Kapitel 35

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Thomas P.O.V

Eine kleine eiskalte Hand führt mich weg. Weg von allem. Spätestens jetzt muss ich es ihr bald sagen. Das ist mir in dem Moment klar geworden, in dem sie mich vorhin durch das Fenster gesehen hat. Nur weiß ich nicht... wie? Sie ist die erste, der ich es erzähle.

Alleine der Gedanke daran bringt meine innere Stimme ins stottern. Noch immer schlägt mein Herz viel zu schnell.

Unfähig mich auf etwas zu konzentrieren versuche ich ein Fuß vor den anderen zu setzen, ohne zu stolpern.

Ihr Zittern bereitet mir ein schlechtes Gewissen. Hätte ich was dabei, das ich ihr überziehen könnte, hätte ich es schon längst getan. Doch mein dünnes schwarzes Shirt würde ihr niemals mehr Wärme liefern.

Vor einem kleinen Cafe bleiben wir stehen. Aufmunternd nickt sie mir zu. Leise seufze ich und lasse mich von ihr hineinziehen. Kaum öffnet sie die Tür kommt mir der stechende Geruch von Kaffee entgegen. Mein Körper wird von Wärme umhüllt und lässt meine Temperatur wieder ansteigen. Wir setzen uns an einen kleinen Tisch, der anscheinend aus Hartholz besteht. Leise läuft irgendein Radiosender über verteilte Boxen.

Komisch, ich bin hier aufgewachsen und doch ist mir dieses Cafe völlig unbekannt. Mein Blick gleitet durch den Raum. Müsste ich die Stimmung, die die Gestaltung den Cafes widerspiegeln soll, beschreiben, wäre es Frieden und Ausgeglichenheit. Irgendwie passt es zu Sky. Sie verleiht mir Hoffnung, welche ich nie erwartet hatte zu erhalten. Vor ihr hatte ich sie schon lange aufgegeben. Es schien aussichtslos. Zumindest bis Sky in mein Leben trat und alles veränderte. Seit dieser Nacht habe ich wieder Hoffnung in mir... und sie wächst mit jedem Blick, mit jedem Lächeln das Sky mir schenkt.

Als ich meine Augen wieder auf sie richte, sieht sie mich forschend an. Innerlich ringe ich mit mir selbst.
Gerade will ich etwas sagen, was vermutlich nur Gestammel wird. Allerdings kommt Sky mir zuvor. „Ich hab keine Ahnung, was dich so verängstigt... Aber was es auch ist, ich bin da. Egal, was es ist oder was passiert, ich stehe dir bei."

Meine Brauen ziehen sich zusammen und leichtes Grinsen umspielt meine Lippen. Es fühlt sich an, als hätte mir jemand eine tonnenschwere Last von den Schultern genommen. Solch eine riesige Erleichterung habe ich schon lange oder sogar noch nie verspürt. Ich greife nach ihrer Hand, die auf dem Tisch liegt und halte sie sanft in meiner.

Tief atme ich durch.
„Meine Mum will heiraten," sage ich krampfhaft. Schweigend nickt sie. Gott, wie ich sie dafür liebe! Niemals würde sie mich drängen ihr von der Sache zu erzählen.
„Ich kam grad die Tür rein und," zittrig atme ich tief durch, „es war als sei es... selbstverständlich." Schwer schlucke ich. Sanft drückt sie meine Hand. Voller Liebe und Verständnis sehen ihre wunderschönen blaugrauen Augen mich an.

„Ich war zehn, vielleicht elf Jahre alt als mein Vater uns verließ. Meine Mum hielt vielleicht fünf Monate tapfer durch, bevor sie Depressionen bekam. Sie ging zur Therapie und die Jahre verstrichen. Meine Schwester, Ana und ich kümmerten uns mehr umeinander und den Haushalt als meine Mum es je könnte."

Tief schnappe ich nach Luft.

„Eines Tages ging es meiner Mum besser. Damals war ich fast 16. Ana und ich hatten den Verdacht, dass wir ihr vielleicht reichen könnten und wir nun endlich normal werden könnten. Allerdings täuschten wir uns gewaltig..."

Mein Körper zittert.
Mit aller Kraft schaffe ich es die hochkommenden Flashbacks zu unterdrücken.

„Sie stellte uns... Mike vor. Ich hätte mich für sie freuen sollen. Immerhin ging es ihr endlich besser. Doch irgendetwas in mir ließ es nicht zu. Ich bemerkte seine Blicke und wie er sich immer mehr in unsere Erziehung einmischte..."

Dann holt es mich doch ein. Mehrmals atme ich tief durch, doch die Tränen bahnen sich ihren Weg.

„Als es das allererste Mal geschah, war es wegen einem Streit zwischen meiner Mum und mir. Es ging vermutlich um eine Party oder so. Wütend ging ich in meinem Zimmer umher. Plötzlich flog die Tür auf und in dem Moment wusste ich, was mir blühte."

Sky sieht mich mitgenommen an. Inzwischen liegen beide Hände auf meinen und halten mich fest. Schwer schlucke ich und senke meinen Kopf.

„Er schlug mich blau und blutig... Von dort an, tat er es immer. Wegen allem Möglichem." Meine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern. Einen kurzen Moment schweige ich und versuche nach Luft zu schnappen.
„Als ich meiner Mum eine sehr enge Freundin vorstellen wollte, war er auch da. Wieder bemerkte ich seine Blicke. Ich ließ ihn nie aus den Augen. Doch es kam so, wie es kommen musste. Er... er fasste sie an und sorgte damit dafür, dass sie psychisch kaputt war und so schnell es ging mit ihrer Familie fortzog. Ich konnte mich nicht mal von ihr verabschieden. Sie hatte Angst vor mir und wollte mich nicht sehen."

Meine Atmung beschleunigt sich minimal.
„Anfangs brachte ich es wegen dem Zustand meiner Mum nicht übers Herz es ihr zu erzählen. Jetzt will sie mir nicht mehr zuhören. Alles, was sie von mir hören will, kann ich nicht sagen."

Geräuschlos steht sie auf und setzt sich auf meinen Schoß.

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morgen werden eventuell mehr kapitel kommen, da ich eine dreistündige zug fahrt zu meiner besten freundin vor mir habe 🤝 falls nicht, werde ich auf jeden fall welche schreiben oder schon mal zum hochladen vorbereiten 😂

Freiheit in London (Fortsetzung zu Gefangen in London) tbs ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt