48. Tränen. Noch mehr Tränen. Nicht mehr ganz so viele Tränen.

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Was war denn jetzt auf einmal los? Ich sah zu Ruby, die die Kleidung noch immer anstarrte als wäre sie radioaktiv. Die Kleidung war so genau zusammengelegt, das konnte ich gar nicht gewesen sein. Levi hatte sie sicher noch einmal schön zusammengelegt. Dieser gruselige Ordnungsfanatiker.

Ich schüttelte den säuberlich zusammengelegten Stapel auseinander und kam auf zwei Garnituren bequeme Alltagskleidung und mein Nachthemd. Ich faltete die Alltagskleidung wieder zusammen, gab mir dabei definitiv keine Mühe sie schön zusammenzulegen. Es war immerhin Kleidung, die würde es wohl überleben, wenn nicht die eine Kante genau auf der anderen lag. Anschließend legte ich sie in das Nachtkästchen, dass neben meinem Bett stand. Auch Ruby hatte eines wie mir auffiel. Ganz schöner Luxus hier.

Ich machte mich daran, mir nun mein Nachthemd anzuziehen, weil ich ja Bettruhe halten musste. Und ich hasste es abgrundtief mit Straßenkleidung im Bett zu liegen. Ruby zog sich ebenfalls ihre Schlafsachen an und wir kuschelten uns unter die Decke.

„Was machen wir jetzt?", fragte ich Ruby.
Sie gab mir genervt stöhnend zurück: „Ich habe keine Ahnung."
„Das fängt ja super an", meinte ich.

Wir starrten einige Minuten stumm an die Decke und lauschten den Geräuschen von draußen. Unvermittelt fragte ich in die Stille: „Glaubst du, läuft in unserer Welt die Zeit einfach weiter?" Ich drehte meinen Kopf zu meiner Freundin, die weiterhin auf die Decke starrte. Bei dem Gedanken regte sich das Heimweh und mir standen Tränen in den Augen. „Hm, vielleicht. Aber selbst wenn, wir können nichts daran ändern", gab Ruby zurück.

Mit erstickter Stimme meinte ich: „Ruby, ich will nachhause." Sie drehte den Kopf zu mir und meinte: „Oh, no, no, no." Sie stand auf und legte sich neben mich unter die Decke und schloss mich, so gut es ging, in ihre Arme: „Du hast es doch schon über einen Monat hier ausgehalten, du kannst mir jetzt nicht so einknicken. Außerdem fang ich auch gleich zum Heulen an." Ich lächelte unter Tränen, aber meine Tränen flossen immer weiter.

Auch in Rubys Augen glänzten Tränen. Sie flüsterte noch „Komm schon, das stehen wir durch" und im nächsten Moment begann auch sie zu flennen. Wir waren wirklich die besten Freundinnen. Wir machten alles zusammen. Sogar das Heulen.

Ich wusste nicht genau, wie lange wir da saßen und uns gegenseitig anschluchzten, doch irgendwann ging die Tür auf. Das merkten wir in unserem Selbstmitleid gar nicht. Erst als Hanjis Stimme erklang, schauten wir verweint auf: „Was ist passiert? Wir waren nur eine Stunde weg." Sie stand überrascht mit einem Tablett, auf dem vier dampfende Schüsseln standen, da und hinter ihr zog Levi mal wieder eine Augenbraue hoch.

Ich streckte eine Hand zu Hanji und schniefte: „Ist doch egal. Ist das Essen?" Ruby schlich wieder zu ihrem eigenen Bett und Hanji drückte jedem von uns eine Schüssel mit einer klaren Brühe in die Hand. Während sie auch Levi, der mittlerweile auf einem Stuhl saß, eine reichte, erklärte sie: „Wir dachten, wir leisten euch ein wenig Gesellschaft." Von Levi kam ein abschätziges „Tz.". Sie fügte noch wie eine Mutter hinzu: „Und jetzt esst eure Hühnersuppe, bevor sie kalt wird."

Mir kamen wieder die Tränen. Ich schaute auf meine Suppe, die auf meinem Schoss stand und heulte: „Meine Mama hat immer die beste Hühnersuppe gemacht." Hanji sah irritiert zu mir, ehe sie sich neben mich auf die Bettkante setzte und mich an sich zog. „Hey, es wird alles wieder gut."
„Nein, du versuchst es nur schön zu reden", gab ich ihr verweint zurück.

Hanji öffnete den Mund, wurde aber von Levi daran gehindert zu sprechen. Er zeigte mit dem Löffel auf uns und meinte: „Sie hat recht, du versuchst es nur schön zu reden. Das ändert nichts an den Tatsachen."

Hanji sah ihren Kollegen böse an und im nächsten Moment flog ein Löffel auf Levi zu, den er aus der Luft fing. Ruby warf ihm nach dem Löffel noch schniefend hinterher: „Das ist nicht hilfreich." Levis Antwort war nur das skeptische Hochziehen seiner Augenbraue.

Ich begann unter Tränen zu lachen. Das war aber auch zu witzig. Hanji drückte mich etwas von sich weg und meinte grinsend: „Na also. Du kannst ja doch noch lächeln." Sie stand auf und ging rückwärts von mir weg: „Behalt das bei, ja?"

Im nächsten Moment knallte sie gegen das Fußende von Rubys Bett und landete mit einem „Uff" am Boden. Mit Levis „Kannst du eigentlich irgendetwas?" war es um mich geschehen. Ich brach in Lachen aus und hätte ich Suppe im Mund gehabt, wäre sie vermutlich auf meinem Bett verteilt gewesen. Auch Ruby konnte sich nicht mehr halten. Zusammen lachten wir unsere Trauer weg.

Hanji rappelte sich wieder auf und bewegte sich nun grinsend zu einem anderen Stuhl, auf den sie sich setzte und sich nun ihre Schüssel voll Suppe nahm. Davor war sie aber so freundlich und brachte Ruby ihren Löffel wieder.

Mit einem Lächeln im Gesicht sah ich die drei um mich herum an und meinte mit geröteten Augen: „Danke, Leute." Das ich dabei Levis Satz aus der dritten Staffel klaute, merkte ich gar nicht.

Wir löffelten schweigend unsere Suppe. Als wir fertig waren, sammelte Hanji die Schüsseln ein und ich schaute kurz zu Levi, der mit einem neutralen Ausdruck auf seinem Platz saß. Irgendwie sah es so aus als wäre er nicht ganz freiwillig hier.

Ich zog meine Augenbrauen zusammen und schaute zu Ruby, die schon zu mir schaute. Synchron drehten wir unsere Köpfe wieder zu Levi, musterten ihn kurz und sahen uns dann mit einem leicht belustigten Blick an. Wir dachten dasselbe: Hanji, hat ihn gezwungen.

Wir drehten uns wieder nach vorne, behielten den Ausdruck aber bei. Hanji war noch mit den Schüsseln beschäftigt, weshalb sie das nicht mitbekam, doch Levi zog skeptisch eine Augenbraue hoch, verschränkte die Arme vor der Brust und fragte in seiner üblichen Monotonie: „Was?"

Attack on Titan becomes realityWhere stories live. Discover now