20. Kapitel

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G E O R G I E




Beau streckte seine Hand aus. »Komm, ich werde dir etwas zeigen.«

Ich ergriff seine Hand, kostete das Gefühl der Wärme, die damit einher ging, aus und folgte ihm nach draussen.

»Was willst du mir zeigen?« fragte ich, als wir durch den Wald wanderten.

»Lass dich überraschen.«

»Ich bin zu neugierig, um Überraschungen zu mögen.« sagte ich lachend und zog an seiner Hand. »Komm schon, sag mir wohin wir gehen!«

Beau sagt nichts und ich seufzte. Zu streiten war zwecklos mit ihm. Wenn er sich einmal entschieden hatte, dann war es unumstösslich. Sturkopf.

Der nächtliche Wald, der mich sonst immer verzauberte, zog nun unbemerkt an meinem Blickfeld vorbei. Ich hing meinen Gedanken nach, grübelte über meinen Traum, der mich nicht verlassen wollte. Er hatte sich so echt angefühlt, so wie er es jedes Mal tat, weil es eben echt gewesen war.

Kalte blaue Augen, die mich aus einem abgemagerten, bleichen Gesicht angestarrt hatten. Darin ein böses Funkeln. Und dann diese unendlichen Schmerzen.

Ich hatte diesen Traum schon so viele Nächte durchlebt. Doch heute war er anders. Es hatte sich etwas verändert.

Sein Name.

Sein Name hatte sich verändert.

Es war nicht mehr Hades, der mich tyrannisierte.

Sondern der Todbringer.

Ich hatte Arya und Xenos verschwiegen, dass der Pirat diesen Namen genannt hatte. Vielleicht hätte ich es ihnen erzählen sollen. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht handelte es sich nur um ein dummen Schauername, den dieser Schalunke sich ausgedacht hatte.

Und es handelte sich ganz bestimmt nicht um Hades. Ich liess seine Hand los vergrub sie in die grosse Hosentasche, damit Beaus wachsamen Augen ihr Zittern entging. Ich verhielt mich lächerlich, machte mir Sorgen über jemanden, den es schon längst nicht mehr gab. Jemand, der mausetot war.

Die Zweige unter meinen Stiefeln, die ich mir zuvor noch übergestreift hatte, knirschten. Ich sah an mir herunter, und begriff erst jetzt, was für ein Outfit ich anhatte. Ein Shirt, dass mir bis an die Knie reichte, dazu weite Jogginghosen kombiniert mit schwarzen Stiefeln. Wow, Georgie, du übertriffst dich immer wieder selbst.

Auf welchen Typ Frau Beau wohl abfuhr? Eine, die jederzeit auf dem neusten Stand der Modetrends war? Oder lieber jemand, der ihn bekochte? Vielleicht stand er auf ältere Frauen? Ausserdem, was war das für ein Blumenstrauss in seinem Haus? Meine leisen Schritte verwandelten sich in ein lautes Gestampfe. »Wer hat dir die Blumen geschenkt?« fragte ich aus dem Nichts heraus.

Erstaunt über meinen plötzlichen Redebedarf, antwortete er nur: »Rose.«

»Aha.« Ich kannte keine Rose. Ich zog meine Unterlippe zwischen die Zähne. »Und wer ist Rose?«

Er hob eine Augenbraue. »Rose ist meine Tante.«

»Oh.« Also doch keine junge, attraktive und potenzielle Partnerin. »Ihr müsst euch nahestehen.«

»Ja, das tun wir.« Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Sie ist wie eine Mutter für mich.«

»Das ist schön. Was ist mit dem Rest deiner Familie?«

»Ich hab noch eine Cousine. April.« Jetzt grinste er. »Scheiss frech. Sieht aus wie ein Engel, verhält sich wie ein Teufel.«

Dann erzähl mir von ihr und lenkte mich ab von den Schrecken, die mir immer noch in den Knochen sassen. Er erzählte mir von all den Strapazen, die seine kleine, äusserst gewiefte Cousine veranstaltet und damit seine Tante in den Irrsinn getrieben hatte. Ich lachte so sehr, wie schon lange nicht mehr und musste mir sogar den Bauch halten, so heftig fielen meine Lachanfälle aus. Die Anspannung in meinen Muskeln löste sich und die Angst, die mich wie eine düstere Nebelschicht umgeben hatte, verblasste. »Sie hat was?!« rief ich ungläubig aus, als mir Beau erzählte, dass April lebende Käfer in die Mahlzeit einer ihrer Mitschülerinnen getan hatte.

B E A U | ✔️Where stories live. Discover now