."

Ich hatte Jane vergessen, sogar diesen Ort vollkommen verdrängt, aber kam mir alles in diesen Moment wieder hoch. Wie konnte ich mir sicher sein, dass ich einfach alles und jeden vergessen könnte, ohne, dass mich irgendetwas an sie erinnern würde? Das war unmöglich! Selbst Cory hätte das wissen müssen.

"Konntest du denn jeden aus deinem Leben so einfach vergessen?" Fragte ich, aber klang es etwas vorwurfsvoll. "Nein. Ich erwarte aber auch nicht wortwörtlich, dass du sie vergisst." Jetzt kam ich mir etwas dumm vor. "Du sollst einfach nur Abstand halten, bevor sie auch mit reingezogen werden."

Meine Frage ermüdete Cory wohl, so angestrengend wie sie seuftzte, aber klang es auch so, als hätte sie aus Erfahrung gesprochen.

"Und was machen wir nun?" Wollte ich einfach nur wissen, da ich nicht weiter über alles andere nachdenken wollte. "Wir ruhen uns erstmal die Nacht aus und dann sehen wir weiter."

Nacht, ich hatte nicht einmal gemerkt, dass die Sonne am untergehen war. Über einige Häuser hinweg, schienen noch vereinzelte Sonnenstrahlen, während der Himmel in rosa, orange, rot und noch etwas blau leuchtete.

An die Sterne war nich nicht einmal zu denken, aber bekam ich das Gefühl, als würde ich sie für einige Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Leise lachte ich in mich hinein, so vieles würde ich nicht mehr zu Gesicht bekommen. Meine Familie zum Beispiel, aber hatte ich sowieso schon lange nicht mehr mit ihnen geredet. Ich war einfach nicht gut darin Kontakt mit ihnen zu halten.

"Cory?" Sprach ich ihren Namen aus, aber summte sie nur auf, anstelle mich anzusehen. "Hast du jemals nach Hilfe gefragt?" Kurz schwieg sie, bevor sie wieder so erschöpft seuftzte. "Ja, aber hat es nichts gebracht."

Wir kamen auf eine Ampel zu, aber wartete Cory nicht bis es grün wurde, sondern rannte mit mir über rot auf die andere Seite, während all die Autofahrer uns aggressive anhupten.

"Was sollte das?" Fragte ich aufgebracht, da ich das Hämmern meines Hernzens bis in meinen Ohren hören konnte. "Ich wollte dich nur zum Schweigen bringen." Meinte sie mit einem schulterzucken, aber war ich mir ziemlich sicher ein Lächeln gesehen zu haben, welches sie unter ihrer Kaputze versuchte zu verstecken.

"So viel rede ich nicht." Versuchte ich mich zu verteidigen und auch meine Arme zu kreuzten, aber konnte ich mich nicht aus Corys Griff los reißen. "Trotzdem stellst du viele Fragen."

"Ja, weil sich mit jeder Sekunde die vergeht, immer mehr Fragen in den Raum stellen." Unabsichtlich war ich etwas lauter geworden, aber zu meiner Überraschung hob sie leicht ihren Kopf und sah mir in die Augen.

Die Kälte war dabei zu schmelzen, während sich ihre Mundwinkel nun vor mir hoben. "Befinden wir uns gerade in einem Raum?" Dazu hielt sie noch demonstrativ ihre frei Hand ausgestreckt hoch und schwang ihren Oberkörper leicht zu Seite.

Tief atmete ich ein und schloss sofort meinen offen stehenden Mund, während ich versuchte ein Lächeln aufzusetzen. "Für den schlechten Witz verdienst du eine Ohrfeige." Und das meinte ich mit aller Ernsthaftigkeit.

"Versuche es und ich breche dir beide Hände." Und auch sie meinte das mit aller Ernsthaftigkeit. "Hast du wirklich schon mal jemanden beide Hände gebrochen?" Nun da sie die selbe Drohung zum zweiten Mal aussprach, wirkte sie irgendwie harmlos.

"Ich habe vielen Leuten vieles gebrochen." Etwas, was sie mit Reue und hängenden Kopf sagte. "In welchen Situationen?"

Unwohl drehte sie ihren Kopf zur Seite. Da hatte ich wohl eine Grenze überschritten, auch wenn ich wirklich nicht wusste, wo diese überhaupt standen.

"Im Verhör zum Beispiel." Ungläubig sah ich Cory an, denn in keinem normalen Verhör hätte man jemanden etwas gebrochen. "Die CIA benutzt sehr unethische Methoden um an Informationen heranzukommen, so zum Beispiel auch Folter."

Und die Knochen Gefangener zu brechen, gehörte wohl zu einer dieser Methoden.

The Story Of Cass & CoryWhere stories live. Discover now