7. Kapitel

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Bis zur Mittagspause verläuft der Tag weitestgehend ereignislos. Tobias begleitet mich zur Cafeteria, wo wir uns zusammen an einen Tisch setzen. Bisher hat er die ganze Zeit geschwiegen, was er jetzt aber bricht: «Du weißt, dass ich viele Fragen an dich habe, aber ich glaube, dass du die meisten davon nicht beantworten willst. Deswegen werde ich sie dir einfach nicht stellen. Aber mir fehlt zurzeit ein Thema, worüber ich reden könnte. Deswegen eine andere Frage, die ich ehrlich beantwortet haben will: Wie geht es dir?»
Ich werfe ihm einen verwunderten Blick zu, da ich damit nicht gerechnet hätte. Doch das eigentlich schlimme ist, dass ich die Antwort auf die Frage selber nicht weiß. Also zucke ich mit den Schultern, was die ehrlichste Antwort ist, die ich geben kann. Als er mich leicht an dieser berühret, versteife ich mich sofort und er lässt mich gleich darauf wieder los.
«Ok, was ist los?» «Ich kann dir leider nicht sagen wie es mir geht, wie ich es nicht weiß. Vielleicht verdränge ich da etwas, aber wenn ja wüsste ich nicht was und es geht dich dann auch nichts an.» «Ich kann dich gut verstehen. Wenn mich jemand fragen würde, könnte ich demjenigen auch keine Antwort geben und bei dem zweiten hast du Recht. Es würde mich wirklich nichts angehen. Außerdem -», er wird von einem lauten Tuten unterbrochen.
Überall werden Fernseher aus den Wänden gefahren und angeschaltet. Auf den Bildschirmen erscheint der Schriftzug: Eilmeldung! Dann wird eine Nachrichtensprecherin eingeblendet. Sie erzählt mit leicht zitternden Stimme: «In der Verhandlung zwischen den beiden Königreichen wurde eine für Alfonso unbefriedigende Übereinkunft getroffen. Um einen Krieg zu verhindern möchte Richard seine Tochter wiederhaben. Doch da wir nicht wissen wie sie aussieht, möchte König Alfonso, dass sich alle Mädchen, im Alter von sechzehn und siebzehn, im Schloss einfinden. Um sicher zu gehen, dass auch wirklich die Tochter von Richard gefunden wird und sich alle Mädchen im Schloss einfinden, werden Soldaten losgeschickt. Sie brauchen jedoch keine Angst haben, Ihnen wird nichts getan!» Es kommen noch ein paar Ausführungen, dann endet die Eilmeldung.

Ich spüre wie ich blass werde. Es musste ja so kommen! Tobias berührt mich wieder leicht an meinem Arm. «Was ist los? Denkst du da steckt noch mehr dahinter?», fragt er mich mit leichtem Schrecken in der Stimme. Ich nicke. Da ich weiß, dass ich mich erst noch erklären muss, warte ich bis sich unsere restlich Klasse an unserem Tisch eingefunden hat, die Tobias scheinbar herangewunken hat. «Dass Richard seine Tochter will, wissen wir ja, schießlich hat er es ja als Bedingung gesetzt. Des Weiteren weiß Alfonso nicht wie die Tochter von Richard aussieht. Ich glaube, diese Information wurde absichtlich von dem anderen Königreich zurückgehalten», beginne ich meine Erklärung. «Was meinst du damit? Welche Info über ihr Aussehen, soll das sein?», fragt Marya scharf. «Ich weiß nicht genau was es ist, aber ich glaube seine Tochter ist durch irgendetwas gekennzeichnet, wodurch sie eindeutig erkennbar wird.» Es nicken alle, selbst Marya. Sie scheinen meinen Überlegungen folgen zu können. Doch eines gibt es, was sie noch nicht verstehen, nicht nachvollziehen können, da sie es noch nicht wissen. Es ist etwas, was mir die Kehle zuschnürt und ich nicht so einfach abschütteln kann. Es ist ein Gefühl, was man nicht freilassen darf, sondern bekämpfen muss. Es ist Angst. Deswegen steht meine Antwort auf die folgende Frage von Marya schnell fest. «Was sollen wir jetzt machen?»
Da sonst niemand eine Antwort darauf hat, zwinge ich mich eine zu geben: «Ich weiß nicht was ihr wollt, aber was ich machen würde. Um das klarzustellen, ihr könnt dann immer noch etwas anderes machen, da ich meinen Plan auch alleine durchziehen werde. Also, ich würde fliehen und mich dann irgendwo verstecken.» Tobias und auch viele andere schauen mich verwirrt an, weswegen das erklären muss. «Das meiste was ich euch jetzt erklären will, ist nur hypothetisch. Zuerst glaube ich, dass Warnschüsse abgegeben werden, wie zum Beispiel Bomben, die abgefeuert werden oder Minen, die vor langer Zeit vergraben werden, aktiviert. Logischerweise wird es sehr viele Tote geben und Chaos ist die Folge. Der König von Majenstenia hat sehr wahrscheinlich seine eigenen Soldaten in König Alfonsos Truppen eingeschleust, die ebenfalls nach seiner Tochter suchen und als erstes finden sollen. Wenn er sie gefunden hat, fängt Richard den Krieg an, genau wie wenn Alfonso ihm seine Tochter bringen würde. Wahrscheinlich hat er noch irgendeinen Trumpf in der Hand. So viel zu den Absichten des Königs, was mein Vorhaben nur zur Hälfte erklärt. Deswegen möchte ich euch zwei Fragen stellen. Was glaubt ihr passiert mit denjenigen die es nicht sind? Oder was passiert mich euch, wenn ihr es selbst seid?» Sie überlegen und ich lasse ihnen die Zeit. Doch ich weiß, dass sie nicht auf meine Gedanken kommen werden. Wieso und wie auch? Letztendlich fragt Tobias: «Was denkst du wird passieren?» «Sagen wir es mal so: ich glaube nicht dass alle lebendig wieder zurückkommen. Und die Gesuchte wird nie wieder kehren. Sie ist nur ein Vorwand. Mehr nicht.»

Das Mädchen mit den EngelsflügelnDonde viven las historias. Descúbrelo ahora