28. Kapitel

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PoV Tobias

«Bring mich bitte hier raus!», ist das letzte was sie sagt, bevor sie in Ohnmacht fällt. Zuvor hat sie sich vor Schmerzen zusammengekrümmt. Jedes Mal wenn so etwas passiert, zerreißt es mir mein Herz. Ich kann sie einfach nicht leiden sehen.

Doch jetzt in diesem Augenblick, sieht sie so friedlich aus. So sanft. Es ist, als könnte nichts auf dieser Welt ihr etwas anhaben. Auch wenn ich seit kurzem weiß, dass das nicht der Wahrheit entspricht. Doch darüber will ich mir keine weiteren Gedanken machen. Ich weiß, dass sie mir bei weitem noch nicht alles erzählt hat. Wahrscheinlich ist der mir fehlende Teil noch viel schlimmer, als ich es mir ausmalen kann. Schließlich war es etwas, was sie stark geprägt haben muss. Mist! Jetzt habe ich doch darüber nachgedacht!

Doch eigentlich ist da noch etwas ganz anderes, was mir Sorgen bereitet. Es ist ihr Zeichen, welches angefangen hat zu leuchten. Ich glaube, selbst sie konnte das nicht beeinflussen. Außerdem schien es nicht so, als wäre es schon mal dazu gekommen.
Ich schüttle meinen Kopf und schiebe gleichzeitig alle Gedanken zu diesem Thema beiseite. Dann hebe ich sie hoch. Gerade als ich gehen will, fängt ihr Körper an zu beben. Es ist, als würde eine einzige Energiewelle durch sie hindurchfahren, welch auf beiden Seiten startet. Sie wandert gleichzeitig von ihren Zehen und ihren Kopf startend, weiter zu ihrer Körpermitte. Als diese beiden Energiewellen meine Hände erreichen, zucke ich vor Schmerz zusammen und lasse Fiona fallen.

Doch sie fällt nicht! Stattdessen schwebt sie und steigt sogar noch ein Stückchen höher, bis sie irgendwann ganz ruhig in der Luft liegen bleibt. Es ist, als würde sie in einem Bett liegen. Am Anfang liegt sie ruhig, dann fängt ihr Körper wieder an zu beben. Doch anstatt wieder nach unten zu fallen, wie ich es vermutet hätte, bildet sich eine Art Blase um Fionas Körper. Es wirkt als wäre ich in einem Traum gefangen und nichts ist echt. Auch den anderen scheint es so zu gehen. Ich setze mich langsam wieder hin, kann aber meinen Blick einfach nicht von Fiona lösen. Das gesamte Bild, welches sich jetzt ergibt, ist perfekt. Ich versinke in dem Anblick.

Es vergeht viel Zeit. Doch wie viel genau kann ich nicht sagen. Plötzlich verändert sich etwas, das spüren die anderen und auch ich. Es ist als würde alle Energie und Luft aus dem Raum rausgesogen werden. Die Luftblase platzt und Fiona fällt. Jedoch nicht schnell wie ein Stein, sondern eher wie eine Feder. Als sie auf dem Boden ankommt, bleibt sie regungslos liegen. Vorsichtig gehe ich zu ihr und schaue ob sie einen Puls hat. Ich kann keinen finden. Auch ihre Brust hebt und senkt sich nicht. Nur mit Mühe kann ich die in mir aufsteigende Panik niederkämpfen. Stattdessen setze ich mich neben sie und lege ihren Kopf auf meinen Schoß. Ich streiche vorsichtig durch ihre Haare, welche sich unglaublich weich anfühlen, einfach um mich zu beruhigen. Auch Marya kommt zu mir. Ich brauche nichts zu sagen, denn sie scheint zu verstehen. Sie setzt sich kurzerhand neben mich und nimmt die Hand von Fiona. So bleiben wir sitzen und hoffen, dass sie bald wieder aufwacht.

~

PoV Fiona

Das erste was ich auf der Lichtung wahrnehme, ist das Tor. Doch von diesem kann ich mich dann relativ schnell wieder lösen. Dann lasse ich meinen Blick umherschweifen und nehme das intensive Grün der Bäume ringsherum war. Gleich darauf die duftenden Blumen. Am liebsten würde ich mich einfach fallen lassen und für einige Minuten liegen bleiben. Alle Eindrücke auf mich wirken lassen, wofür ich nicht allzu oft Zeit habe.

Doch mich beschäftigen zwei Fragen. In welcher Welt bin ich? Und wer wollte wegen was mit mir reden? Ich gehe noch etwas weiter auf die Lichtung, sogar näher an das Tor. Jedoch versuche ich zu diesem einen kleinen Abstand zu wahren. Als mir eine besonders stark duftende Blume ins Auge sticht, höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir: «Diese Blume, die bist du.» Ich drehe mich um und sehe wieder diese bildschöne Frau vor mir. Sie wirkt immer noch so transparent wie beim letzten Mal, aber diesmal kann ich sie mir genauer anschauen. Sie hat schwarze Haare, die ihr bis zu den Schultern gehen und ihre Augen leuchten in einem tiefen blau. Sie erinnern mich irgendwie an Wasser. Sehr, sehr tiefes Wasser. Auf ihren Lippen liegt ein weiches Lächeln.
«Was meinen Sie damit?» «Du bist diese Blume. Wunderschön, stark und für alles bereit. Eigentlich habe ich dich nur hierherbestellt, um dir zu sagen, wie stolz ich auf dich bin. Du hast endlich die Personen erkannt, denen du vertrauen kannst.» Ich lächle. Irgendwie bedeuten mir ihre Worte mehr als sie sollten. Schließlich kenne ich sie nicht. Aber es scheint, als hätte ich sie schon sehr oft gesehen und als würde ein Band uns verbinden. Vielleicht ist es, weil auch sie einmal ein Engel war, aber das glaube ich nicht wirklich. Da ich ohne Fragen zu stellen keine Antworten erwarten kann, frage ich: «Wer sind Sie überhaupt? Es scheint so, als würde ich Sie schon ewig kennen.»

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWhere stories live. Discover now