10 | Unnötige Leichen.

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Wir schwiegen in Stille, konnten einander nicht einmal mehr in die Augen sehen. Ihre Worte lagen mir schwer im Magen. Selbst ihre ständige Nachfrage, ob sie wirklich ein guter Mensch war, ließ mich zweifelnd zurück. Wenn sie so oft nachfragen musste, um sicher gehen zu können, wie konnte ich mir dann sicher sein?

Alles was sie mir erzählte, war wie aus einem grauenhaften Horrorfilm. Es war brutal, angsteinflößend und abscheulich. Ein Film, der so sehr ins Detail ging, mit seinen Informationen und Beschreibungen, hätte man sicherlich in vielen Ländern verboten. Oder? Oder waren die Menschen wirklich so krank gewesen, dass sie sowas genossen?

"Cass, geht es dir gut?" Hörte ich ihre Stimme laut fragen. Anscheinend hatte sie sich schon etwas öfter wiederholen müssen. "Ja, aber was machen wir nun?" Gott, ich fürchtete mich vor ihrer Antwort.

Ich konnte nicht nach Hause zurück. Diese Männer wussten wo ich wohnte, wahrscheinlich kannten sie meine Arbeit ebenfalls. Bestimmt hatten sie auch schon meine Geburtsurkunde rausgesucht und versuchten jedes bisschen an Informationen über mich herauszufinden.

Wo ich zur Schule ging, wer meine Freunde und was meine Bankdaten waren? Und wenn sie all das über mich wussten, dann... "Was ist mit meiner Familie, Cory? Sind sie in Sicherheit?" Schrie ich sie panisch an.

Meine Hände umfassten ihr Gesicht und zog es an meins heran. Sie sollte mir in die Augen sehen, auch wenn sie mich völlig überrumpelt ansah.

Sie versuchte etwas sagen, aber hielt ich ihr Gesicht so fest, dass sie kaum ein Wort herausbekam. "Entschuldige." Wisperte ich schnell und ließ meine Hände zu ihren Schultern gleiten, aber ängstlich sah sie mich dabei an, als ich ihren Hals dabei kurz berührte.

Es war die pure Angst, die sich in ihren Augen abzeichnete, als wäre sie schon oft dort berührt worden. Sie besaß keine Würgemale auf der Haut, zumindest keine die man sehen konnte.

Selbst Cory musste sich kurz sammeln, bevor ihre Augen mich wieder mit einer ernsten Kälte ansahen, die mich an den tiefsten Winter erinnerten. "Deine Familie ist sicher, Cass." Wie konnte sie sich dabei sicher sein? Sie war vor der CIA auf der Flucht, also zweifelte stark, dass sie wusste, was diese Männer in diesem Augenblick planten. "Wie kannst du dir so sicher sein?"

Ihre Augen drehte sie kurz zur Seite, bevor sie mich schnell wieder ansah. Ich schien ihr Kopfschmerzen zu breiten, so wie sie sich gerade über die Stirn rieb.

"Die CIA wird keine unnötigen Leichen gebrauchen können." Cory wollte das nicht aussprechen, denn sie ahnte schon, dass mich diese Antwort nur wahnsinnig machen würde. "Was meinst du, mit unnötigen Leichen?"

Noch immer hielt ich ihre Schultern fest, vor Panik krallten sich aber versehentlich meine Nägel in ihre Haut, aber Cory ließ das Kalt. Sie schien nicht einmal den Schmerz zu bemerken. Sie fürchtete sich vor meinen Händen an ihren Hals, gleichzeitig spürte sie aber nicht den Schmerz, den ich ihr doch verursachen musste. Was hatte man ihr angetan?

"Mein Boss, Mr. Rider, er wird niemanden irgendetwas von seinen Deals erzählt haben. Wahrscheinlich wird er irgendwelche Lügen verbreitet haben, deren Kerernaussage ist, dass ich die CIA verraten habe." Begann sie mir zu erklären. "Aber was hat das mit meinen Eltern zutun?"

Sie hielt mir ihren Zeigefinger vor die Augen, damit wollte sie wohl sagen, dass ich Geduld haben sollte. Etwas, dass mir in dieser Situation nur schwer fiel. "Diese Männer werden ihn sicherlich schon mitgeteilt haben, dass du nun an meiner Seite bist. Schnell sollte er aber realisieren, dass du keinen Kontakt mit deiner Familie aufnehmen kannst."

Okay, bisher machte das alles. Wenn ich keinen Kontakt zu meiner Familie aufnehmen konnte, dann konnten sie auch nicht wissen, wo ich mich befand. Das hätte sie nicht zu einem Ziel gemacht.

"Und weil du sie nicht kontaktieren kannst, wird er sie nicht als Geiseln nehmen und deshalb auch nicht versuchen sie umzubringen - das wären nur unnötige Leichen." Sie trug ein Lächeln auf den Lippen, als hätte sie ernsthaftig geglaubt, dass mich das nun beruhigen würde.

Zum Teil tat es das auch zum Beginn, aber dann musste sie unbedingt von einer Geiselnahme anfangen. "Und was passiert mit unnötig Leichen?" Unnötig Leichen, dass wurde mittlerweile viel zu oft gesagt.

Cory zögerte, atmete tief die Luft ein und mied meinen Blick. "Antworte mir." Verlangte ich. "In der Regel sind das die nicht identifizierbaren Leichen." Mir wurde wieder schlecht.

Diese Leichen wurden also genutzt, um Mr. Riders Deals mir den Menschenhändlern zu vertuschen. Diese armen Seelen wurden in Gräbern von Leuten gelegt, die wahrscheinlich noch am Leben waren. Wie hätten sie so ruhen sollen?

"Und wie werden diese Morde wieder vertuscht?" Warum fragte ich immer wieder nach, wenn ich doch wusste, dass sich mein gesamter Magen zusammenzog und ich die Antwort nicht mit meinem Gewissen vereinbaren konnte. "Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung. Darauf war ich nicht spezialisiert."

Mein Kopf war zum Boden gerichtet, mein braunes Haar viel mir ziellos vor die Augen, aber meine Sicht sah nur schwarz. Das war unbefriedigend, das war unfair!

"Das einzige, was ich mir allerdings vorstellen kann, ist," Redete sie weiter. Ich musste das hören, auch wenn ich jetzt schon wusste, dass ich die Antwort hassen würde. ''Dass Mr. Rider einen Deal mit dem Director vom FBI hat, der dabei hilft, die Morde irgendwelchen Killern unterzujubeln."

Ich wusste, dass ich diese Antwort hassen würde, aber enttäuschte sie mich doch umso mehr. "Sind denn wirklich alle korrupt?" Wisperte ich zu mir selbst. Ich erwartete keine Antwort, Cory schien auch keine zu haben, aber sprach ihr Schweigen mehr als Worte es je gekonnt hätten.

Nun wünschte ich mir tatsächlich, dass sie irgendetwas sagen würde. Das es nur die ganz hohen Tiere waren und der Rest es einfach nicht besser wusste - wie Cory eben. Aber niemand hinterfragte es. Gedankenlos erfüllten sie irgendwelche Aufgaben, welche den Leuten nur schaden zufügte.

"Musstest du jemals jemand unnötiges töten?" Fragte ich, als ich langsam mein braunes Haar hinter meine Ohren striff und meinen Kopf hob. Ein trauriges Lächeln war auf ihren Lippen zu sehen. "Alle unnötigen sind Unschuldige, also wahrscheinlich ja."

The Story Of Cass & CoryWhere stories live. Discover now