25. Das Missverständnis über die Bedeutung von Ciao

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„Hallo?", höre ich ausgerechnet Valentinos Stimme durch mein Telefon. „Adam?"

„Oh, hey", mache ich und zwinge mir ein Lächeln auf Gesicht, obwohl ich vor Schmerzen schreien will. Nebenbei drehe ich das Wasser aus. „Na?"

Toll, dass du dich hier so lasziv am Badewannenrand abstützt, Adam. Als könnte er dich sehen, du Trottel.

„Ist alles gut? Ich habe so eine Krach gehört."

Ächzend setze ich mich etwas bequemer hin und mustere meine Gliedmaßen. Es steht nichts komisch weg, also bin ich offenbar glimpflich davongekommen. „Ich ... ich bin nur ausgerutscht", gebe ich zu und atme möglichst flach, um ihm nicht wie ein Creep ins Ohr zu hauchen.

„Ausgerutscht? Bist du eislaufen?"

Mein Gesicht wird unnormal heiß und ich schicke ein stilles Stoßgebet zum Himmel, dass er mich wirklich nicht sehen kann. „Nein, ich ... ich war gerade unter der Dusche."

„Oh, sorry. Soll ich später–"

„Nein! Nein!", rufe ich etwas zu schnell.

Gott, Adam! Beruhige dich!

„Ich ... ist schon okay. Was ... was kann ich für dich tun?" Verzweifelt lege ich meine Stirn auf dem Badewannenrand ab und kneife meine Augen zusammen.

Was zur Hölle stimmt denn nicht mit mir?

Valentinos Lachen dringt durch den Hörer zu mir und ich kann ihn förmlich vor mir sehen mit den süßen Lachfältchen um seine Augen. Und hey, er lacht! Das ist doch ein gutes Zeichen, oder? Gestern Abend war er gar nicht so fröhlich.

„Du hast hey gesagt und ich wollte nur ciao sagen", antwortet er.

Oh! Wow. Damit habe ich jetzt nicht gerechnet.

„Ähm ... o-okay", murmle ich und stehe vorsichtig auf. Ich fische mit der freien Hand nach dem Handtuch und wische mir damit über mein glühendes Gesicht. „D-Das ist schade, a-aber danke fürs Bescheidsagen."

„Wieso schade?", will er wissen. „Du sage hey, ich sage ciao."

Ich atme tief gegen den Schmerz in meinem Brustkorb. „Okay, dann ... ja ... ciao."

„Was?", höre ich ihn sagen, als mein Finger bereits über dem roten Button schwebt. „No! No, no, no, no, no! Adam!"

Zögerlich halte ich das Handy zurück an mein Ohr.

„Nix ciao wie bye! Oh ... Madonna mia", meckert er mit seinem süßen Akzent vor sich hin. „Ciao wie hi! Nicht auflegen. Bitte!"

„Was?", krächze ich.

„Du weißt schon", redet er weiter und ich könnte schwören, dass er seine Worte wieder mit dieser Daumen-Zeigefinger-Geste unterstreicht, auch wenn ich ihn nicht sehen kann. „Ich sage immer ciao zu alle Leute."

Obwohl er mich innerhalb von Sekunden durch eine wahre Emotionsachterbahn gejagt und einen Haushaltsunfall bei mir verursacht hat, muss ich bei seinen Worten grinsen.

„Adam?", wispert er. „Bist du noch da?"

„Ciao, Valentino", erwidere ich schmunzelnd und er atmet erleichtert auf.

„Also, Adam", sagt er. „Du brauchst Taxi?"

Ich nehme all meinen Mut zusammen, nachdem ich die Hoffnung schon fast aufgegeben habe und antworte: „Nein. Ich brauche ein Date. Mit dir."

•••

Zwanzig Minuten später rausche ich umgezogen und mit noch feuchten Haaren in die Küche der Foremans. Die Familie, die bereits essend und wild durcheinander redend am Tisch sitzt, begrüßt mich lautstark und ich winke nur, als ich geradewegs auf die Kaffeemaschine in der Ecke zusteuere.

In diesem Moment bin ich froh, dass ich so herzlich in diese Familie aufgenommen wurde und mich hier so zuhause fühlen kann. Keiner beachtet wirklich, wie ich mir mit zittrigen Händen Kaffee in eine Tasse gieße, die ich mir zuvor aus dem Schrank genommen habe.

Plötzlich legt sich eine warme Hand auf meinen Rücken und ich blicke in das freundlich faltige Gesicht von Mrs. Foreman. „Ist alles in Ordnung, Adam?"

„J-Ja, ich ... ich muss nur gleich nochmal los", stammle ich und setze die Tasse an meine Lippen.

Prompt verbrüht mir die heiße Flüssigkeit die Zunge und ich zische schmerzerfüllt auf. Anscheinend wurde der Kaffee gerade erst frisch gekocht.

Die braunen Augen der älteren Frau mustern mich skeptisch und sie denkt nicht im Traum daran, mich einfach so zu entlassen. „Sind Sie in Schwierigkeiten, Adam?"

Ich stelle die Tasse auf der Arbeitsfläche ab und atme tief durch. „N-Nein, ich ..."

„Es sind keine Drogen, oder?", hakt sie besorgt nach und ich schüttle energisch den Kopf.

„Hey Adam," ruft Jamal, der älteste Sohn der Foremans und Vater der kleinen Tia und Jamal jr. „Wenn du gerade die Kanne in der Hand hast, kannst du mir Kaffee nachschenken?"

Mrs. Foreman zieht die Augenbrauen zusammen und stemmt die Hände in ihre breiten Hüften. „Hast du nicht etwas vergessen, mein Freund?", schnauzt sie ihren Sohn in diesem typischen So-habe-ich-dich-nicht-erzogen-Ton an.

„Du musst bitte sagen, Daddy", lacht Tia und der kleine Jamal jr. klatscht begeistert in die Hände, während er laut „Bitte Kaffee! Bitte Kaffee!" ruft.

Die gesamte Familie am Tisch bricht in lautes Lachen aus und auch ich kichere mit.

Jamal steht mit seiner Kaffeetasse auf, kommt auf uns zu und gibt seiner Mutter liebevoll einen Kuss auf die Haare. Sie hingegen tätschelt seinen Arm und ich fülle ihm grinsend das schwarze Getränk in die Tasse.

„Danke, Adam", sagt er besonders deutlich und grinst mich breit an, von seinen Kindern lautstark angefeuert.

Ich liebe diese Familie. Ich wohne noch nicht lange hier, aber sie gaben mir von Anfang an das Gefühl dazuzugehören, obwohl wir so unterschiedlich sind.

Als Jamal wieder am Tisch sitzt und sich von seinem Sohn mit Ei füttern lässt, wendet sich Mrs. Foreman mir wieder zu. „Was ist es dann?", fordert sie.

Dieser Frau kann man nichts vormachen.

„Ich ... ich habe ein Date", wispere ich und nehme vorsichtig einen Schluck aus meiner Tasse.

Sie schlägt begeistert die Hände an ihre vollen Wangen. „Wie schön!", ruft sie aus. „Wer ist sie? Lernen wir sie bald kennen?"

Ich verschlucke mich beinahe und räuspere mich. „Ähm ... es ist–"

„Adam?", unterbricht uns Mr. Foreman, der skeptisch aus dem Fenster schielt. „Haben Sie ein Taxi bestellt?"

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