56. Kapitel

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56. Kapitel - Das kleine Mädchen

Life is cruel.
- K.M.

Lilly

Alex sah mich an. Ich wollte ihn zu mir winken. Ich brauchte ihn. Jetzt. Hier bei mir. Ich konnte unmöglich in dieses Haus gehen und mich alldem alleine stellen. Meine Eltern waren noch nicht da und selbst wenn, würden sie mir keine Hilfe sein.

Ich wollte mich schon abwenden, als Alex ausstieg, abschloss und zu mir kam. Er legte mir den Arm um die Schultern und zog mich mit nach drinnen. Dankbar folgte ich ihm. Die Tür ließ ich offen stehen.

In der Küche waren bereits Getränke und eine kalte Theke vorbereitet worden. Ich hatte extra einen Cateringservice bestellt, da ich es nicht schaffte, das auch noch zu erledigen und meine Mutter... lassen wir das.

Ich schnappte mir ein Glas Wein und stürzte es herunter. Mir war egal, dass ich noch keine 21 war. Und an einem Tag wie diesem interessierte das ohnehin niemanden. Alex sah mich von der Seite her besorgt an, ehe er ebenfalls ein Glas Wein in die Hand nahm und daran nippte. Ich stellte mein Leeres hin und wollte nach etwas Essbarem greifen, als Mrs. Miller zu mir kam. Sie war die Mutter von Drew, der beim Angriff auf das Camp gestorben war.

„Hallo Lilly. Es tut mir wirklich sehr Leid", sagte sie und nahm mich in den Arm.

„Danke, Mrs. Miller. Mir auch", erwiderte ich.

„Ich weiß, Liebes. Drew hat dich wirklich sehr gemocht. Es stimmt, was Ryan gesagt hat. Du bist für sie alle wie eine kleine Schwester. Ich war sehr froh, dass du auf der Beerdigung warst", sagte sie und ließ mich los.

„Er war mir immer ein guter Freund und Bruder. Ich vermisse ihn", sagte ich leise und kämpfte meine aufkommenden Tränen nieder.

„Ich auch. Ich auch", murmelte Mrs. Miller.

Hinter ihr tauchte Julia auf. Als ich sie sah, nahm ich sie in den Arm und drückte sie, soweit das möglich war, an mich.

„Danke, dass ihr gekommen seid", sagte ich leise in ihr Ohr.

„Natürlich. Wie geht es dir?", fragte sie, als ich sie wieder losließ.

„Es wird schon werden. Und euch?", fragte ich und deutete auf ihren runden Bauch.

Sie war mittlerweile im siebten Monat schwanger. Es machte mich furchtbar traurig, dass Drew niemals seine kleine Prinzessin in den Arm würde nehmen können und sie nie erfahren würde, wie sehr er sie schon liebte, als sie noch gar nicht auf der Welt war.

Ich erinnerte mich, dass er immer ein Ultraschallbild dabei gehabt hatte, seit dem Tag, an dem es das Erste gegeben hatte. Ständig hatte er von der Kleinen und ihrer Mama gesprochen. Es war so offensichtlich, dass er beide abgöttisch liebte. Ich war auf ihrer Hochzeit gewesen und eine der Ersten, die erfahren hatte, dass Julia schwanger war.

Als ich erfahren hatte, dass Drew unter den Gefallenen war, war ich sofort zu ihr gefahren, weil ich Angst hatte, dass sie das Kind verlieren könnte, wenn sie sich zu sehr aufregte. So behutsam wie möglich, hatte ich ihr erzählt, dass Drew tot war. Normalerweise machten das Angehörige des Militärs, aber ich hatte darum gebeten, es tun zu dürfen. Hätte Julia die uniformierten Männer an ihrer Tür gesehen, wäre sie vermutlich sofort zusammengebrochen.

So hatte ich neben ihr auf dem Sofa gesessen, ihre Hände gehalten und sie in den Arm genommen, als sie anfing zu weinen.

„Ich wäre bestimmt schon depressiv, wenn ich die Kleine nicht hätte. Sie hält mich am Leben", erklärte Julia und streichelte mit der Hand über ihren Bauch, ehe sie sich ächzend an den Rücken fasste.

The New MeWhere stories live. Discover now