71. Kapitel

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71. Kapitel – Das Wohl der Anderen

Alles, worauf die Liebe wartet, ist die Gelegenheit.
- Miguel de Cervantes

Manchmal müssen wir die, die wir lieben, gehen lassen. Nicht um zu sehen, ob sie zurückkehren, sondern um festzustellen, wie sehr wir es uns wünschen würden.
- K.M.

Wenn du damit beginnst, dich denen aufzuopfern, die du liebst, wirst du damit enden, die zu hassen, denen du dich aufgeopfert hast.
- George Bernard Shaw

Alex

Die Tür fiel hinter Lilly ins Schloss und ließ mich zurück in einer plötzlich sehr kalten und leeren Wohnung. Mit jedem Schritt, den sie sich von mir entfernte, breitete sich ein unbeschreiblicher Schmerz in meiner Brust aus. Ich wollte nicht, dass sie ging, aber ihre Worte hatten mich erstarren lassen. Lilly liebte mich? Das klang so absurd und unwirklich, dass es einfach nicht stimmen konnte. Ihr ganzes Wesen war so einzigartig, dass ich nicht glauben konnte, dass sie mich liebte. Aber in Kyle hatte sie sich schließlich auch verliebt. Doch das war damals und unter gänzlich anderen Umständen. Damals war ihr Leben noch nicht ganz so...belastet. Doch als es ihrer Mum schlecht ging, war er da und hatte sie aufgefangen.

Als ich sie traf war sie bereits ganz unten. Sie war gebrochen und stand gerade so noch aufrecht, auch wenn ich das damals nicht wusste. Trotzdem zog sie mich in ihren Bann. Egal wieviel ich auch über sie erfuhr, ich kam nicht von ihr los. Oft hatte ich in meinem Bett gelegen und mir gewünscht, ich könnte sie gehen lassen. Denn auch wenn es wehtat, hatte sie Recht: Sie hatte mich einiges an Unbeschwertheit gekostet. Aber es machte mir im Grunde nichts aus. Ich war einfach nur erwachsen geworden. Doch der wahre Grund, warum ich sie nie wegschickte, der Grund, warum ich sie heimlich beim Schlafen beobachtete, der Grund, warum ich sie in diesem Moment gehen ließ, war ganz einfach: Ich liebte sie auch.

Diese Erkenntnis traf mich hart und raubte mir fast den Atem. Ich lief zum Fenster und sah nach unten. Lilly ging geradewegs zu ihrem Wagen und öffnete die Tür. Ich glaubte, dass sie noch einmal zu mir hoch sehen würde, aber das tat sie nicht. Ich schlug gegen das Glas, damit sie es doch noch tat, doch sie stieg einfach ein und fuhr davon. Mit schmerzender Brust ließ ich mich mit dem Rücken am Glas auf den Boden gleiten. Ich schlug mehrfach mit dem Hinterkopf gegen die harte Front, als könnte ich sie so aus meinen Gedanken vertreiben, ehe ich aufgab und Tränen meine Wangen entlangliefen. Lil war weg und ich würde ihr nicht hinterherlaufen. Sie musste diesen Weg alleine gehen. Ohne mich.

Lilly

Nach meinem Besuch bei Alex war ich zitternd nach Hause gefahren. Es tat weh ihn zu verlassen. Besonders jetzt, als ich endlich ehrlich zu mir selbst war und mir eingestand, dass ich ihn liebte. Aber ich musste es tun. Ich musste ihm erlauben, glücklich zu  werden. Ohne mich.

Als ich zu Hause ankam, parkte ich auf der Straße und ging dann hinein. Meine Eltern saßen im Wohnzimmer. Auf dem Nachhauseweg hatte ich mich dazu entschieden ihnen meine Entscheidung gleich mitzuteilen. Ich zog Schuhe und Jacke aus und ging dann zu ihnen.

„Mum, Dad? Ich muss euch etwas sagen", fing ich an.

Meine Eltern sahen vom Fernseher auf und blickten mich an. Ich setzte mich in den Sessel, der dem Sofa gegenüber stand und blickte sie ernst an. Darum herum zu reden würde es nicht leichter machen und mir einige Magenschmerzen mehr einbringen. Also kam ich direkt auf den Punkt:

„Ich ziehe am Samstag auf den Stützpunkt."

Mein Dad schien sofort zu verstehen. In den letzten Tagen war es mir, als hätte er es bereits geahnt. Vielleicht hatte der Major auch etwas zu ihm gesagt, entgegen unserer Abmachung. Letzten Endes konnte er tun, was er wollte.

The New MeWhere stories live. Discover now