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Da stand er vor mir.

Nach fünf Monaten und einem Tag sah ich ihn zum ersten Mal wieder und egal wie sehr ich mich innerlich vorbereitet hatte, war ich am Ende wieder komplett nervös und wusste nicht was ich tuen sollte.

Ich dachte, dass wenn ich ihn sehen würde meine Wut auf ihn wieder steigen würden. Die Wut auf mich selbst aber nein. Der Großteil von mir spürte so gut wie nichts oder vielleicht verdrängte ich die ganzen Gefühle.

Positive und negative Gefühle.

Wie immer hatte er seine langen Haare nach hinten mit Gel frisiert und eine kleine Strähne lag auf seiner Stirn. Früher spielte ich mit der Strähne immer aber jetzt würde ich sie am Liebsten abschneiden.

Nun ich glaube das war ein negatives Gefühl, wenn ich ihm seine perfekten Haare abschneiden würde.

Ich hatte vieles erwartet aber nicht das. Wie als hätte ich ihn nicht vor fünf Monaten gesehen, sondern fünf Jahre, wirkte er so viel älter.

Ich dachte, dass er genau wie seine ganze Familie gesund aussah und ein Strahlen im Gesicht aber der Gegenteil war der Fall. Man konnte nicht leugnen, dass er in seinem schwarzen Rollkragen gut aussah.

Perfekter Bastard.

Trotz seinen leeren Augen und den dunklen Augenringen sah er immer noch so perfekt aus. Ich starrte ihn von Kopf bis Fuß an. Alles an ihm wäre makellos, doch seine Augen verrieten ihn.

„Aurelia"

Ungewollt machte mein Herz einen Sprung als mein Name seine Lippen verließ. Das hätte nicht passieren sollen. Seine intensiver Blick machte mich nervös aber ich wollte es nicht zeigen. Nie wieder sollten er und sein Vater meine Schwäche sehen.
Nie wieder.
Ich blinzelte.

„Nathaniel"

Meine Stimme war nur ein Wispern, doch trotzdem sah ich wie seine Augen eine Reaktion zeigten. Wie als wäre für eine Millisekunde wieder Leben in seinen Augen zusehen. Seit fünf Monaten sprach ich seinen Namen nicht aus. Dachte nicht an seinen Namen, durfte mir sein Gesicht nicht vorstellen und jetzt stand er vor mir.

Er stand wirklich vor mir.

Wie erbärmlich ich damals gewesen war, zudenken das ich ihn aus meinem Leben für immer vertreiben kann. Das ich ihn niemals sehen würde. Die Stadt war so groß aber gleichzeitig auch so klein. Wegen ihm habe ich das Haus nie verlassen, da die Angst ihn zusehen zu groß war.

„Wir sollten essen gehen...Essen wird Aurelia stärken", ich nickte leicht ohne meinen Blick von ihm abzuwenden. Ich konnte nicht wegschauen auch wenn ich wollte.

„Stärken? W..warum?", Nathaniel schaute kurz zu seiner Schwester, dann wieder zu mir. „Er muss es nicht wissen", sagte ich schnell bevor Marisol ihm auch nur antworten kann. „N..Natürlich. Ich verstehe", murmelte Nathaniel und schaute auf den Boden. Chloe und Luke standen gleichzeitig auf und Chloe zog mich ins Esszimmer.

Ich saß zwischen Luke und Marisol und schaute zu wie sie mir meinen Teller randvoll füllten mir Lasagne und Salat. So viel aß ich in zwei Tagen und jetzt wollten sie, dass ich das alles esse?

Brandon und Nathaniel kamen nach, wahrscheinlich redeten sie wieder etwas und planten wieder einen Verrat. Als wäre das alles nicht genug, musste genau gegenüber von mir ein Platz frei sein, wo sich Nathaniel hinhockte. Ich beobachtete jeden wie sie miteinander redeten und aßen. Ihre teueren Weingläser in den Händen hielten und lachten.

VERSATILE IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt