29. Die Gute-Laune-Playlist

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„Hi Adam", begrüßt mich Eves vertraute Stimme am Telefon. „Ich weiß, wir wollten eigentlich heute Abend telefonieren, aber Luke und ich schauen gerade nach Flügen und darum muss ich kurz fragen, ob du in drei Wochen schon was vor hast."

Verwirrt runzle ich die Stirn. „Wieso ich? Ihr fliegt doch irgendwohin."

Sie lacht am anderen Ende. „Ja, aber zu dir. Wir wollen dich gern besuchen kommen. Luke war noch nie in Texas, das Wochenende in drei Wochen bietet sich dafür an und die Flüge sind total günstig."

Mit dem Handy am Ohr lehne ich mich an den Türrahmen und schmunzle unwillkürlich, als ich beobachte, wie Valentino Fiore zu Lil' Jon und den East Side Boyz vor meiner Küchenzeile tanzt und dabei Paprika schneidet.

„Adam?", hakt Eve erneut nach. „Was ist denn jetzt? Kannst du?"

„Ähm ... ich weiß nicht genau", erwidere ich gedankenverloren.

Valentino schwingt seine Hüften im Rhythmus des Songs und geht allen Ernstes kurz dabei in die Hocke, so dass ich auflache. Er blickt mich ertappt an, doch statt seine Showeinlage zu beenden, zwinkert er mir zu.

„Adam?", ruft Eve zum wiederholten Mal. „Hörst du mir überhaupt zu?"

Ich schüttle meinen Kopf, um meinen Fokus wiederzugewinnen. „Ähm ... um ehrlich zu sein, ist es gerade etwas unpassend, Eve. Kann ich dich nachher einfach anrufen?"

„Unpassend? Warum? Und wieso klingt es im Hintergrund wie eine Party bei dir?"

Inzwischen wurde Lil' Jon von Beyoncés „Baby Boy" abgelöst und der süße Taxifahrer wirft die freie Hand in die Luft, während er – wenn auch etwas schief – mitsingt und weiterhin zum Rhythmus tanzt.

„Ich ... ich hab ein Date", antworte ich Eve wahrheitsgemäß, obwohl ich ihr keine Rechenschaft schuldig bin. „Und du störst ein wenig dabei."

Sie schnappt hörbar nach Luft und ich kneife die Augen zusammen. „O-Okay ... ich ... ruf du mich einfach nachher an, wenn es dir passt, ja?"

Verblüfft reiße ich die Augen wieder auf. „Sicher?"

„Ja, ganz sicher! Viel Spaß und grüß sie ganz lieb von mir." Sie lacht. „Oder besser nicht. Es könnte etwas komisch klingen, wenn du Grüße von deiner Ex-Frau ausrichtest."

Noch bevor ich klarstellen kann, dass ich kein Date mit einer sie habe, hat Eve den Anruf beendet und ich blicke dümmlich auf mein Handy.

„Und? Ist alles in Ordnung bei deine Ex-Frau?", erkundigt sich Valentino neugierig und stellt die bereits zur Hälfte gefüllte Salatschüssel zur Seite.

„Ja", erwidere ich, immer noch etwas verdattert. „Ich soll dich grüßen."

Überrascht hebt er die Augenbrauen, schmunzelt jedoch sogleich. „Danke schön. Das ist aber sehr lieb."

„Hm", mache ich nachdenklich und kaue auf meiner Unterlippe herum.

„Ist alles okay, Adam?" Valentino tritt vor mich und mustert mich neugierig.

Ich sehe in seine hübschen, dunklen Augen und zucke mit den Schultern. „Ich ... hätte ich ihr sagen sollen, dass du ... dass ich ..."

„Dass ich eine Mann bin?", vervollständigt er den Satz, den ich noch nicht richtig ausformulieren konnte.

Mit zusammengepressten Lippen nicke ich zustimmend.

Valentino lächelt mild und seine Finger streichen sanft über meinen Unterarm. „Das kannst du auch später machen. Keine Stress."

Hilflos lache ich auf. „Sie ... sie und Luke wollen mich in drei Wochen besuchen kommen."

Seine Augen leuchten begeistert auf. „Das ist doch toll! Du hast sie lange nicht gesehen. Besuch ist immer gut."

„Aber ... aber das mit uns–"

Er zwinkert mir zu. „Ich sage keine Stress." Mit einer ausladenden Geste wendet er sich meinem Herd zu. „Jetzt brauchen wir eine Topf für die Pasta, denn ich habe sehr Hunger."

Ich suche also einen großen Topf heraus und fülle ihn mit Wasser, während Valentino sich weiter mit dem Gemüse für den Salat beschäftigt und wieder dazu übergeht, sich zur Musik zu bewegen.

Inzwischen sind wir bei den Red Hot Chili Peppers angekommen und ich muss unwillkürlich kichern.

„Was ist lustig?", will er von mir wissen und steckt sich grinsend ein Stück Gurke in den Mund.

„Dein Musikgeschmack ist sehr ..." Ich wedle wild mit den Händen. „Abwechslungsreich."

Er rollt zufrieden mit den Augen und kommt zu mir herangetanzt. Keine Ahnung, wie er das zu dem Lied hinbekommt, aber er kann es.

„Ist meine Playlist für gute Laune", erklärt er und kommt noch näher. „Hast du gute Laune?"

Ich lache auf und kann meinen Blick nicht von seinem zu einem dauerhaften Lächeln verzogenen Mund abwenden. „Die habe ich auf jeden Fall."

„Siehst du? Funktioniert." Seine Stimme ist nur ein Raunen, während er inzwischen so nah an mir steht, dass ich die Wärme, die sein Körper ausstrahlt, fühlen kann.

Oder aber es ist wieder dieses Feuer in mir. Oder beides.

„Vielleicht ist es auch gar nicht die Playlist", wispere ich und lege zaghaft meine zitternde Hand an seine Hüfte.

„Nicht die Playlist?", haucht er und ich spüre seine warmen Finger an meiner Schulter.

Alles an und in mir prickelt. Meine Haut unter dem T-Shirt, wo seine Hand mich berührt, meine Finger, die ihn vorsichtig halten, mein Gesicht, wo sein warmer Atem mich streift. Mein Magen, meine Lunge, mein Herz - alles steht unter knisterndem Feuer.

Ich beuge mich noch ein Stück vor, während ich unablässig auf seine Lippen starre und selbst mein Mund beginnt mit der sich verringernden Distanz zu kribbeln.

Ein lautes Zischen ertönt und viel zu spät realisiere ich, dass nicht ich das Geräusch erzeuge.

Valentino schreckt zurück und springt aufgeregt zum Herd, auf dem das nun kochende Nudelwasser sich sprudelnd den Weg durch den geschlossenen Deckel nach draußen bahnt.

„Gleich können wir essen. Ich brauche Pasta!" Eine Hand wedelt auffordernd herum, während die andere die Temperatur der Kochstelle herunterregelt und rasch den Deckel mit einem Topfhandschuh zur Seite legt.

Kann man sauer auf Wasser sein?

Ich stelle gerade fest: Ja, kann man.

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