81. Das Einmaleins des Lebwohlsagens

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Ich sah ihn mit einem traurigen Lächeln an, senkte meinen Blick jedoch dann wieder auf den Boden: „Erwin hat uns vorhin gesagt, dass sie uns morgen in unsere Welt zurückschicken werden." Ich schaute unsicher zu Armin. Er hatte seinen Blick ebenfalls gesenkt und meinte: „Jetzt verstehe ich auch, wieso wir morgen wieder frei haben und uns gesagt wurde, wir sollten uns einen schönen Tag in der Stadt machen." Wie bitte? Die hatten morgen frei?! So eine Frechheit. Man hätte uns ruhig darüber informieren können, dass wir ausschlafen konnten.

Als mich Armin wieder ansah, spiegelte sich in seinem Gesicht das selbe traurige Lächeln: „Aber es ist doch gut, wenn sie euch zurückbringen können, oder?" Oh, ich hasste es. Der Kerl hatte aber auch wirklich den besten Welpenblick, den man als 18-jähriger Junge haben konnten. In meinem Bauch baute sich ein Kribbeln auf. Im nächsten Moment schaltete mein Gehirn auf Standby und meine Gefühle übernahmen die Kontrolle.

Ich schmiss mich in Armins Arme und begann haltlos zu heulen: „Ich werd' dich so vermissen!" Der blonde war vollkommen überrumpelt und wusste anscheinend nicht ganz mit einem heulenden Mädchen umzugehen. Doch schließlich umarmte er mich und strich mir beruhigend über den Rücken. Ich glaube, mehr fiel ihm auch gar nicht ein, was er machen könnte.

So standen wir einige Minuten da und ich heulte den armen Jungen voll. Langsam beruhigte ich mich und sah zu Armin auf. Ich schniefte: „Danke, dass du da bist." Als ich den nassen Fleck auf seinem Hemd bemerkte, meinte ich noch: „Tut mir leid, ich hab dich total durchnässt." Er schaute ebenfalls auf sein Hemd und begann zu Lachen. Ging's ihm gut?

Völlig überfordert mit dieser Reaktion, stand ich da und blickte ihn verdattert an. Als er mich so sah, fragte er nach wie vor grinsend: „Ist das gerade wirklich deine größte Sorge?" Ich nickte irritiert. Ich hatte Armin noch nie SO ausgelassen lachen gehört. Selbst als Ruby uns gezwungen hatte, Zeit miteinander zu verbringen und er mich aufgrund ihrer Penetranz ausgelacht hatte, wirkte es nicht so frei. Der Junge verwirrte mich.

Ohne das Grinsen einzustellen, erklärte er mir: „Du bist wirklich ein interessanter Mensch, Tonia." Ich war mir sicher, dass meine Augen noch vollkommen verquollen waren, weshalb es  vermutlich recht komisch aussah als ich meine Augenbraue hochzog und Armin skeptisch anblickte. Ich wusste nicht ganz, wie ich diese Aussage auffassen sollte, weswegen ich ihm erst einmal meine Definition von „interessant" erläuterte: „Also, interessant bedeutet bei mir entweder ziemlich überraschend beziehungsweise abnormal oder gänzlich gestört."

Erneut begann er zu Lachen. Dieser Typ lachte mich allen Ernstes aus. So ein Crétin. Beleidigt verschränkte ich die Arme und er meinte beschwichtigend: „Tut mir leid, so war das nicht gemeint. Ich wollte nur sagen, dass du mich faszinierst." Ich verstand zwar was er meinte, doch konnte ich mir den Spaß nicht nehmen lassen, zu sagen: „Würdest du meine Welt kennen, würde Faszination eine völlig neue Bedeutung für dich bekommen." Er lachte einfach weiter. Also jetzt reichte es so langsam mal wieder.

Einer Intention folgend verdrehte ich genervt die Augen, zog den lachenden Blonden am Kragen zu mir und küsste ihn. Ihr braucht nicht glauben, dass mein Gehirn da mitmachte. Nein, das war gerade auf den Bahamas im Urlaub. Erst versteifte er sich überrascht, erwiderte den Kuss aber dann. Ferngesteuert wanderten meine Hände in seinen Nacken und zogen ihn näher.

Für mich fühlte sich dieser Kuss unendlich lange an und gleichzeitig war er viel zu schnell vorbei. Als wir den Kuss lösten und ich Armin ansah, fand ich in seinem Blick milde Überraschung und etwas, das wie tiefe Zuneigung wirkte. Ich war mir nicht ganz sicher, ich kannte bisher in Blicken nur Naw, Mordlust und Halt die Klappe.

Verlegen senkte ich meinen Blick. Verdammt war das alles kitschig. Irgendwo in meinem Kopf flüsterte eine nervige Piepsstimme Aber soooo romantisch. Schnauze auf den billigen Plätzen! Unsicher stotterte ich vor mich hin: „I-I-Ich ... äh ... D-Das war ..." Ich kam nicht weit, denn Armin küsste mich abermals. Kurz überrumpelt ließ ich mich geradezu hineinfallen. Wie ging der Spruch: Ein Kuss ist eine schöne Möglichkeit der Natur ein Gespräch zu beenden, wenn es keiner Worte mehr bedarf.* Oder so.

Als wir uns wieder voneinander loseisen konnten, meinte Armin wehmütig lächelnd: „Ich werde dich auch vermissen." Ich lächelte ebenfalls traurig und umarmte ihn. Ich vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge. Verdammt roch der Kerl gut.

Zwei Stunde später gingen wir Hand in Hand wieder auf das Schloss zu. Wir hatten die meiste Zeit stillschweigend verbracht und wenn etwas geredet wurde, fragte mich Armin über mein Leben in meiner Welt aus. Als wir am Waldrand vorbeikamen, an dem Ruby und Connie standen und nicht sonderlich glücklich aussahen, blieb ich stehen.

Durch den Zug auf seinem Arm blieb mein Partner ebenfalls stehen und besah sich das verrückte Paar, wie sie miteinander redeten. Ich wollte schon gehen, da zog Ruby Connie zu sich herunter und küsste ihn. Heute war aber wirklich ein leidenschaftlicher Tag, was?

Sie lösten sich wieder voneinander und Ruby entdeckte uns. Als ihr Blick auf unsere verschränkten Finger fiel, machte sie Connie darauf aufmerksam und kreischte. Sie packte Connie, der lächelnd den Kopf schüttelte und kam auf uns zu. Ich beugte mich zu Armin und meinte: „Lass uns abhauen. Das wird nur peinlich."

Und zum dritten Mal an diesem Tag wurde ich ausgelacht. Wer bist du und was hast du mit Armin gemacht? Ich wollte schon verschwinden, doch war mein Freund, oder was auch immer er jetzt für mich war, da ganz anderer Meinung. Er griff um meine Taille und zog mich wieder zurück. Ich verschränkte meine Arme und murmelte beleidigt: „Du bist ein mieser Verräter."

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*So und jetzt das Original: Der Kuss ist ein liebenswerter Trick der Natur, ein Gespräch zu unterbrechen, wenn Worte überflüssig werden. – Ingmar Bergman

Und weil's so viel Spaß macht: Wie verabschiede ich mich von meinem Freund?
Schritt eins: wirf dich heulend in seine Arme.
Schritt zwei: küss ihn.
Schritt drei: beschimpfe ihn abschließend als Verräter.
(Bitte nicht ernst nehmen, das kommt alles von einer geistesgestörten Fanfiktion-Autorin.)

Attack on Titan becomes realityWhere stories live. Discover now