Kapitel 28: Jaron in Gedanken

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• Yara •

„Du wirkst unkonzentriert", sage ich während unserer ausladenden Tanzeinlage.

Jaron ist nach wie vor ein Meister im Tanzen, aber dennoch wirkt er, als wäre er nicht bei der Sache. Mir fällt auch auf, dass es seit unserem Outing die erste Tanzstunde ist und das erste Mal, dass wir so nah beieinander sind.

Mein Instinkt sagt mir allerdings, dass das aus welchen Gründen auch immer nicht sein Problem ist.

„Deine Schritte sind wesentlich besser und eleganter. Die Feierlichkeit wird atemberaubend", lenkt er vom Thema ab.

Nach dem Wort Feierlichkeit zieht sich aber plötzlich ein tiefer Schatten über sein Gesicht.

Das Beschwörungstraining von eben ging schnell rum. Lucan und Mattheo haben sich für weiteres Luftmagie Training zurückgezogen und ich habe die Ehre mit Jaron. Thorne spielt uns ein Klavierstück nach dem anderen.

Mitten in der Bewegung bleibe ich stehen und löse mich ein Stück von Jaron. Fragend sieht er mich an.

„Was ist los mit dir?", frage ich ihn. Sogar Thorne unterbricht sein aktuelles Stück, hört aber pietätvoll weg.

„Der König wies mich an, mit dir nicht darüber zu sprechen", sagt Jaron zwischen zusammen gepressten Zähnen.

Stumm schaue ich Jaron in seine tiefroten Augen. Normalerweise hält er dem Blick stand, nun wendet er ihn aber ab.

„Es ist wegen der Vision, nicht wahr?", hake ich nach.

Jaron stößt einen Seufzer aus.

„Wegen der Infiltration um genau zu sein", forsche ich weiter nach und meine Augen verengen sich leicht.

„Yara, bitte. Vittorius' Befehl ist eindeutig", versucht er mich zu unterbrechen, aber da kennt er mich schlecht. Fast tut es mir Leid, liebster Jaron.

Fast.

„Es gibt bisher keine Anhaltspunkte zu den Infiltranten und Emilyan ist nicht informativ", schlussfolgere ich schließlich nachdenklich.

Mit geweiteten Augen starrt Jaron mich an.

„Bitte, lass es gut sein", meint Jaron mit belegter Stimme.

Aha, damit treffe ich also den wunden Punkt.

„Deswegen sind alle ständig stundenlang unterwegs. Aber ihr wisst nicht mehr, wo ihr noch suchen sollt", denke ich weiter laut nach.

Dank dem fassungslosen Blick von Jaron, der ungewollt Bestätigungen aussendet, bin ich nun nahe zu perfekt informiert über die aktuelle Lage.

Was genau genommen betrachtet ziemlich besorgniserregend ist, schließlich ist der Ball nicht mehr weit entfernt und dann ist vermutlich das Sicherheitskonzept noch nicht angepasst. Wie auch, wenn es keine Anhaltspunkte gibt? Ich verstehe die Geheimhaltung schon ein wenig, keiner will mich beunruhigen oder mir die Sorgen aufbürden.

Einen Moment lang hält Jaron inne. Dann lässt er mich einfach stehen und verschwindet.

Er verschwindet!

Mit offenem Mund starrt Thorne ihm hinterher. Und ich ebenso.

• Vittorius •

„Jaron!", rufe ich meinem Vampirsohn erbost hinterher.

In hoher Geschwindigkeit eile ich ihm hinterher. Über die Dächer meiner Stadt.

„Hallo! Ich rede mit dir!", rufe ich fordernder.

Aber statt meinem Befehl zu folgen, springt er immer weiter von Dach zu Dach.

„Bleib stehen verflucht!", brülle ich nun dicht hinter ihm.

Vampirkind Yara IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt