33. Kapitel

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Im Speisesaal stelle ich mich einfach in die hinterste Ecke, in die Nähe eines Fensters. So kann ich rausschauen, wenn es mir doch zu langweilig werden sollte. Gerade stellen sich alle Freiwilligen in einer Reihe auf und die anderen setzen sich auf den Fußboden davor. Mark steht vor den Freiwilligen und meint: «Wir haben das jetzt schon besprochen. Es werden fünf Leute ausgewählt werden, die Fiona begleiten dürfen. Ihr hattet jetzt genügend Zeit um euch Leute zu überlegen und dann zu einigen. Die ersten vier Leute müssen eindeutig sein, bei dem fünften darf es eine Abstimmung geben. Falls nicht eine eindeutige Wahl aufgestellt wurde. Habt ihr alles verstanden?» Alle nicken und Mark stellt sich neben Tobias in die Reihe. Anscheinend will er mich auch begleiten. Ich hatte das gar nicht mitbekommen, da sich meine Gedanken nur um Tobias gedreht haben. «Dann sucht aus», grinst Marya in die Runde. Daraufhin gehen nacheinander vier Hände hoch. Es werden Namen reingerufen, wovon ich zwei nicht kenne. Die anderen sind: Mark und Marya. Ich balle meine Hände zu Fäusten. Warum sie? Sie ist ein Mädchen und wird damit auch die schwächste sein. Für mich stand sie deswegen der Logik nach am wenigsten zur Auswahl. Marya strahlt förmlich. Selbst als sie meinen Blick bemerkt, verblasst ihr Lächeln nicht. Stattdessen zuckt sie nur mit ihren Schultern.

Die vier treten vor, während eine Freundin von Marya das Wort ergreift: «Bei den anderen beiden waren wir uns nicht mehr so sicher. Eigentlich müsste die eine Antwort klar sein, aber durch das was heute passiert ist, ist unsere Entscheidung ins Wanken geraten. Zur Auswahl stehen Tobias und Rick.»
«Was für ein Vorfall?», mischt sich Rick ein. Ich bemerke wie Tobias und Mark Blicke austauschen.
«Nun ja... Fiona und Tobias hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit», erklärt Mark dann ausweichend. Ich verdrehe nur die Augen, um mir meine Anspannung nicht anmerken zu lassen. Diese verstärkt sich noch mehr, als Mark folgendes sagt: «Dann müssen wir jetzt abstimmen. Es zählen alle Stimmen, außer Fiona. Zum einen wollte sie, dass wir entscheiden. Des Weiteren wäre sie wahrscheinlich jetzt voreingenommen und zum anderen sind wir so eine ungerade Anzahl. Damit kann es kein Unentschieden geben. Jeder nimmt also einen dieser Zettel und schreibt jeweils den Namen drauf.»
«Ich werde mich vorerst enthalten», meint Marya noch. Niemand fragt warum, aber wahrscheinlich wissen sie es auch. Marya ist diejenige, die im Zweifelsfall entscheiden muss.

Ich schaue während der ‚Wahl' aus dem Fenster und schalte ab. Draußen ist es ziemlich ruhig. Aber sagt man nicht auch immer: Nach der Ruhe kommt der Sturm? So scheint es auch jetzt gerade zu sein. Ich vertiefe mich in dieser Ruhe. Schrecke erst auf, als mir jemand auf die Schulter tippt. Es ist Marya. «Sie zählen gerade die letzten Stimmen aus», informiert sie mich. Dann geht sie wieder zurück. Mark hat anscheinend den letzten Zettel in der Hand und schaut auf. Er seufzt kurz und sagt dann: «Es tut mir leid das zu sagen, aber für beide wurden genau gleichviele Stimmen abgegeben. Marya deine Stimme zählt nun also...»
Die Angesprochene schaut erst Tobias und dann mich an. Ich sehe Entschlossenheit, aber auch Reue in ihren Augen aufblitzen. «Es tut mir Leid, Fio. Aber ich stimme für Tobias.» Ich habe das Gefühl, jemand würde mir den Boden unter den Füßen wegziehen. Gerade sie sollte doch wissen, dass ich ihn nicht dabei haben wollte. «Warum?», bringe ich leise hervor.
«Ob du es mir glaubst oder nicht... Es ist das Beste für dich. Besonders nachdem was du mir erzählt hast.» Ich schaue sie wütend an, aber es wird nichts an der Sache ändern. Leider. Es ist nun beschlossene Sache. Deswegen gehe ich zu meinen Sachen, die sich wie von selbst einpacken. Irgendwie scheinen sie zu mir zu fliegen. Oder ich bilde es mir nur ein. Als ich fertig bin, nehme ich meinen Rucksack und schultere ihn. «Gut, packt eure Sachen. Wenn ich wiederkomme brechen wir sofort auf.» Mit diesen Worten gehe ich zur Tür. «Was ist mit Schlafen? Wie machen wir das?», fragt Marya noch bevor ich aus dem Raum bin. Ich stoppe direkt an der Tür, sage ohne mich umzudrehen: «Macht ihr das unter euch aus.» Dann bin ich aus dem Raum verschwunden.

Ich gehe den Flur entlang und versuche einen Weg nach oben zu finden. Ich möchte unbedingt aufs Dach. Das Problem dabei ist leider, dass die Hälfte des Hauses eingestürzt ist. Deswegen fange ich an die Wände abzutasten. Gerade als ich aufgeben will, spüre ich eine kleine Erhebung unter der Tapete, die jedoch in der Mitte wieder abgesenkt ist. Doch ich kann nichts betätigen, weswegen ich versuche die Tapete drum herum zu entfernen. Darunter kommt eine kleine Einbuchtung zum Vorschein. Es scheint als würde etwas fehlen. Wie bei einem Hebellichtschalter, welcher im Laufe der Zeit verloren gegangen ist.
In der Mitte der Einbuchtung kann man noch eine kleine Einkerbung in Form eines Striches erkennen. Deswegen nehme ich aus meinem Rucksack eine Haarspange von mir und setze diese dann in die Einkerbung. Doch reindrücken kann ich sie nicht. Also versuche ich meine Konstellation zu drehen. Als ich das mache ertönt ein leises klicken und rattern aus der Wand. Dann schwingt ein Stück der Wand zur Seite und gibt den Blick auf eine Wendeltreppe frei. Zum einen führt sie nach unten, aber auch nach oben.

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWhere stories live. Discover now