мinus XLIV

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"Ich brauch weder Hilfe noch Mitleid, lasst mich!" protestiert er zuletzt, geht anschließend hinfort, hoch in sein Zimmer, noch nie so verletzt. '

Taehyung

Noch nie war ich so perplex wie ich es jetzt bin, die Worte des jungen Mannes, sie gehen mir nahe, fahren mir unter die Haut, hinterlassen ein unangenehmes Gefühl der Schuld. Mit jeder einzelnen Silbe die ihm über die Lippen kam hat er mir einen Stich versetzt, ein Dolch durch die Brust gerammt. Denn er hatte Recht, nur Wahrheiten hat er uns erzählt, welche die wir nicht realisiert haben. Wir waren so geblendet vor Sorgen und Ängste, haben ihn so behandelt als könnte er nicht einmal atmen.

Ihm geht es schlecht, wissen wir, so auch er.

Gerade deshalb hätten wir mit ihm sprechen sollen, offen darüber, aber ich schaffe es nicht. Ich kann ihm das nicht sagen, vor allem mit dem Wissen ich habe Schuld. Ohne mich würde es ihm nicht so gehen. Wie oft ist es nun das alles Schlechte auf mich zurückzuführen ist?
Egal wie sehr ich versuche es zu verleumden, es ist eine Tatsache.
Alles Übel geschieht nur wegen mir.

Soll das heißen, wäre ich nicht mehr da, würde es allen besser gehen?

Der Gedanke, er klinkt sich langsam aber sicher ein, denn es müsste doch so sein.
Weniger Angst würde schon allein durch meine bloße Abwesenheit herrschen.
Ohne mich würde es auch meinen Freunden besser gehen, ich bin zu anstrengend, das weiß ich und Hoseok hätte seine Rache, ich weiß doch wie sehr er mich verabscheut.

Mechanisch wander ich zur Küche und krame aus einer Schublade das Trockenfutter für meinen Hund, er hat heute noch nicht gegessen. Wie ich darauf komme ihn zu füttern, wahrscheinlich weil es um diese Zeit immer so ist.
Ich kippe das Fressen in das Blech und stelle es auf den Boden, keine Sekunde später kommt auch schon Yeontan. Erst sieht er mich an, wartet auf Erlaubnis von mir, dass er zugreifen darf, da ich ihm aber nicht eines Blickes würdige scheint er einfach zuzugreifen.

Ein komplettes Chaos spielt sich vor mir ab und jenes sind die Gäste die wild um den Tisch herum laufen und laut diskutieren, worüber verstehe ich nicht. Sie reden alle auf einmal, man könnte meinen sie kommunizieren nicht einmal mit den anderen.

"Meine Schuld" hauche ich, enttäuscht von mir, als mich wieder die Realität trifft. Erneut, wie sollte es anders sein, ein Problem durch mich verursacht.
Es nervt wie ich so viel anrichte, so viel Negatives, doch dieses Mal will ich helfen, ich kann nicht immer der Böse sein, wer würde das auch wollen.
Einmal möchte ich helfen und ich werde es.
Jene beginnt erstmal Ruhe herzustellen, vor allem Yoongi wieder zu holen.

"Leute" flüster ich unsicher, mein sonst immer so starkes Selbstbewusstsein, wie im Winde verweht. Mein Blick ist erniedrigt auf den Boden gesenkt, traut sich nicht wieder stark zu werden. Die Stimmen von den anderen, sie überfordern mich, sind laut und so viele, es schmerzt, so sehr.

"Leute" wiederhole ich mich, ein wenig lauter als zuvor. Fast habe ich die Hoffnung aufgegeben da merke ich wie Jeongguk, der unter den anderen wie so häufig am passivsten gewesen ist, inne hält.
"Hey, Tae will was sagen" wirft er in den Raum, nicht all zu laut, aber genug um sie auf mich aufmerksam zu machen.

Erwartungsvoll sehen sie mich an, die Furcht kriecht mir die Finger hoch.
"Ähm.." gebe ich unsicher von mir, es fühlt sich an als würden sie mich mit ihren bloßen Augen durchbohren. Nervös schlucke ich den Kloß runter, der sich gebildet hat, ein ungewohntes Gefühl.
"Könnt ihr schon mal ins Wohnzimmer, ich hole Yoongi" ratter ich runter, habe Angst nicht verstanden worden zu sein.
Als sie sich nickend allerdings zurückziehen bin ich erleichtert.

Zufrieden seufze ich aus als mich die wohl unangenehmere Aufgabe erwartet, nämlich den Braunhaarigen holen.

Zögerlich folge ich dem Weg zu seinem Raum, bemerke nebenbei wie der Pegel unten wieder an Intensität zunimmt.
"Erstmal ein anderes Problem" spreche ich mir enthusiastisch zu.

Gerade als ich denke wieder vollkommen auf der Höhe zu sein trifft mich der Schlag.
Ein Blick in das Zimmer und meine Grimasse weicht aus dem Gesicht, die ich unbemerkt aufgesetzt habe.
Eingerollt unter zwei Decken liegt der Katzenäugige, krallt sich fest in den Stoff und zittert wie Espenlaub im Wind.
Durch das Mondlicht erkennt man seine glitzernden Tränen, die scheinbar ununterbrochen fließen. Die Augen glänzen und spiegeln die Strahlung des Himmels wieder, doch gleichzeitig wirken sie so matt und leblos.

Als er mich endlich wahrnimmt, ich fürchtete nicht einmal gemerkt wie ich eingetreten bin hat er, schaut er mich durch unglaublich traurige Kristalle an.
Der Mensch wirkt so zerstört.
"Warum ist mir so kalt?" fragt er mich mit gebrechlicher Stimme, so tonlos, wie ein Schrei unter Wasser, dem Wasser unter welchem er steht, sich nicht retten kann, schließlich ertrinkt.

Starr stehe ich da, beobachte den Jungen weiter, ich schaffe es nicht einen Finger zu rühren, die Entschlossenheit, sie ist verschwunden, untergraben durch Schock und Trauer. Die zitternde Figur, mit ihren dünnen, kraftlosen Armen versucht sie sich aufzurichten, wirkt dabei so unbeholfen wie ein Kind, das laufen lernt. Flehend sieht er mich an, als wolle er nach Hilfe rufen.

Der Moment in dem ich wieder erwache.
Stürmisch laufe ich auf ihn zu, so schnell wie möglich, dass er nicht gleich einknickt und hinfliegt, sich dadurch noch verletzt.
Überrascht von meinem plötzlichen Tatendrang reißt der junge Mann, der äußerlich um 10 Jahre gealtert ist und das nur in Wochen, die Lider auf.
Ich schmeiße mich förmlich an ihn, umgreife ihn, versuche dabei nicht zu viel Druck auszuüben, ziehe ihn in eine herzliche Umarmung.

Mein Herz schlägt automatisch schneller, läuft ein Rennen, mir wird heißer. Innerlich mache ich Freudensprünge, dass er mich nicht wegstößt, er erwidert sogar und vergräbt sein Gesicht in meine Halsbeuge.
"Was hältst du davon, wir gehen runter, dort ist ein Kamin, das ist bestimmt wärmer" biete ich an, meine es auch so, der Gedanke an die Gäste, die ebenfalls unten warten verdränge ich.

Stumm nickt der Junge und greift ein Stück fester zu. "Bitte" haucht er, mit erschreckend kühlen und doch warmen Atem.

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Random Fact: Willkommen zur letzten Lesenacht ;-;

Cut of life~TaegiWhere stories live. Discover now