10. Kapitel

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Ich sehe Tobias vor mir, wie er sich mit mir über Zeichen verständigt. Plötzlich steht hinter ihm der Anführer der Soldaten. Ich schreie ihm zu er solle sich umdrehen. Aber als er meinen Worten folgt, ist es schon zu spät. Mit einem Ruck bricht er Tobias Genick. Ich renne zu ihm hin, rüttle an seinem Körper. Doch er reagiert nicht. Ich fühle seinen Puls. Nichts. Er ist tot. Seine leeren grünen Augen verfolgen mich und lassen mich nicht mehr los. Es ist nicht mehr das lebensfrohe Apfelgrün, sondern ein fast verblasstes dunkelgrün, was mich an ein vertrocknendes Nadelblatt erinnert.  Diese Veränderung macht seinen Tod nur allzu bewusst und lässt mich weinend neben ihn zusammenkauern.

Durch einen vermeintlichen Schrei schrecke ich aus meinen Schlaf. Zunächst weiß ich nicht wo ich bin und suche den dunklen Raum nach Tobias ab. Erst nach einer Weile wird mir bewusst, dass er gar nicht hier sein kann. Das er lebt und ich gefangen genommen wurde. Das er in Sicherheit ist und ich in Gefahr. Doch nachdem mir das bewusst geworden ist, konzentriere ich mich auf meine Situation.
Meine Arme kann ich nicht mehr bewegen, da diese hinter meinen Rücken an den Stuhl gebunden sind, auf dem ich sitze. Der Raum, in dem ich festgehalten werde, ist nur schemenhaft zu erkennen. Keine Lampe spendet Licht, weswegen ich mich nur auf die Stäbchen verlassen kann. Der Raum wirkt relativ klein, aber das kann natürlich auch täuschen. Schließlich weiß ich nicht, wie weit sich der Raum noch hinter mir erstreckt.

Plötzlich geht das Licht an. Ich muss mehrmals blinzeln, bis ich endlich wieder etwas erkennen kann. Die Glühbirne über mir spendet gerade mal so viel Licht, dass es wirkt als würde mich eine Art Ring umgeben. Doch auch dahinter kann ich zwei Soldaten sehen, nur ihr Gesicht bleibt im verborgenen. Als dann endlich jemand ins Licht tritt, ist es keiner der Soldaten die mich geschnappt haben. Stattdessen ist es ein neues Gesicht, welches mir entgegenblickt. Es wirkt grimmig und Falten ziehen sich um Mund und Stirn. Seine Augen sind kalt und berechnend, während er mich lange mustert. Der Mann muss von einem hohen Rang sein, denn als er mich anspricht ist seine Stimme autoritär und lässt keinen Widerspruch zu: «Wenn ich dir jetzt die Fragen stelle, wirst du alle ehrlich beantworten. Hast du mich verstanden, Kleine?» Unfähig ein Wort heraus zu bringen, nicke ich nur mit dem Kopf.

Auch der andere Soldat tritt nun ins Licht und baut sich über mir auf. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das der Anführer der Soldaten ist, die uns im Bürogebäude gefunden haben. Jetzt kann ich ihm auch endlich ins Gesicht sehen. Doch es ist nichts außer Hass und Häme in seinem Gesicht zu sehen, weswegen ich schnell wieder zur Seite schaue. Davor fällt mir jedoch auf, dass er einen sicheren Abstand zum ersten Soldaten hält und weiterhin ein Stück hinter ihm steht. Sehr wahrscheinlich ist sein Rang niedriger als der des anderen Soldaten.

«Gut. Fangen wir mit einer einfachen Frage an. Wie lautet dein Name?», fährt der Ranghöhere fort. Eine, mir fremde, tiefe und nicht mir gehörende, Stimme in meinem Kopf weißt mich an: «Lüge sie an!» «Ich heiße Akaya», antworte ich. «Und weiter?» «Ich habe keinen Nachnamen beziehungsweise hat man ihn mir nie gesagt.» Ich mache eine kurze Pause. «Ich bin im Heim aufgewachsen», füge ich dann leiser hinzu.

Ein Lächeln umspielt die Lippen des Mannes. «Ich habe gedacht Informationen aus dir rauszubekommen wäre schwer!» Das hat er sogar ausnahmsweise richtig gedacht. Aber natürlich kann er in dem Moment nicht wissen, dass ich ihn schon bei den ersten Fragen angelogen habe.
«Was haben Sie jetzt mit mir vor?», frage ich möglichst eingeschüchtert. «Mein Boss will wissen, wo sich die anderen Versteckt halten. Du wirst uns das bestimmt verraten, oder?» Seine schneidende Stimme verpasst mir Gänsehaut und ich weiß instinktiv, dass er ein Nein nicht akzeptieren wird. «Ich weiß nicht wovon sie reden. Ich bin allein unterwegs, schon von Anfang an.» Seine harte Miene verzieht sich zu einem boshaften Lächeln. «Du lügst.» Ich schüttle meinen Kopf. «Nein, nein. Ich erzähle die Wahrheit! Ich habe mich schon vor Wochen von ihnen getrennt. Sie müssen-»
Das Lachen des anderen Soldaten unterbricht mich, während der Erste weiter fortfährt: «Wieder eine Lüge. Du hast gefragt, was wir jetzt mit dir vorhaben. Ich kann dir sagen, dass es das Beste für dich wäre, zu reden. Wir dürfen alles mit dir machen, um Informationen aus dir herauszubekommen. Wirklich alles!» Er lacht kurz auf. Dann, blitzschnell, holt er aus und schlägt mich mit seiner Faust, sodass mein Kopf nach rechts fliegt und eine linke, pochende Wange zurückbleibt.
«Also nochmal! Wo befinden sich die anderen?» «Ich weiß es nicht!» Noch ein Schlag und dann noch einer. «Sag es mir!», seine Stimme wird etwas lauter, aber noch schreit er nicht. Dennoch zieht sich in mir alles zusammen und meine Augen weiten sich vor Angst. Ich bezweifle keine Sekunde, dass er jegliche Folter anwenden würde, um aus mir etwas herauszubekommen.

Das Mädchen mit den Engelsflügelnजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें