14. Kapitel

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Obwohl das Shoppingcenter über zwei Etagen erstreckt ist, so ist es nicht wirklich groß. Es besteht lediglich aus einem großen Lebensmittelmarkt, einem Friseur und leider nur aus zwei kleinen Kleidungsgeschäften.
Unser erster Schritt ist es, ein paar Getränke und Konserven zu holen, damit wir über die nächsten Wochen kommen. Das Essen wird nämlich immer knapper, da die Menschen, in deren Häuser wir uns verstecken, zum Großteil nur leicht verderbliche Lebensmittel im Haus hatten. Natürlich haben wir alle verfügbaren Konservendosen mitgenommen, aber auch dieser Vorrat neigt sich immer weiter dem Ende zu. Mit Wasser haben wir bis jetzt eigentlich kein Problem, aber man weiß ja nie. Außerdem ist es praktischer, wenn man eine Trinkflasche mithat, aus der man unterwegs trinken kann.
Wir nehmen uns also einen Einkaufswagen und steuern auf den Supermarkt zu, wo wir zunächst in die Konservenabteilung gehen. Dort laden wir so viele wie möglich ein und gehen dann weiter zu den Getränken, wo wir vier Sixpacks Wasserflaschen einpacken.
Als wir den Laden wieder verlassen, ist der Wagen ziemlich gut gefüllt, bietet aber dennoch noch genug Platz für unsere beiden Rucksäcke, die wir auch abgelegt haben. Wir beide schauen auf den Wagen und das Rollband, welches in die zweite Etage führt. Einig beschließen wir ohne Wagen nach oben, zu den beiden Kleidungsgeschäften, zu gehen, damit wir nicht die zusätzliche Anstrengung auf uns nehmen müssen, den schweren Einkaufswagen nach oben zu schieben.

Der erste Laden ist ein pures Männergeschäft, in dem wir nach warmen Sachen suchen. Mit bedauern müssen wir aber feststellen, dass immer noch die Sommermode im Mittelpunkt steht. Eigentlich kein Wunder, bei den warmen Temperaturen die wir hatten, bevor wir geflohen sind. Leider ist es jetzt nur sehr schnell immer kälter geworden und der Übergang zum Winter ist eingeläutet. Deswegen gibt es nur sehr wenig warme Sachen, aber wenig ist besser als nichts. Deswegen freuen wir uns trotzdem, als vier Kleidungsteile in unseren Besitz wandern.
Dann gehen wir in das nächste Geschäft, wo wir ebenfalls als erstes in der Männerabteilung nachschauen. Nachdem wir auch da noch einige Teile ergattern konnten, geht es weiter zu den Frauen. Wir schauen nach warmen Jacken, Mänteln oder Pullovern, haben jedoch nur mangelnden Erfolg.
Nur sechs weitere Mäntel wandern in unseren Besitz, sowie fünf Strickjacken und ein Pullover. Leider sind diese, verglichen mit den  Mänteln nicht besonders dick, weswegen sie auch keinen besonderen Schutz vor großer Kälte bieten werden. Auch nach Mützen und Schals schauen wir uns um, finden außer einen Schal jedoch nichts.

Während der ganzen Suchaktion, reden Tobias und ich nicht. Um genauer zu sein, versuche ich ihn zu ignorieren und nur das nötigste auf seine Fragen zu antworten. Auch er scheint davon Notiz zu nehmen, geht aber zunächst nicht weiter darauf ein.

Wir holen den Einkaufswagen und laden unseren Kleiderberg ab. Dann setzen wir uns in Bewegung Richtung Ausgang. Uns ist bewusst, dass der Wagen ein großes Hindernis darstellt, aber uns bleibt auch nichts anders übrig, denn tragen können wir die Sachen nicht. Kurz vor dem Ausgang bleibt Tobias jedoch stehen, weswegen ich indirekt auch dazu gezwungen werde.
Ich schaue zur Seite, ihm also nicht ins Gesicht, als ich frage was los ist. «Ich wollte mich bei dir entschuldigen», flüstert er fast kaum hörbar, weswegen ich ihn jetzt doch anschaue. Sofort suchen seine Augen meine. «Warum?», frage ich verwirrt. «Ich hätte dir bei Marya zur Seite stehen müssen. Was sie zu dir gesagt hat, ist meiner Meinung nach falsch und sie hat kein Recht dazu solche Sachen zu sagen. Schließlich kennt sie dich nicht wirklich. Niemand tut das. Deswegen sollten wir auch nicht über dich urteilen», erklärt er. Ich verziehe leicht mein Gesicht. «Schön und gut, aber damit werde ich schon fertig. Ich weiß ja warum ich so bin.» Er zuckt mit den Schultern. «Kann sehr gut sein, aber ich habe trotzdem mit Marya geredet. Ich habe ihr gesagt, dass ich ihre Worte und ihr Verhalten nicht richtig finde.» «Deswegen warst du also vorhin bei dem Gespräch auch so aufgebracht! Warte. Lass mich raten... Sie hat die Theorie von mir als Hure nicht losgelassen und hat sogar versucht dich davon zu überzeugen, oder?»
Er antwortet nicht, aber ich sehe es in seinem Blick. Ich habe Recht. «Dann lass sie! Meinetwegen, soll sie mich als Flittchen bezeichnen! Aber ich möchte, dass du dich da heraushältst! Verstanden?» Er will gerade aufgebracht zu irgendeiner Erwiderung ansetzen, als ich ihn unterbreche:«Es ist meine Angelegenheit und ich kann mich selber um sie kümmern.» Meine davor aufgebrachte Stimme klingt nun wieder ruhig. Und endlich! Tobias nickt und wir setzen unseren Weg wieder schweigend fort.

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWhere stories live. Discover now