47. Kapitel

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G E O R G I E


Die Türglocke klingelte wie zwitschernde Vögel, als ich in den Laden trat und die Tür hinter mir zufiel. Der dicke Rauch einer Wasserpfeife hing schwer in der Luft, und verschleierte mir meine dämmrige Sicht. Da die dicken, violetten Samtvorhänge am Schaufenster das rote Licht der Laternen auf der Gasse abschirmten, waren ausschliesslich die kleinen verteilten Kerzen für das spärliche Licht im Laden zuständig.

»Hallo? Ist da jemand?« rief ich, während ich den Flammen der Kerzen folgte, die einen Weg zwischen den verstaubten Perserteppichen geleiteten, die im Raum aufgehängten waren und einen orientierungslos liessen, wo man hingelangte. »Malvera?«

Ich bemühte mich, an keinen der hängenden, modrigen Teppiche anzukommen und blinzelte den Rauch weg, als ich an einem Regal vorbeilief, das höchst kuriose Dinge beinhaltete. Ich beugte mich vor, um den Inhalt der sich aneinanderreihenden Einmachgläsern besser zu erkennen. Dunkle Erde, Lavendel, Schmuck, ein toter Frosch, zirpende Grillen, Schlangenhaut, windende, klebrige Würmer. Ich erschauderte und verzog unwillkürlich das Gesicht. Für was zum Henker benötigte sie das alles?

Aus dem Nichts sprang plötzlich etwas vor meine Füsse.

»Ah!« Schreiend wich vor dem schwarzen Schatten zurück und stiess gegen eine Teppichwand. Staub wirbelte durch die Luft und ich hustete.

Der schwarze Schatten machte sich mit einem Miauen davon.

Himmel! Ich stiess erleichtert die Luft aus, während alles in mir nach wie vor angespannt war. Vielleicht war es doch die falsche Entscheidung gewesen, hier hinzukommen. Ich sollte lieber wieder gehen.

»Trete näher, Kind.«

Ich sah hoch und entdeckte den leichten Lichtschimmer zwischen zwei Vorhängen, durch die sich die schwarze Katze drängte. Ich folgte ihr, schob dann langsam die schweren Samtstoffe beiseite.

»Georgina, Gammasoldatin des Semeerischen Königreichs, was treibt dich dazu, Malveras Dienste zu ersuchen?« Die mollige Frau sass in einem blauvioletten Polsterstuhl, dessen Lehne grösser war als Malvera selbst. Sie hatte sich ein grünes Tuch um ihre wilden, roten Locken gebunden und die darauf gestrickten, goldenen Anhänger klimperten, während sie die Tarokarten vor ihr aufdeckte und anordnete. »Willst du dich hinsetzen, oder lieber Wurzeln in den Boden schlagen?«

Rasch setzte ich mich auf den orangen Polsterhocker, behielt jedoch meine Hände lieber bei mir, als sie auf den runden Tisch vor mir zu legen. »Entschuldigt mich. Sehr erfreut, ich bin - «

»Georgina – oder Georgie, wie dich hier alle nennen, ich weiss schon Kind. Also verrate mir, wieso du hier bist.« Ihr Kopf war immer noch gesenkt, ihre Aufmerksamkeit den Karten gewidmet, während sie die schwarze Katze streichelte, die auf ihren Schoss gesprungen war.

Ich betrachtete die Tarokarten sowie die grosse Kugel, die auf dem Tisch platziert war. Nur schwer gelang es mir, meine Augen von ihr zu reissen und sie auf Malvera zu richten. »Ich bin nicht sonderlich gut in der Wundheilung, und ich hatte mich gefragt, ob ich vielleicht noch andere ... Begabungen habe? Ausserdem ... « Plötzlich war ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob ich Beaus Geheimnis laut aussprechen durfte. Er hatte es mit in Vertrauen offenbart, eine tiefe Wunde, die seinen Stolz verletzte und den dominanten, starken Wolf beschämte. Ich wollte nicht, dass jemand anderes als ich davon erfuhr, wollte nicht etwas ausplaudern, dass er mir erzählt hatte. Heftige Besitzgier steigerte sich in mir, doch ich biss meine Zähne zusammen und rang das Gefühl hinunter.

Beau stand dem Tod nahe, wenn ich nichts dagegen unternehmen würde, wäre er fort. Gepeinigt dazu, denjenigen wehzutun, die er am meisten liebte. Das konnte ich nicht zu lassen.

Ich verschränkte meine Hände über dem runden Tisch. »Ein Fluch liegt auf meinem Mate und ich will ihn brechen. Er liegt schon über mehrere Generationen über seiner Familie, betrifft die erstgeborenen Männer, verdammt sie dazu, sich in einen Rogue zu wandeln.«

Erst jetzt richtete sie ihre grossen, grünen Augen auf mich und liess von ihren Karten ab. »Flüche mein Kind, sind kompliziert. Du könntest ihm eher schaden, als Gutes tun, wenn du ihn versuchst zu brechen.«

Angst sass mir im Nacken, doch ich ignorierte sie. »Ich muss es tun, ich habe keine andere Wahl.«

Malvera nickte. »Nun gut. Ich werde sehen, was die Kugel für dich bereithält.« Die Katze fauchte und kletterte auf ihre Schulter, als die Wahrsagerin ihre Hände über die Glaskugel hielt und leise Worte zu murmeln begann. Die Kugel erwachte zum Leben. Es sah aus, als würde sich violetter Rauch hinter der Glaswand bewegen, Immer stärker und schneller.

»Oh, das ist nicht gut. Gar nicht gut.« murmelte Malvera, während ihre Hände über die Kugel wanderten.

Mein Magen verknotete sich. »Was ist nicht gut?«

Sie kniff ihre Augen fester zusammen, bewegte ihre Hände. »Ich – Ich .... sehe so viel Dunkles in dir. Böse Kreaturen! Du musst sie bezwingen! Oh grosser Ozuro ... bezwinge sie! Unbedingt!«

»Was für Kreaturen?« Ich beugte mich über den Tisch, während mein Herz aufgeregt in der Brust klopfte und hinauszuspringen drohte. »Was siehst du, sag es mir!«

Malveras Augen bewegten sich nervös hinter ihren geschlossenen Liedern. »Sie – Sie werden dich auffressen, dich verzehren, wie ein Stück Fleisch, wenn du sie nicht besiegst!« Die Teppiche schwangen hin und her und die Kerzenflammen flackerten wild, als ein starker Wind durch das Zimmer fegte. »So düster ... So eine düstere Zukunft!«

Ich hielt mich am Tisch fest, grub meine Nägel in das grüne Tischtuch, während mir die Haare aus dem Gesicht geweht wurden. »Wieso?«

»Gib mir deine Hände!« befahl Malvera laut und streckte eine Hand aus.

Automatisch krallte ich mich fester an den Tisch und wich zurück. »Sag mir zuerst, was du siehst.«

»Gib sie mir! Die Kugel verlangt es!« schrie sie gegen den Windsturm an.

Wenn meine Wölfin hier wäre, würde sie ihre Zähne blecken und knurren, doch sie war nicht da und meine Gedanken galten nur einem Menschen. Für Beau.

Malvera zögerte nicht als ich ihr meine Hände darbot, sondern packte sie und presste sie an die Kugel. Das Glas glomm auf, wurde brennend heiss wie der Kristall, den mir Isaac geschenkt hatte. Doch, bevor ich ahnte, wie mir geschah, wurde ich fortgerissen, fern von Raum und Zeit, hinein in eine andere Sphäre.

In einem Moment befand ich mich noch auf dem Hocker, im anderen fühlte ich den kalten, rauen Lavaboden unter mir.

Mein Herz setzte aus, als ich realisierte, wo ich gelandet war. Nein! Nein, nein, nein!



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Hey babes 🤍

Neues Kapitel 😍

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xx raven

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