7. Kapitel

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7. Kapitel - Miese Schauspielerei

Liebe: an jemanden zu denken, ohne nachzudenken.

- Karlheinz Deschner

Den Rest des Tages schwebte ich wie auf einer dieser albernen rosaroten Wolken, von denen man immer las. Ich erledigte meine wenigen Hausaufgaben, meine Hausarbeit und fuhr anschließend ins Fitnessstudio, um wenigstens einen Teil meiner überflüssigen Energie loszuwerden, mit der mich die heutige Begegnung zurückgelassen hatte.

„Was ist denn mit dir los?", fragte meine Mum, als ich gerade den Müll raus bringen wollte.

„Nichts. Ich hatte einfach einen guten Tag."

Dazu sagte sie nichts, aber ich sah, dass sie sich ihren Teil dachte. Mich störte das nicht. Ich warf das Papier in die Tonne und fuhr dann zum Fitnessstudio. Dort machte ich ein, zwei Stunden „Auspower"-Programm, wonach ich mich sogar noch besser fühlte als zuvor. Zwar waren meine Muskeln und Knochen müde, aber es gab mir eine seltsame Art von Hochgefühl. Ich duschte und machte noch einen Spaziergang durch den nahe gelegenen Park, ehe ich nach Hause fuhr.

Nach dem Abendessen machte sich dann aber doch die Müdigkeit bemerkbar und ich fiel wie tot in mein Bett.

Der Rest der Woche verging wie im Flug. Kyle sah ich nicht wieder. Womöglich hatte ich ihn doch vergrault. Oder, sagte die Vernunft in mir, er hat auch ein Leben und lediglich keine Zeit vorbei zu kommen. Außerdem lief man sich in einer Stadt wie L.A. nicht unbedingt ständig über den Weg.

Am Wochenende wollte Hanna mich dazu überreden, wieder mit ihr feiern zu gehen. Ich lehnte ab. An jedem zweiten Samstag im Monat, chattete ich über Video mit meinem Bruder. Eigentlich waren meine Eltern dann auch häufig dabei, aber sie mussten zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung der Veteranen.

Und am Sonntag wollte ich eher ungern weggehen. Ich konnte nicht noch einmal so kaputt in die Schule gehen, wie ich es am Dienstag getan hatte. Denn alkoholfrei hin oder her, ich hätte zu gerne selbst ein Schläfchen auf dem Tisch gemacht. Also ging Hanna mit ihrem Freund Nick, mit dem sie bereits eine gefühlte halbe Ewigkeit zusammen war, feiern, meine Eltern verließen in eleganter Abendgarderobe das Haus und ich saß alleine vor meinem Laptop im Wohnzimmer und wartete darauf, dass mein Bruder sich meldete.

Da das vor elf ohnehin nicht der Fall sein würde, machte in den Fernseher an, schaltete auf CW, schmierte mir ein Marmeladenbrot und machte es mir auf dem Sofa bequem. So ließ sich ein Samstagabend auch verbringen. Ich verputzte gerade den letzten Happen, als es an der Tür klingelte. Bestimmt unser Nachbar. Ihm lief ständig seine Katze weg und natürlich direkt in unseren Garten. Einmal hatte ich sie tatsächlich im Keller gefunden. Unser Haus war eines der wenigen in der Stadt, die so etwas besaßen. Ich wollte gerade Wäsche waschen, als ich ein Geräusch hörte. Ich hab mir fast in die Hosen gemacht, weil ich kurz zuvor ‚Paranormal Activity Tokyo-night' geschaut hatte. Zum Glück war es dann doch nur die fette Katze. Besonders erfreut über diese Begegnung war jedoch keiner von uns. Das blöde Vieh fauchte mich an und zerkratzte mir beide Arme, ehe ich es schaffte, sie ihrem Besitzer zurück zu bringen.

Ich leckte mir im Gehen die Finger ab und öffnete die Tür.

„Wer hätte gedacht, dass du selbst in Jogginghose und Top gut aussiehst."

Ach du Schande! Kyle! Ausgerechnet dann, wenn ich in meinen gammligen Klamotten durchs Haus lief. Aber woher sollte ich denn auch wissen, dass er ausgerechnet jetzt und zu solch unchristlicher Zeit hier auftauchen würde?

Ich schluckte. Okay. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren. Man kann auch in solchen Klamotten gut aussehen. Einfach cool bleiben.

„Überrascht dich das wirklich?", fragte ich betont lässig.

The New MeWhere stories live. Discover now