8. Kapitel Teil 2

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Eine dunkle Gestalt steht an der Ecke des gegenüberliegenden Hauses und schaut genau in unsere Richtung. Sofort verstecke ich mich hinter der schützenden Mauer und versuche von der Tür wegzurutschen, was aber durch Tobias verhindert wird. Deswegen versteife ich mich noch mehr und meine Muskeln möchten sich jetzt gar nicht mehr bewegen. Ohne zu fragen, geht Tobias vorsichtig zu den anderen und mir bleibt nichts anderes übrig als ihm nachzuschauen. Wie gelähmt sitze ich da. Während Tobias die Situation erläutert, deutet er auf mich und dann nach draußen. Er hat die Gestalt ebenfalls gesehen.

Jetzt suchen alle ihre Sachen zusammen und machen sich auf den Weg zum Geheimgang. Auch ich kann endlich aufstehen und folge den anderen langsam. Mit einem Blick über die Schulter will ich mich in Sicherheit wiegen, stattdessen quillt in mir Panik auf. Der, jetzt durch das Fenster zu erkennende, Mann kommt direkt auf das Haus zu. Hinter ihm mache ich schemenhaft mehrere Leute aus. Wir sind also wirklich in Gefahr. Meinen Rucksack habe ich zum Glück noch auf. Nun eile ich den anderen hinterher. Die Tür wird aufgestoßen, als ich gerade im Geheimgang verschwinde. Schnell eilen wir weiter. Auch die anderen haben den Knall, nachdem die Tür aufgestoßen wurde, gehört. Wir rennen. Auf einmal schreit eine Stimme, ein ganzes Stück hinter uns: «Stehen bleiben! Oder wir sprengen diesen Tunnel in die Luft!» Einige von uns zögern, doch als ich nach hinten rufe: «Ob wir stehen bleiben oder nicht, es kommt immer aufs selbe hinaus. Wir sind tot», rennen sie weiter.
Der Mann hinter uns flucht. Dann rennt er uns hinterher. Seine Meute folgt ihm auf Schritt und Tritt. Ich renne an die Spitze von unserer Gruppe und folge meiner inneren Karte im Kopf. Selbst Tobias scheint nicht mehr mitzukommen. Doch obwohl niemand weiß wohin wir rennen, fragt niemand danach. Sie scheinen mir zu vertrauen, dass ich sie in Sicherheit bringen werde. Die Schritte hinter uns werden leiser bis sie ganz verstummen. Als Tobias fragt, ob jemand eine Pause machen will, möchte niemand. Zu groß ist die Angst, dass sie uns doch noch auf den Fersen sind.

Also joggen wir nur etwas langsamer immer weiter durch das Labyrinth aus Mauern und Ausgängen. Plötzlich explodiert hinter mir etwas und ein Schrei zerreißt die, neben schweren Atmen zu hörende, Stille. Sofort drehe ich mich um und laufe ans Ende unserer Gruppe, während die anderen sich nur umdrehen. Das Mädchen, deren Idee ich im Kaufhaus ausgeführt habe, liegt am Boden. Ihr eines Bein blutet. Doch nicht nur sie ist am Boden, auch ein Mädchen neben ihr. Bei ihr sind es die Hände, die verletzt sind. Ich knie mich neben sie. Als erstes schaue ich mir das verletzte Bein an. Laufen wird für das Mädchen schier unmöglich sein. Dem anderen geht es soweit gut. Es sind nur ein paar Schürfwunden an den Handflächen. Aus meinem Rucksack hole ich eine von meinen Wasserflaschen und reinige leicht die Wunde, wobei sie das Gesicht verzieht. Dann packe ich den Verbandskasten aus, den ich als Vorsorge mitgenommen habe, und verbinde ihre Hände. Jetzt sind ihre Verletzungen kein Thema mehr, stattdessen wendet sie sich ihrer Freundin zu und schreit: «Melissa, Melissa!» Doch Melissa regt sich nicht, was in mir alle Alarmglocken schrillen lässt. Deswegen beuge ich mich nur über sie und lausche auf ihren Atem. Sie scheint zum Glück nur vor Schmerz in Ohnmacht gefallen sein oder nur unter unter Schock zu stehen.

Wieder sind Schritte hinter uns zu hören. Zwar sind die Soldaten noch weit entfernt, aber sie kommen stetig näher. Anscheinend haben sie die Explosion und den Schrei gehört und wissen nun in welche Richtung sie gehen müssen. Ich stehe auf und weise einen Jungen an, Melissa zu tragen. Wir müssen  dringend weiter und einen Ausgang finden. Als wir an an einer Weggabelung ankommen, zweigen drei Wege ab, weswegen ich meinen Platz neben Melissa verlasse und vor gehe. Ohne weitere Worte laufe ich rechts entlang, die nächste Kreuzung links und dann geradeaus. Als letztes biegen wir noch einmal rechts ab.
Nach ein paar Schritten drehe ich mich nach links, öffne die vor mir liegende Tür und halte ich sie auf. Alle laufen ohne weitere Einwände hindurch. Als letztes gehe ich hindurch und schließe die Tür wieder hinter mir. Dann führe ich die ganze Truppe noch mehrere Stöcke nach oben. Wobei ich dem Jungen, Melissa abnehme und sie Huckepack trage. Der Junge bleibt neben mir und als ich einmal über eine Treppenstufe stolpere, fängt er mich gekonnt auf.

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWhere stories live. Discover now