49. Weiß? Zum Anbeißen? Bechamel.

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Ich kopierte seine Haltung und lachte belustigt: „Hanji hat dich gezwungen mitzukommen, oder?" Von Hanji kam entrüstet: „Habe ich gar nicht. Er ist freiwillig mit." Ruby zog eine Augenbraue hoch und verschränkte ebenfalls ihre Arme. Das hieß so viel wie Das glaubst du doch selbst nicht.

Hanji ließ sich hängen und machte ein enttäuschtes Geräusch, bevor sie meinte: „Ich musste ihn ein wenig überreden", nun richtete sie sich wieder auf und sah mit einer Mischung aus Skepsis und Interesse zu ihrem schwarzhaarigen Kollegen, „aber er hat mir viel zu schnell eingewilligt. Für seine Verhältnisse."

Unsere Blicke schwenkten alle zu dem Hauptgefreiten, der nach wie vor mit verschränkten Armen und übereinander geschlagenen Beinen auf dem Stuhl saß und uns ebenfalls einen skeptischen Blick zuwarf. Wir, drei Frauen, lieferten uns mit diesem kleinen, miesepetrigen Mann fast eine Minute lang ein Blickduell, welches schließlich von Hanji unterbrochen wurde. Überlegend grinsend stellte sie fest: „Dir liegt etwas an ihnen." Ich sah zu Ruby, die Hanji anschaute, dann wanderte mein Blick zu der Wissenschaftlerin und am Ende wieder zu unserem Abteilungsführer.

Seine Haltung und sein Gesichtsausdruck hatte sich kein bisschen verändert. „Tz, rede keinen Scheiß", kam von dem einzigen Mann in der Runde. Synchron zogen wir alle eine Augenbraue nach oben. So leicht konnte er sich nicht herausreden. Kopfschüttelnd und mit einem weiteren „Tz" stand Levi auf und verschwand durch die Tür. Oh, konnte er wohl doch.

Es sah nicht so aus als würde er in nächster Zeit wieder kommen. Fragend warf ich in unsere Frauenrunde: „Haben wir ihn gerade eingeschüchtert?" Wir fingen an zu lachen, weil dieser Gedanke einfach mehr als abwegig war, und Hanji gab zurück: „Scheint fast so, nicht?"

Noch immer kichernd griff sich Hanji das Tablett mit den leeren Schüsseln und erklärte: „Gut, ich werde dann auch mal gehen. Soll ich euch noch etwas bringen?" Ich überlegte kurz und meinte: „Das Buch, das ich mir von dir ausgeborgt habe, wäre ganz nett. Es müsste in unserem Zimmer am Tisch liegen." Überrascht schaute sie mich an und gab zurück: „Aber das hat dir Levi doch auf den Tisch gelegt", mit dem Kopf deutete sie auf das Nachtkästchen neben mir.

Verwirrt drehte ich den Kopf zu dem angedeuteten Ort und sah den Wälzer wirklich darauf liegen als wäre er schon die ganze Zeit da. Levi brauchte dringend ein Glöckchen. Das konnte doch nicht so weiter gehen.

Kopfschüttelnd griff ich nach dem Buch und bedankte mich bei Hanji, bevor ich die Seite aufschlug, in die ich ein Stück Pergament gesteckt hatte. Bevor Hanji verschwand, bat Ruby allerdings noch um einen Block und einen Stift, die keine fünf Minuten später auch schon von Moblit vorbeigebracht wurden.

Während Ruby auf ihrem neuen Block herumkritzelte und ich las, sank die Sonne gen Horizont und die Umgebung wurde in ein rötliches Licht getaucht. Ich war in die Lektüre versunken, wurde aber je herausgerissen als Ruby einen leisen Schrei ausstieß.

Verwirrt sah ich zu meiner Freundin und konnte nicht gleich erkennen, was sie hatte. Doch ihr erst erschrockener Gesichtsausdruck verwandelte sich in einen Ach du meine Güte ist das süüüüß!-Ausdruck, der starr auf ihre Beine gerichtet war.

Ich folgte dem Blick und entdeckte ein weißes Fellknäul, das fast mit der Decke verschmolzen war.  Nur die strahlend blauen Augen und die rosa Nase hoben sich von der Bettwäsche ab. Zu Rubys Füßen saß eine schneeweiße Langhaarkatze, die mich an die Katze aus der Gourmet-Werbung erinnerte, und putzte sich ganz entspannt.

„Naw, ist die süß", quietschte ich. Ich liebte Katzen einfach über alles. Immerhin hatte ich selbst zwei und auch Ruby besaß zwei. Ich würde dieses weiße, fluffige Ding wirklich gerne streicheln, nur bezweifelte ich, dass ich ohne Gehhilfe bis zu Rubys Bett kam. Deswegen ließ ich es bleiben und beließ es beim Anstarren.

Ohne sich irgendwie stören zu lassen, rollte sich das Fellknäul zwischen Rubys Beinen zusammen und schloss die Augen. Sie ließ sich auch nicht stören als Ruby sich vorsichtig vorbeugte und begann sie zu streicheln. Eher im Gegenteil, sie fing an zu schnurren wie ein Traktor.

Mit verzücktem Lächeln betrachteten wir unsere neue Freundin. „Wir müssen ihr einen Namen geben. Am besten einen neutralen Namen", ließ ich irgendwann verlauten. Rubys Gesicht nahm überlegende Züge an und auch ich suchte in meinem Gedächtnis das Namensregister ab.

Der erste Vorschlag kam von mir und lautete scherzhalber „Müsli". Ich wurde von Ruby verständnislos angeschaut und selbst die Katze öffnete ihre Augen und warf mir so einen abschätzigen Blick zu. Dann eben nicht.

Rubys Vorschlag mit „Luna" wies ich aufgrund des unbekannten Geschlechts ab, was zu weiteren Minuten der Stille führte. Mir kam der Kochunterricht in den Sinn und ich meinte lachend: „Was sagst du zu Bechamel?" Ich hätte nicht gedacht, dass Ruby den Vorschlag ernst nehmen würde, aber sie gab ebenfalls lachend zurück: „Passt irgendwie." Und damit war der Name der Katze Bechamel.

Wir betrachteten die Katze wie sie sich zufrieden auf den Rücken rollte und konnten unseren Blick einfach nicht von ihr abwenden. Nach einiger Zeit begann Ruby die Katze zu skizzieren und ich starrte sie einfach weiter an. Ich konnte Katzen stundenlang anschauen, ohne genug zu bekommen. Es waren einfach so schöne Tiere.

Als die Sonne sich langsam verabschiedete, sprang Bechamel von Rubys Bett und rannte durch die offenstehende Tür hinaus. Vielleicht um Mäuse zu fangen.

Da ich keine Katze mehr zum Angaffen hatte, wollte ich das Buch weiterlesen. Allerdings war es mittlerweile so düster, dass ich zuerst die Kerze auf meinem Nachtkästchen anzünden musste, um mein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Nachdem ich zwei Seiten gelesen hatte, kam Hanji mit dem Abendessen. Diesmal ohne Levi. Vermutlich wollte er sich uns drei nicht noch einmal antun.

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