25. Kapitel

4.1K 186 35
                                    





G E O R G I E




Die pflanzenbewucherte Kammer der alten Heilerin lag in den unteren Etagen des Pack-Hauses und wurde von zwei Soldaten unseres Rudels überwacht. Man hatte die hübsche Insulanerin bewusst nicht in den Gesundheitstrakt zu all anderen verletzten Rudelmitglieder eingewiesen, da sie in erster Linie ein Eindringling blieb und somit eine Gefahr für das Rudel darstellte.

Ich sass nun schon seit einer Stunde auf diesem unbequemen, kleinen Holzhocker und wusste immer noch nicht so recht, wieso ich eigentlich hier war. Vielleicht war es das Bedürfnis, mich selbst davon zu überzeugen, dass meine Heilung bei ihr angeschlagen hatte? Oder aber der Gedanke daran, dass sie ganz allein da lag, ohne dass sie irgendjemand kannte? Hatte sie Familie? Kinder? Einen Mate?

Die Insulanerin, die auf der langen Schrage neben mir lag, stiess ein leises Wimmern aus und warf ihren Kopf hin und her. Das Delirium hielt sie fest in den Klauen. Ihre Stirn war glühend heiss und ihr Haaransatz nass. 

Die Wunde, die ich ihr erst vorgestern geheilt hatte, war inzwischen vollständig verheilt, nur eine feine Narbe war auf der honigfarbenen Haut zurückgeblieben. Ihre haselnussbraunen Haare breiteten sich wie ein Fächer um ihren Kopf aus und die pinke Blume, die ihre Haare geschmückt hatte, lag nun auf dem Tischchen nebenan, die Blüten verwelkt. 

Ich nahm ihr den Waschlappen von der Stirn, tunkte ihn in den Holzkessel neben mir und wrang ihn aus. Im Hintergrund war das Zerplatzen von Blubberblasen zu hören, welche die vielen, vor sich her brabbelnden Elixiere immer wieder neu bildeten. Der lange Ahorntisch wimmelte von verschiedenen Schüsseln, getrockneten Blumen, Heilpflanzen und Tränke. Es sah aus wie die Höhle einer grimmigen, alten Hexe.

»Er wird mich finden.« sagte eine trockene, gepresste Stimme.

Der Lumpen entglitt meiner Hand und platschte in den Kessel. Die Werwölfin strampelte mit den Beinen und das weisse Laken verknotete sich zwischen ihren Füssen.

»Er wird mich finden.« murmelte sie, ihre mandelförmigen Augen fest zugekniffen. Dann wimmerte sie panisch auf. »Hilfe. Hilfe!«

Ich setzte mich nah an sie heran. »Wer wird dich finden?«

Ihre Augen bewegten sich hektisch unter ihren Liedern. »Er... Er wird uns alle finden... Oh Gott!«

Ich beugte mich über sie, biss meine Zähne zusammen, um sie nicht anzuschreien. »Wer? Von wem sprichst du?«

Ihre Lieder flackerten. Ein gequälter Ausdruck auf ihrem Gesicht. »M-Monster. Er ist ein Monster. So ge-gefährlich.«

»Sein Name.« Ich wollte sie am liebsten schütteln. Stattdessen krallte ich meine nassen Hände in die Laken. »Nenn mir seinen Namen.«

»T-T...« Ihre Zähne klapperten, als sie in einen Fieberfrost fiel. Sie verzog ihr Gesicht. »Tod-d-d-bringer.«

Meine Hände, die sich so fest in die Laken gekrallt hatten, wurden taub. Mein Magen drehte sich um. »Wer ist dieser Todbringer?«

»Selva.« Ihr Körper zitterte. Unruhig schlug ihr Kopf von einer Seite auf die andere. »Se-elva. Er is-is-ist in Se-e-elva.«

»Hades? Steckt Hades dahinter?« Sag schon! Sprich endlich! Ich packte sie bei den Schultern. »Sag es mir!«

Ich zuckte zurück, als ihre Hand sich um mein Arm schlang und ihre Nägel in meine Haut gruben. Mit weit aufgerissenen, purpurnen Augen starrte sie mich angsterfüllt an. »Er hat schreckliches vor. So so Schreckliches! Pass auf, du musst auf dich aufpassen! Er hat sie gerufen. Er hat es herausgefunden und sie-«

B E A U | ✔️Where stories live. Discover now