84. Kapitel

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84. Kapitel – Keine Lügen

Niemand vergibt sich selbst. Doch jeder will Vergebung von den Menschen um sich herum.
- K.M.

Fehler zu machen ist menschlich. Sie zwei Mal zu machen ist dumm.
- K.M.

Müde, aber glücklich, lag ich in meinem Bett. Gedankenverloren zeichnete ich verworrene Muster auf Alexanders Brust. Seine rechte Hand strich unaufhörlich meinen Rücken hinauf und hinab, während seine linke Hand über meinen Arm fuhr, der auf ihm ruhte. Seit einer guten Stunde rührten wir uns nicht und sprachen kein Wort. Ich fragte mich, worüber er nachdachte, da meine eigenen Gedanken mir nicht gefielen. Ich mochte die Richtung, die sie nahmen, überhaupt nicht. Sie beunruhigten mich. Scheinbar weigerte sich ein Teil von mir, zu akzeptieren, dass ich etwas Glück verdient hatte.

„Woran denkst du?", brach seine dunkle, rau gewordene Stimme das Schweigen.

Innerlich huschte ein Lächeln über meine Lippen. Ich konnte noch immer nicht glauben, wie gut er mich kannte. Manchmal schien er regelrecht zu erahnen, was in meinem Kopf vorging. Manchmal sogar besser als ich.

Ich richtete mich ein Stück weit auf, ließ mich an seine Seite gleiten und stützte mich auf den Unterarmen ab. Kurz sah ich auf meine gefalteten Hände, ehe ich den Kopf schief legte und Alex anschaute.

„Alles, nichts", versuchte ich ihm auszuweichen.

Entgegen meiner Erwartung ließ er mich damit durchkommen.

„Und du?", stellte ich die Gegenfrage.

Er hob seine rechte Hand und grub sie in meine Haare. Als würde er nach etwas suchen, betrachtete er mein Gesicht, meinen Körper, welcher unter dem Laken noch immer glühte und dann wieder meine Augen.

„Ich weiß, dass ich besser nicht fragen sollte, aber ich würde es wirklich gerne wissen", setzte Alex an, ehe er innehielt und seinen Blick senkte. Ich senkte kurz den Kopf, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, damit er mich wieder ansah und fragte:

„Was? Was willst du wissen?"

„Warum willst du Leo nicht mehr suchen?"

Ich hatte gehofft, er würde nicht noch einmal fragen, doch schon geahnt, dass diese Hoffnung sich nicht bestätigen würde. Ihm nicht zu antworten, war keine Option, trotzdem fiel es mir schwer. Denn meine Gedanken schlichen sich wieder ein und erwarteten, dass ich sie berücksichtigte.

„Bevor ich dir das sage, muss ich dir etwas erzählen", antwortete ich und fühlte mich bereits schrecklich.

Mit einem Blick, der sagte, dass es ihm egal war, was ich ihm zu sagen hatte, dass er mich dennoch liebte, sagte er: „Okay."

Da ich ihm dabei nicht in die Augen sehen konnte, sah ich wieder hinunter auf meine Hände, als ich zu sprechen begann: „Du hattest Recht, als du sagtest, wir wüssten nicht, wohin das führt. Aber ich liebe dich..."

„Und ich liebe dich", unterbrach Alexander mich.

Ich lächelte.

„Ich weiß. Deshalb will ich, dass du etwas über mich weißt: Ich habe Dinge getan, die mir nie vergeben werden können. Die ich mir nie vergeben kann. Dinge, die ich dir niemals erzählen kann. Denn auch, wenn es nicht wirklich etwas Schlimmes ist, dachte ich damals, dass es das wäre. Trotzdem habe ich getan, was ich tat. Und ich hasse mich dafür. Und bevor wir uns wirklich auf das hier einlassen, will ich dass du weißt, dass dieser Hass, dieser Teil von mir, immer irgendwie zwischen uns stehen wird. Ich werde zweifeln, ich werde weinen und mich vermutlich mit dir streiten. Aber weil ich dich liebe, will ich, dass du es vorher weißt, damit du noch eine Chance hast, wegzulaufen.

The New MeWhere stories live. Discover now