42. Kindermenü (mit Spielzeug)

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Erschrocken riss ich an den Zügeln, während ich ein „Schande!" ausstieß und es gerade noch irgendwie schaffte auszuweichen. Ich schaute kurz nach hinten zu den anderen und merkte, dass sich unsere Einheit in alle Himmelsrichtungen zerstreute. Klasse! Wirklich klasse! Wir werden alle draufgehen.

Ich ritt dicht hinter Ruby. Von den anderen war keine Spur mehr zu sehen. Durch den Regen war jegliche Kommunikation über mehrere Meter praktisch unmöglich. Ich musste selbst auf die kurze Distanz zu Ruby schon schreien, dass sie mich verstand. Mit mulmigem Gefühl fragte ich: „Was machen wir jetzt?"
Ruby schrie aufgebracht zurück: „Woher soll ich das wissen?!" Schnaubend atmete ich aus.

Ich sah mich um, ob ich jemanden von unseren Leuten entdecken konnte, doch alles was ich sah, war Regen, Nebel und ein 7 Meter großer Titan, der sich verdammt schnell auf uns zubewegte. Entsetzt schrie ich noch: „Achtung!" und hörte von meiner Freundin ein „Fuck!".

Ich wich nach links aus und schaute zu Ruby, um zu sehen, ob es ihr gut ging. Doch ich konnte nur Dione mit einem leeren Sattel erkennen. Fuck! Ich schaute zu dem Titanen auf, in der Erwartung Ruby in seinen Händen zu entdecken. Dabei hatte ich netterweise die Arie „Königin der Nacht" aus der Zauberflöte in der „Fuck"-Version aus einer Averngers-Parodie als Hintergrundmelodie im Kopf. Wirklich, wieso genau in SO einer Situation. Das war doch mehr als unpassend.

Mein Blick glitt zu dem Titanen, doch ich entdeckte Ruby nicht. In mir stieg die Panik hoch. Die im gleichen Moment verdoppelt wurde als sich der Titan zu mir drehte und sein Kopf immer näherkam.

Etwas verspätet merkte ich allerdings, dass der Titan nach vorne kippte und entkam gerade noch so, ehe ich von dem Titanen, der mit dem Gesicht voran im Matsch landete, zu Palatschinken verarbeitet wurde.

Mit klopfenden Herzen parierte ich die Pferde auf einer Seite des dampfenden Titanen durch und suchte nach meiner Freundin. Es brauchte nicht lange und ich sah diese Verrückte auf den Schulterblättern des Titanen stehen.

Jubelnd rief sie mir zu: „Hast du das gesehen, Toni?!"
Ich schüttelte den Kopf und schrie außer mir zurück: „Mach das nochmal und die Titanen sind dein kleinstes Problem!"

Sie machte sich daran kichernd von dem Titanen zu steigen. Kopfschüttelnd sah ich ihr dabei zu. Doch kaum begann sie mit dem Abstieg, erblickte ich hinter ihr einen unförmigen, großen Schemen.

Panisch rief ich noch: „Ruby!" Im selben Moment schoss ich meine Haken auf den Titanen ab, um ihn zur Strecke zu bringen. Ich kam auch problemlos in den Nacken des Monstrums, wo ich wie ein Möchtegernprofi ein großes Stück heraushackte, woraufhin der Titan nach vorne fiel.

Ich wollte mich gerade von dem Ding abseilen als mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Kopfüberbaumelnd sah ich das Grinsen eines weiteren Titanen mit einem richtigen Babygesicht. Na toll. Schon wieder hängt mein Leben von der Güte eines Riesenbabys ab. Das passierte eindeutig zu oft.

Während mich das Ding mit einer Gummipuppe verwechselte und ich wie am Spieß schrie, weil mir das Ding gerade das Bein brach, vernahm ich von Ruby noch ein panisches „Tonia!".

Meine Sicht war mit Tränen verschleiert und mein Körper war erfüllt von Schmerz, weshalb ich kaum andere Empfindungen wahrnahm. Nur ganz nebenbei merkte ich wie Ruby den Titanen killte und mich aus der Luft fischte.

Sie setzte mit mir auf dem Boden auf und wollte mich abstellen, wobei ich aufschrie als mein verletztes Bein den Boden berührte.

Erschrocken ließ mich meine Freundin los, was dazu führte, dass ich mit einem erschrockenen Aufschrei umkippte, weil ich nur ein Bein richtig belastete. Schmerzhaft schlug ich auf dem Boden auf. Mit Tränen in den Augen setzte ich mich einigermaßen auf.

Nun saß ich vor Schmerzen flennend wie ein Baby, dem man den Schnuller geklaut hatte, am Boden, während Ruby wie ein begossener Pudel danebenstand. Unsicher wie sie die Situation händeln sollte, hockte sie sich neben mich, tätschelte meine Schulter und meinte: „Es wird alles gut."
Weiterhin weinend widersprach ich: „Nein, wird es nicht."
„Ach was, sicher", kam zurück.
„Nein", weinte ich weiter. Hatte sie sich mein Bein überhaupt schon einmal angeschaut?! Mein Unterschenkelknochen war so verschoben, dass man das sogar ohne Röntgengerät erkennen konnte!

Nun schien sie genug zu haben. Sie packte mich an den Schultern und schrie mich an: „Reiß dich zusammen, Tonia! Es bringt niemanden etwas, wenn du hier herumflennst." Mir liefen immer weiter die Tränen am Gesicht hinunter. Wobei, das könnte auch der Regen sein.

Entmutigt schnaufend stand sie auf und pfiff Dione und Kara zu uns, die glücklicherweise nicht weit entfernt waren. Sie führte Kara neben mich und zog mich flennendes, pitschnasses Ding hoch. „Okay, du musst mir jetzt helfen, dich irgendwie auf das Pferd zu kriegen."

Nach wie vor mit Tränen in den Augen nickte ich. Ruby murmelte „Okay" und begann meinen Fuß des gesunden Beines in den Steigbügel zu stellen, möglichst ohne mir die Stütze zu nehmen. Dabei lag ich komisch verrenkt auf ihrem Rücken, weil ich mein verletztes Bein nicht belasten konnte. Wäre die Situation eine andere würde ich das bestimmt lustig finden.

Mit Rubys Hilfe hievte ich mich irgendwie auf die Höhe des Sattels und ließ mich nach vorne fallen. Ich hing nun wie ein nasser Sack über Karas Rücken. Ruby ging einmal ums Pferd und versuchte mich richtig hinzudrehen. Als ich dabei mithalf, fühlte ich mich wie ein gestrandeter Wal auf dem Weg zurück ins Meer. Es dauerte etwas, bis ich ordentlich im Sattel saß und wir orientierungslos weiterritten.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, die vermutlich nur zehn Minuten waren, sah ich durch meine von trockenen Tränen verkrusteten Augen zwei Reiter. Durch den langsam nachlassenden Regen schimmerte das Grün der Capes.

Als die zwei näher kamen, erkannte ich die Gestalten von Christa und Ymir. Winkend machten wir auf uns aufmerksam, was die jungen Frauen dazu veranlasste auf uns zuzukommen.

Attack on Titan becomes realityWhere stories live. Discover now