80. "Gut" liegt im Auge des Betrachters

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Keine Ahnung was Erwin seinem alten Freund gesagt hatte, aber noch vor dem Mittagessen verschwand die Delegation missmutig. Ruby und ich ließen uns es natürlich nicht nehmen, ihnen hinterherzuwinken und eine gute Reise zu wünschen. Kaum waren sie aus unserem Blickfeld verschwunden, murmelte ich: „Ich hoffe, sie verrecken auf dem Weg zurück." Ruby begann schallend zu lachen.

Während wir uns umdrehten, um zum Mittagessen zu gehen, meinte Ruby lachend: „Du hast sie ja richtig ins Herz geschlossen." Ich schüttelte nur belustigt meinen Kopf.

In der Kantine wollten wir schon zu dem Tisch, an dem unsere Teamkollegen saßen, gehen, doch wurden wir vorher von Hanji an den Tisch von ihr, Levi und Erwin gelenkt. Verwirrt wurden wir von ihr auf zwei freie Plätze gedrückt. Sie pflanzte sich grinsend neben uns und sah uns erwartungsvoll an. Misstrauisch fragte ich in die Runde: „Ist was?"

Levi beachtete uns keinen Moment, während Erwin uns väterlich belächelte: „Wir haben gute Neuigkeiten für euch." Wir hoben eine Augenbraue und sahen Erwin an. Hanji neben uns rutschte aufgeregt hin und her. Meine Freundin fragte skeptisch: „Und die wären?" Jetzt platzte Hanji und sie meinte begeistert: „Wir wissen, wie wir euch zurück in eure Welt bringen können. Und das Ganze schon morgen!"

Ohne eine Miene zu verziehen, fragte ich weiter: „Und wie?" Meine Euphorie hielt sich ziemlich in Grenzen. Ich wusste nicht, ob mir die Antwort gefallen würde. Diesmal antwortete Levi nüchtern: „Ihr werdet vom Dach springen." Och menno, ich hatte gehofft, dass es nicht so weit kommen würde.

Vorsichtig fragte Ruby: „Und das ist die einzige Lösung?" Hanji ging keine Sekunde vom Pedal und meinte quietschvergnügt: „Jap." Ja sicher, sie musste ja auch nicht von einem Gebäude springen!

Ich verzog unglücklich mein Gesicht und erwiderte: „Dann will ich das Problem zurück." Erwin begann dröhnend zu lachen. Hatte der noch alle Latten am Zaun!? Der wollte uns zehn Meter in die Tiefe werfen und lachte uns jetzt auch noch aus! Ruby, neben mir, reagierte darauf leicht angesäuert: „That's not funny! It's dangerous and foolish and I'm afraid!" Erwin hörte zwar auf zu lachen, doch es klebte ihm trotzdem ein Grinsen in der Visage.

Der schwarzhaarige zog eine Augenbraue hoch und deutete auf meine Freundin, dabei fragte er mich: „Was hat sie gesagt?" Anscheinend traute er Ruby nicht mehr zu in der richtigen Sprache zu antworten. Ruby unterdessen zog scharf die Luft ein und ihre Aussage „Sie sitzt genau hier." wurde von Levi gar nicht wahrgenommen. Deshalb erklärte ich ihm, ohne auf meine Freundin einzugehen: „Sie hat gesagt: das ist nicht lustig. Es ist gefährlich und idiotisch und ich habe Angst."

Levis Reaktion darauf bekam ich nicht mehr mit, da Erwin die Aufmerksamkeit wieder auf sich lenkte: „Kein Grund zur Beunruhigung, es werden genug Leute da sein, die euch im Notfall auffangen werden." Im Notfall? IM NOTFALL?! WIR SOLLEN VON EINEM DACH SPRINGEN! DIE GANZE SITUATION WAR EIN NOTFALL!

Nach außen hin blieb ich allerdings die Ruhe selbst und gab nur „Okay" von mir. Ruby starrte einfach nur entgeistert zwischen mir und Erwin hin und her. „Okay?! Hier ist gar nichts okay! We will jump down of a fucking roof! Are you serious? We gonna die!" Damit schnappte sie sich ihr Essen und stampfte zu unseren Teamkameraden.

Grinsend schlug ich ein Bein über die Bank.  Hach, wie schön, wenn nicht nur ich ausrastete. In dieser Position meinte ich, ebenfalls mit meinem Essen in der Hand, zu den drei Ranghöheren: „Unser Vertrauen in euch ist wirklich unerschöpflich", und ging meiner besten Freundin hinterher.

An dem gewünschten Tisch angekommen, wurde noch ein Stück gerückt und ich ließ mich neben Armin plumpsen. Ich aß noch immer grinsend über Rubys Ausbruch mein Essen und sie saß grummeliger als Ebenezer Scrooge am Anfang der Weihnachtsgeschichte auf ihrem Platz und stopfte einen Löffel nach den anderen in den Mund.

Verwirrt fragte Eren Ruby: „Was ist denn mit dir los?" Ich wollte schon zum Antworten ansetzen, doch Ruby war schneller und knurrte Eren wie eine tollwütige Hündin an: „Frag nicht." Danach wagte es keiner mehr meine Freundin anzusprechen.

Kaum war sie fertig mit ihrem Essen, packte sie Connie und schleifte den Größeren mit den Worten „Wir müssen reden" mit sich. Ja, meine liebe Freundin entwickelte wahre Superkräfte, wenn sie sauer war.

Der Rest am Tisch starrte den zweien überfordert hinterher, während Connie uns noch einen Helft mir- Blick zuwarf. Ne, Schatz, da musst'e jetzt ganz allene durch. Jean schüttelte auch noch den Kopf, was eindeutig hieß Mit der Furie leg ich mich bestimmt nicht an. Sorry, bro.

Als auch ich mein Mittagessen zusammengegessen hatte, drehte ich mich lächelnd zu Armin und fragte: „Was hältst du von einem Spaziergang?" Der blonde lächelte ebenfalls und erwiderte schlicht: „Gerne." Wir brachten unser Geschirr weg und gingen nach draußen. Ich hoffte nur, dass Levi kein Training für den Nachmittag angesetzt hatte. Aber Armin würde das doch bestimmt wissen und mich darauf aufmerksam machen. Der Junge war so pflichtbewusst, der würde mich hoffentlich davon abhalten Levis Training zu schwänzen.

Draußen deutete ich mit einer Hand auf den Wald vor uns und mit der anderen schräg hinter uns und fragte: „Wald oder Wiese?" Ich wollte ihm die Entscheidung überlassen, weil ... ja, einfach weil ich es hasste Entscheidungen zu treffen.

„Hm", überlegte er kurz, ehe er nach rechts nickte und meinte: „Wiese." Stillschweigend schlenderten wir nebeneinander zu der Wiese, die sich etwas versteckt hinter dem Schloss befand. Wir mussten durch einen kurzen Waldstreifen, bevor sich vor uns eine weite, grüne Ebene erstreckte. Es war eine angenehme Stille.

Wir wanderten eine geschätzte Viertelstunde nebeneinanderher und meine Stimmung sank mit jeder Minute. Wehmut ergriff mich, weil mir gerade so richtig bewusstwurde, dass ich Armin und alle anderen morgen verlassen würde.

Armin durchschaute mich natürlich sofort und fragte: „Willst du darüber reden?" Ich bezweifelte stark, dass er wusste, warum ich so niedergeschlagen war. Aber es war schon lustig, denn genau deswegen wollte ich ja eigentlich Spazieren gehen.

Attack on Titan becomes realityWhere stories live. Discover now