16. Kapitel

290 18 0
                                    

Wie funktioniert dieses System, mit dem ich hier lande, eigentlich? Kann man das steuern?, frage ich mich noch. Dann lande ich wieder in diesem schwarzen Raum und sinke in meine Träume zurück.
~~~~~

Dara liegt in einem Krankenhausbett vor mir. Sie lächelt mich an und wir reden ganz normal miteinander, über ganz normale, alltägliche Dinge. «Du bist so mutig Fiona, auf dich-» Doch auf einmal bricht sie mitten im Satz ab und fängt an zu zucken. Es wird schlimmer und schlimmer. Sie wirft sich im Bett hin und her und weißer Schaum quellt aus ihrem Mund. Ich schreie nach Hilfe, aber niemand kommt und ich kann nichts für sie tun. Plötzlich wird es still um mich herum. Ihr Zucken hört auf und alle Züge sind aus Daras Gesicht verschwunden. Sie starrt mit offenen Augen die Decke an und ihre Brust hebt und senkt sich nicht mehr. «Tot», krächzt neben mir ein schwarzer großer Rabe. Ich zucke aus Schreck zusammen und schaue ihm eine Weile in die Augen. Er wiederholt das Wort ein paar Mal, aber es kommt nicht mehr bei mir an. Als ich mich jedoch wieder zu Dara wende, ist sie nicht mehr da.
Generell hat sich die Szene gewandelt. Ich bin wieder auf dieser Straße. Tobias liegt vor mir, um ihn herum ist überall Blut. Ich krieche auf ihn zu. Seine grünen Augen liegen die ganze Zeit auf mir und verfolgen meine Bewegungen. Ich knie mich zu ihm, als ich auf einmal eine bekannt Stimme hinter mir höre: «Na? Du brauchst dir keine Hoffnungen machen. Sterben wird er so oder so.» Dann lacht er auf.
Obwohl ich die Person kenne, kann ich die Stimme nicht genau einordnen. Zwar interessiert mich, wer hinter mir steht, doch ich drehe mich nicht um. Meine Sorge um Tobias ist einfach zu groß. Ich kann die Ursache für die Blutung einfach nicht ausmachen und er verliert immer mehr davon. Jetzt tritt jemand hinter mich und legt dann einen Arm um meinen Bauch. Da ich mittlerweile weine, bebt mein ganzer Körper und wird von Krämpfen durchzogen. Tobias greift nach meiner Hand. Dieses eine Mal mache ich eine Ausnahme und ziehe meine nicht weg. Warum sollte ich auch? Weinte ich nicht sogar gerade um ihn? Der Arm, der mich umschlossen hatte, zieht mich hoch und weg, weg von Tobias. Dieser hat keine Kraft mehr, seine Hand gleitet nach unten und fällt vor mir auf den Boden. Ich versuche mich gegen die Person hinter mir zu wehren und wieder zu Tobias zu gelangen, aber mittlerweile hält sie mich mit beiden Armen fest umschlossen. Ich hab keine Chance.
Es ist ein Junge, ohne Zweifel. Die Statur verrät es mir. Jetzt kommt er um mich herum und versperrt mir so die Sicht auf Tobias, hält aber weiterhin meine Arme fest. Weitere Tränen lösen sich aus meinen Augen. Als ich dann jedoch meinen Blick hebe, erstarre ich. Es ist schrecklich. Ich versuchte meinen Ängsten zu entkommen, aber anscheinend halten sie mich fest umschlossen. «Na Süße, kennst du mich noch?», fragt er mich. Und jetzt als ich die Stimme höre und gleichzeitig das Gesicht sehe, fällt mir alles wieder ein. Es ist einer dieser Namen, die ich nie wieder vergessen werde, obwohl ich unbedingt möchte. Es ist so viel Schreckliches passiert und ER ist ein Grund für meine Ängste. Ein Grund warum ich jetzt SO zu den anderen bin. «Drake», flüstere ich und versuche mich gleichzeitig aus seinem Griff zu befreien. Doch nichts funktioniert.
«Ach komm schon, wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen. Wie wär's, wollen wir uns ein bisschen unterhalten?» Kein einziges Wort kommt aus meinem Mund. Es geht einfach nicht. Also schüttele ich einfach meinen Kopf. «Was ist mit dir los? Freust du dich nicht mich zu sehen?» Ich weine immer noch und kann an nichts anderes als meine Ängste und Tobias zu denken. Ich versuche einen Blick auf Tobias zu erhaschen, aber Drake hat sich gekonnt in den Weg gestellt, sodass ich ihn nicht sehen kann. Drake lässt mich mit einer Hand los, weswegen ich die Chance nutzen und mich von ihm befreien will. Zunächst gelingt mir das auch,  aber er hat mich blitzschnell wieder eingefangen. Dann schlägt er mich dreimal hintereinander mit der Faust in mein Gesicht. Ich stürze und bleibe einfach liegen. Mittlerweile zittere ich immer mehr. Das letzte was ich von Drake noch höre ist: «Das hast du jetzt davon.» Dann tritt er mir mehrmals in die Rippen. Den Schmerz nehme ich hin, denn er lässt mich zum ersten Mal den anderen vergessen.
Ich höre wie sich Drake abwendet und geht. Langsam versuche ich mich aufzurichten, doch meine Rippen tun stärker weh als ich gedacht hätte, weswegen ich liegen bleiben muss. Also krieche ich förmlich zu Tobias hin. Er liegt immer noch genauso da wie vorher. «Tobias», mehr sage ich nicht. Mehr kann ich nicht sagen. Mittlerweile ist seine Haut so weiß wie Porzellan. Überall um ihn herum ist Blut in einer großen Pfütze verteilt. Doch als er meine Stimme hört, öffnet er trotz allem die Augen. Das Grün nimmt mich wieder gefangen, aber gleichzeitig kommen mir noch mehr Tränen. Wie kann er mir das jetzt antun? Nicht jetzt! Alles ist meine Schuld! Wenn ich mich bewegt hätte, wäre er nicht angeschossen worden. Dann würde er jetzt nicht hier liegen. Vor mir, im Sterben. All diese Gedanken schwirren in meinem Kopf.  Er öffnet kurz den Mund und meint dann: «Hey, nicht weinen. Mir geht es gut.» Seine Stimme klingt gepresst. «Du darfst nicht sterben! Nicht jetzt!», schreie ich ihn schon fast an. Er lächelt. Dann setzt er sich etwas auf. Doch weit kommt er nicht, am Ende bricht er ganz zusammen und rührt sich gar nicht mehr. Nein! Mehr kann ich nicht denken. Ich sitze einfach nur da. Kein anderes Bild, außer dem von Tobias, sehe ich vor meinen Augen. Wieder kommen mir die Tränen. Ich spüre wie mich jemand ganz leicht schüttelt. Als ich mich allerdings umdrehe, ist da niemand. Was war los? Hatte ich jetzt schon Halluzinationen? Im nächsten Moment wird wieder alles um mich herum schwarz.
~~~~
An mir wird immer noch ganz sanft gerüttelt. Also öffne ich die Augen und setzte mich gerade hin. Vor mir sitzt Tobias und schaut mich beunruhigt an. «Ist alles in Ordnung?», fragt er mich. Ich verstehe es nicht. Wo war ich, was war los? Der Junge liegt vor mir in einem Bett und ich sitze in einem Stuhl daneben. Erst jetzt dämmert es mir langsam.
Richtig! Er wurde angeschossen. Ich habe ihn zusammen mit ein paar Anderen hierhergetragen. Dann habe ich mich allerdings neben ihn gesetzt und bin wahrscheinlich eingeschlafen. Also war mal wieder alles ein Traum. Ein Albtraum.

Das Mädchen mit den EngelsflügelnKde žijí příběhy. Začni objevovat