7. Kapitel

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G E O R G I E








Obwohl ich meine nackten Arme frierend um mich schlang, blieb ich auf dem hübschen Balkon stehen und starrte hinauf in den nächtlichen Sternenhimmel. So lange hatte ich davon geträumt, wie er wohl aussehen würde. Wie viele Sterne den schwarzen Samtteppich schmücken würden und wie hell sie tatsächlich strahlten. Zugegeben, ich wurde nicht enttäuscht – er war wunderschön.

»Was für ein Anblick, hm Mom?« Mein Atem hauchte Wolken in die kühle Herbstnacht. Ich fragte mich, ob meine Eltern mich wohl hören würden. Schauten sie gerade auf mich hinunter? Waren sie stolz auf mich? Teilten sie meine Freude, dass ich an der Abschlussprüfung zugelassen wurde?

Ich überquerte den Balkon und lehnte mich über die steinerne Brüstung. Zunehmend mehr Leute sammelten sich vor den Eingangstüren unseres Packhauses und drängten in ihrer hübschen Abendgarderobe ins warme Foyer. Ich selbst hatte mich heute für ein enges schwarzes Kleid entschieden, dazu passende hohe Schuhe, kombiniert mit meinem roten Lippenstift und einem hübschen Pferdeschwanz, in dem einige Strähnen zu Zöpfen geflochten waren – eine Idee von Arya.

»Jetzt ist es so weit, hm? Achtzehn Sonnenumläufe.« Abermals blickte ich hoch in den Himmel. Endlich konnte ich meinen Mate finden. Mein ganzes Leben hatte ich darauf gewartet, davon geträumt, wie es wäre, den Einen zu finden. Den Einen, von der Mondgöttin selbst erlesenen Seelengefährten.

»Ich hoffe nur, dass es so hübsch wird, wie bei euch.« flüsterte ich. Mein Dad hatte mir ihre Zusammentreffen schon etliche Male erzählt und jedes Mal hatte ich mit glänzenden Augen zugehört; fasziniert von der bezaubernden Geschichte ihrer Liebe.

»Da stand sie. In diesem bezaubernden rosa Abendkleid, dass ihre Augen heller erstrahlen liess als die Sterne am Abendhimmel selbst.«

»Es war violett!« gab Mom gespielt empört von sich und schlug ihm lachend auf die Brust. Unendliche Liebe stand in ihrem Blick. »Kennst du überhaupt meine Augenfarbe?«

Ich lachte zitternd bei der schönen Erinnerung, von denen ich so viel hatte, obwohl ich an diesem kalten, grausamen Ort aufgewachsen war. Das hatte ich nur ihnen zu verdanken.

»Ich wünschte, ihr könntet heute hier sein.« wisperte ich tränenerstickt und meine Hände krampften um das Steingeländer. Ich war dreizehn Jahre alt gewesen, als meine Eltern starben und es war meine Schuld. Ich konnte mich noch an jeden einzelnen Schrei, jedes einzelne schmerzerfüllte Wimmern erinnern, die in jener Nacht durch die Gruft der Unterwelt gehallt hatten.

Mein Herz brannte und Tränen trübten meine Sicht. »Ich vermiss euch nur so sehr.«

Ich hätte alles dafür gegeben, ihr Leben gegen meines zu tauschen, würde es doch nur einen Weg dafür geben.

***

Vor vier Sonnenumläufen.

Die lähmende Kälte des rauen, schwarzen Lavabodens kroch in meine Knochen und liessen mich erzittern.

»Ist dir kalt?« Moms violette Augen leuchteten in der Dunkelheit. Sie zog mich neben sich und ihre Handflächen erstrahlten hell, als sie ohne zu hadern ihre Heilkräfte in mich fliessen lies und mich von innen heraus wärmte.

»Mom, lass das.« Ich versuchte ich aus ihrer Umarmung zu schälen, doch sie liess nicht locker, sah mich nur lächelnd an.

»Ich bin deine Mutter, ich kümmere mich um dich.« Ihr Gesicht wirkte eingefallen von der Unterernährung und die ihre Haut, die sich über ihre Knochen spannte, war bleich von dem Sonnenverlust. »Lass einer Mutter doch diese Freude.«

B E A U | ✔️Where stories live. Discover now