02 | Nein bedeutet nein.

252 13 1
                                    

Langsam erhob ich mich von meiner Couch. Mein Herz raste wie wild. Fühlte sich so ein Herzinfarkt an? Wenn das Herz so schnell schlug, dass man den Schmerz sogar in den Beinen fühlen konnte und nicht mehr in der Lage war, richtig zu atmen? Ich konnte schon meine eigene Magensäure im Hals spüren, als ich nach einem Messer aus meiner Schublade in der Küche griff.

Das wäre sicherlich ein guter Zeitpunkt gewesen um die Polizei zu rufen, aber solange die Chance bestand, dass die Nachrichten einfach nur übertreiben wollten und meine ältere Nachbarin von oben eine zweite Katze von der Straße gerettet hatte, die sich einfach nur mit der anderen nicht so gut vertragen konnte, wollte ich nicht die Polizei rufen.

Ich meine, wer rief denn schon gerne die Polizei? Wie konnte ich diesen Leuten vertrauen, die unschuldige Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe erschossen, nur weil sie sich bedroht fühlten? Wurde man für genau solche Situationen nicht ausgebildet? Offensichtlich nicht, wenn in anderen Ländern selbst die Hunde eine längere Ausbildung genossen, als die Menschen in diesem Land.

Trotzdem, vorsichtshalber griff ich in meine Tasche und zog mein Handy heraus, nur um es schnell wieder in meine Hosentasche zu stopfen. Zwar wollte ich nur ungern die Polizei rufen, hätte es aber trotzdem getan, wenn es mir mein Leben retten würde.

Das Messer war an meinen Brustkorb gedrückt, während mein Körper sich an die Wand lehnte und versuchte Mut zu sammeln. Es war sicherlich nur die Katze. Cass Leighton würde nie so etwas passieren. Warum auch? Es passiert doch immer den anderen. Redete ich mir ein. Sowas wie ein Einbruch passierte immer anderen. Nicht jemanden wir mir, die doch eigentlich in einer sicheren Nachbarschaft lebte.

Noch einmal atmete ich tief durch, legte meine Hand auf die Klinke und schwang die Tür auf. Meine braunen Augen trafen auf blaue - eisblaue. Ich wollte schreien, aber kein Ton kam heraus. Die Frau blieb weiterhin auf meinen Fensterbrett sitzen, während ihr eines Bein in meinen Zimmer hang und das andere draußen blieb.

"Ich rufe die Polizei." Wisperte ich heiser und hielt das Messer weiterhin auf sie gerichtet, deren Blick nun panisch wurde. "Nein, nein, nein, nein, nein." Wiederholte sie mindestens ein paar tausend Mal und hob ihre Hände, um mir zu zeigen, dass sie harmlos war.

Meine frei Hand wollte in die Tasche meiner Hose fassen, aber hielt mich ihre Stimme kurz davon ab. "Ich möchte wirklich kein Ärger, ich möchte mich nur für die Nacht hier verstecken." Das Messer wurde schwerer, es ließ meine Hand zittern. "Verschwinde aus meiner Wohnung."

Sie schwang ihr zweites Bein über mein Fensterbrett und hatte nun ihren Körper zu mir gedreht. Ihr schwarzes Shirt und Jeans waren komplett zerrissen, während man sogar Blut auf ihren Knien sehen konnte. Als wäre sie immer weiter gerannt, obwohl ihre Beine sie nicht mehr tragen konnten. Zu oft schien sie auf den verdeckten Boden aufgeschlagen zu sein.

"Die Straße runter ist ein Obdachlosenheim." Teilte ich ihr mit in der Hoffnung, dass sie meine Wohnung verlassen würde, sie sah mich aber nur entgeistert an. "Ich bin nicht obdachlos, sondern nür für eine kleine Weile auf der Flucht." Entgegnete sie mir ganz beleidigt.

Das sollte ich ihr glauben? Ihre Kleidung war zerrissen und überall mit Dreck übersät, zudem sah sie aus, als hätte sie seit einer Weile nicht mehr in einem Bett geschlafen, geschweige den eine Dusche gehabt.

"Oh Gott." Murmelte sie angestrengt und holte etwas aus ihrer hinteren Hosetasche heraus. "Eigentlich will ich das nicht tun, aber..." Das wars, dachte ich mir. Sie würde nun wie in all den Filmen eine Pistole aus ihren Gürtel hervor holen und mich erschießen. "CIA! Ich Beschlagnahme Ihre Wohnung!"

Aus Angst war ich einige Schritte zurückgegangen, nun wollte ich ihr am liebsten ins Gesicht lachen. Wie sie mir aber auch diese kaputte Marke hinhielt, die definitiv nicht zur CIA gehört. Warum hätte eine Agentin auch auf der Flucht sein sollen? Für sowas gab es doch das Zeugenschutzprogramm.

"Ich rufe jetzt die Polizei." Ließ ich sie wissen, noch immer in der Hoffnung, dass sie von alleine verschwinden würde, aber das tat sie nicht. Und noch immer hielt sie mir ihre "Marke" entgegen. "Bitte nicht!" Flehte sie tatsächlich verzweifelt. Mich hätte es nicht gewundert, wenn sie auch noch auf die Knie gegangen wäre.

Ihre Arme waren am zittern und ihr Gesicht war vollkommen bleich. Sie tat mir leid. "Vor wen bist du auf der Flucht?" Vielleicht war es nicht sonderlich schlau, aber ich hatte Mitleid mit ihr, so verängstigt wie sie war.

Aber sie zögerte mir zu antworten, was mich dann doch etwas misstrauisch werden ließ. "Warum bist du auf der Flucht?" Fragte ich erneut, nur diesmal etwas aggressiver, während ich meinen Griff um das Messer festigte, welches ich immer noch auf sie gerichtet hatte.

Sie lächelte entschuldigend, als würde sie sich selbst kaum ernst nehmen können. Von so jemanden konnte man doch keine ordentliche Antwort erwarten. "Vor der CIA." Die Frau war nicht obdachlos, sie war aus einer verdammt Klapse ausgebrochen!

Erst zeigte sie mir diese gefälschte Marke und behauptete, dass sie teil der Central Intelligence Agency war und nun meinte sie, dass sie vor eben genau dieser auf der Flucht war? Diese Frau hatte sie doch nicht mehr alle!

"Ich werde jetzt die Polizei rufen." Und dieses mal griff ich wirklich in die Tasche meiner Hose und wählte schnell den Notruf. "Nein!" Schrie sie. Ihr Gesicht war die ganze Zeit schon blass gewesen, aber nun ähnelt ihre Haut die Farbe einer Leiche.

Wahrscheinlich war sie wirklich auf der Flucht. Sie flüchtete vor der Polizei, die sie zurück in die Anstallt bringen wollte, wo sie zurecht hingehörte!

"Richmond Police Department." Ertönte eine weibliche Stimme von der anderen Seite meines Handys, doch bevor ich etwas sagen konnte, lag ich auf meinen Bett. Sie saß auf meiner Hüfte mit dem Messer in der Hand. Die Spitze direkt über meinen Herzen, während mein Handy gegen die Wand geschleudert wurde und nun zerbrochen auf dem Boden lag.

Mit ihren eisblauen Augen sah sie zu mir herab und biss sich auf die Zähne. "Ich habe nein gesagt."

The Story Of Cass & CoryWhere stories live. Discover now