70. Kapitel

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G E O R G I E



Beau stellte mich noch diese Woche seiner Tante Rose und ihrer Tochter April vor. Ich stand mit Blumen und selbst gebackenen Muffins vor der Haustür und war plötzlich ganz nervös.

Ich kaute auf meiner Unterlippe. »Und was ist, wenn sie mich nicht mögen?«

Beau verzog seinen Mund zu einem breiten Grinsen, das ihn unwiderstehlich aussehen liess und seine stechend grünen Augen blitzen. »Glaub mir, das ist nicht möglich.«

Es stellte sich heraus, das Beau rechtbehalten sollte und Rose mich tatsächlich sofort ins Herz schloss. Wir unterhielten uns noch den ganzen Abend lang und unsere Gesprächsthemen wurden Beau und April so langweilig, dass sie sich für eine Weile verzogen und in Wolfsgestalt hinaus in den Wald jagten.

Bevor Beau sich jedoch verdrückt hatte, liess er es sich nicht entgehen, mich fest an sich zu drücken und mich innig vor seiner Familie zu küssen. Mein Herz klopfte so laut in der Brust, dass es sicherlich alle gehört hatten.

Beau hielt es seit Minkaujin nie lange aus von mir getrennt zu sein, denn der Schock, uns dem Tod so nahe zu sehen, schlummerte immer noch in unseren Knochen.

Darum war ich umso erstaunter, dass er mich und Rose, wenn auch etwas widerwillig, ganze drei Stunden alleine liess. Es muss wohl daran liegen, dass Rose zu seinen engsten Vertrauten gehörte.

»Ich bin so überglücklich, dass Beau dich gefunden hat und dass du nicht lockergelassen hast, um seine Mauer einzustürzen.« sagte Rose. Wir sassen vor dem Sofa auf dem Teppich. Es war Abend, das Kamin knisterte leise vor sich hin und spendete uns Wärme.

Ich schlang die Kuscheldecke um mich und lehnte mich ans Sofa. Wie peinlich! Sie wusste also, wie sehr ich darum kämpfen musste, damit Beau unser Band akzeptierte? Liebe Mondgöttin, lass mich sterben. »Das weisst du also?« fragte ich peinlich berührt und meine Wangen wurden heiss.

Aber Rose grinste nur keck und tätschelte mir aufs Knie. »Oh ja. Beau ist viel zu beschützend seinen Liebsten gegenüber, als dass er dich einfach so eine Bindung zu ihm eingehen gelassen hätte, von der er dachte, sie würde dich umbringen. Jeder der etwas mit mir zu tun hat, wird verletzt. Ich zerstöre nur. Dass hat er mir als Elfjähriger gesagt, mit zerfetzten Kleidern und blutbesudelter Haut.«

Mein Herz zog sich zusammen und ich hätte am liebsten einen Zeitsprung zurückgetan und diesen kleinen Jungen fest in die Arme geschlossen. Ich sah den jungen Beau bereits vor mir, wir er sich an allem selbst die Schuld gab und an dem Verlust seiner Familie fast zerriss.

Er hatte mich nicht auch noch verlieren wollen, hatte mich nicht auch noch verletzen wollen. Mein Herz schmolz und ich sehnte mich plötzlich verzweifelt nach seiner Nähe. Konnte man jemanden so sehr lieben, dass es fast schon weh tat?

Rose Gesichtszüge, auf denen der Schein des Feuers tanzte, wurden ernst und sie sah mir direkt in die Augen. »Du gehörst jetzt aber auch uns, das ist dir doch klar, oder? Wenn du zu Beau gehörst, bist du automatisch ein Teil unserer Familie.«

Meine Hände krallten sich in die Decke, denn oh grosse Monde, ich wünschte mir so sehr eine Familie. »Wirklich?« fragte ich vorsichtig, fast vor Angst, sie könnte ihre Worte wieder zurücknehmen.

»Ja.« sagte Rose sanft und breitete die Arme aus. Das Lächeln auf ihren Lippen wurde grösser. »Komm her, Herzchen. Ich habe mir nämlich schon immer eine zweite Tochter gewünscht.«

Mein Herz machte einen Salto und ich begab mich stürmisch in ihre Arme.

»Was ist mit deinen Eltern geschehen, hm?« fragte Rose leise.

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