Richtungswechsel | ✓

23. Die Informationen, die mir gefehlt haben

Der muskulöse Schönling betrachtet mich mit gerunzelter Stirn. „Was machst du hier?"

Seine Frage bringt mich kurz aus der Fassung „Äh ... ich bin hier zu Gast, erinnerst du dich?"

Er schüttelt lachend den Kopf und nimmt die leere Bierflasche von mir entgegen. „Das meinte ich nicht, ich–"

„Was ist mit Valentino los?", unterbreche ich ihn zischend.

Anthony wischt mit einem Lappen über den Tresen und seufzt. „Ist nicht gut drauf, oder?"

Ich glotze ihn mit großen Augen an, als hätte ich mich verhört. „Nicht gut drauf? Er raucht eine nach der anderen und das Bier war schneller leer, als ich gucken konnte."

Der Weinbarbesitzer stützt sich mit seinen kräftigen Armen am Tresen ab und blickt mich eindringlich mit seinen hellblauen Augen an. „Und irgendwie hatte ich gehofft, dass du das ändern kannst."

Ich tippe mit dem Zeigefinger auf meine Brust. „Ich? Wieso ausgerechnet ich?"

„Weil du einer der Gründe dafür bist."

Vollkommen verdattert stelle ich mein Weinglas vor ihm ab und betrachte ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Was habe ich damit zu tun, dass er da draußen steht und qualmt und in einer schlechten Verfassung ist? Sollen wir noch andere seiner Fahrgäste zusammensammeln?"

Anthony nimmt mein halbvolles Glas und schüttet den Inhalt schwungvoll in den Abfluss.

Ey! Das wollte ich eigentlich noch–

„Wow", macht er und räumt mein Glas einfach weg. „Ich hab dich gar nicht so als Arschloch empfunden."

Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meinem Magen aus. Über Valentino und meinen ... Traum.

„Wovon redest du bitte?", frage ich empört.

Er beugt sich zu mir vor und seine Augen funkeln mich wütend an. „Dass du ihn genauso verarscht hast wie dieser Loser Jeffrey. Und ich dachte eigentlich, ihr klärt das jetzt einfach, nachdem dieser Typ endlich von der Bildfläche verschwunden ist und dann ist endlich alles–"

Plötzlich legen sich fremde Arme um meine Schultern und eine kichernde, deutlich angetrunkene Heather schmiegt ihren Kopf an meinen. „Hey Adam, wann kommst du denn wieder zu uns? Wir spielen gerade ‚Ich hab noch nie' und da musst du unbedingt dabei sein."

Ach, fuck! Glenns Geburtstag.

„Geh ruhig zu deinen Freunden, Adam", antwortet Anthony auffällig neutral. „Ich kümmere mich schon darum."

Ehe ich etwas erwidern kann, hat Heather mich mit sich zurück an den Tisch gezogen und ich bemühe mich, einen Blick durch das Fenster nach draußen zu werfen. Doch alles was ich sehe, ist die erbärmliche Reflektion eines Mannes, dem gerade klar wird, dass er unbewusst richtig verkackt hat.

•••

„Ich hab noch nie aus dem Bauchnabel eines anderen getrunken", stellt Jenna grinsend ihre Frage und der gesamte Tisch grölt los, als ausgerechnet Howard sein Shotglas leert.

Sie sind alle schon ganz schön betrunken und ich stelle wieder einmal fest: ich bin ein Langweiler. Ich halte mich noch immer an meinem ersten, unangerührten Glas fest und bin zumindest über diesen Umstand erleichtert.

Mittlerweile hat mich die Melancholie fest in ihren Klauen und seit Anthony vor etwa einer Stunde nach draußen ging und erst eine Viertelstunde später vollkommen erschöpft zurückkam, mache ich mir noch größere Sorgen um Valentino.

Als Vivian „Ich habe noch nie einen Porno gesehen" sagt und alle gleichzeitig ihre Gläser ansetzen, stehe ich schwungvoll auf und werde augenblicklich von mehreren weit aufgerissenen Augen angestarrt.