27. Kapitel Teil 2

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Im Speiseraum angekommen, können wir sofort einen Blick auf die Nachrichtensprecherin werfen, die riesengroß auf mehreren Fernsehern, die aus den Wänden gefahren und sich automatisch angeschalten haben, zu sehen ist. Die Frau ist blond, trägt ein Jacket und wirkt ziemlich gefasst, obwohl sie es offensichtlich nicht ist. Ich sehe, dass sie Angst hat.
Ein Freund von Mark informiert uns: «Ihr seid genau richtig. Die Meldung hat gerade erst angefangen.» Wir nicken und konzentrieren uns dann auf die Nachrichten. «... ist immer noch nicht gefunden und die Zeit läuft ab. Nun ist ihre Mithilfe umso mehr gefragt. Schon morgen möchte König Richard seine Tochter bei sich haben. Wenn sie bis dahin nicht auftaucht, könnte Krieg ausbrechen.» Die Frau stapelt ihre Blätter, um zu symbolisieren, dass ihr Bericht zu Ende ist. Doch die Übertragung bricht nicht ab. Als jemand anderes den Raum betritt und ihr ein neues Blatt gibt, scheint auch sie verwirrt zu sein. Kurz nachdem sie die Notizen überflogen hat, spricht sie weiter: «Gerade haben wir noch eine sehr wichtige Meldung bekommen, die das Aussehen des Mädchens beschreibt! Sie soll 17 Jahre alt und relativ groß... um die 1,70 Meter sein. Ihre Haar- und Augenfarbe ist braun. Des Weiteren soll sie etwas kennzeichnen, was sie eindeutig zu erkennen gibt. Durch was sie gekennzeichnet ist, ist jedoch noch nicht bekannt.  Sobald wir etwas Neues erfahren geben wir es sofort weiter. Bis dahin hoffen wir auf Ihre Mitarbeit.» Nach diesen Worten endet die Übertragung. Das Bild wird schwarz und die Fernseher fahren wieder in die Wand zurück.

Die Anderen versammeln sich, ohne ein Wort zu verlieren, in einem Halbkreis um Marya, Tobias und mich herum. Ein Junge ergreift als erstes das Wort: «Fiona hast du eine Ahnung, warum er das ausgerechnet jetzt bekannt gibt?» Auch ich habe schon darüber nachgedacht, aber eigentlich passt es genau in sein Schema. Deswegen antworte ich: «Er hätte es schon früher bekanntgegeben, wenn er es früher gewusst hätte. Ich meine auch seine Soldaten, die er losgeschickt hat um seine Tochter zu finden, wussten nicht wie sie aussieht. Durch die Nachrichten war es die einfachste Art bekannt zu geben und sie es wissen zu lassen.» Die Anderen scheinen meinen Gedanken folgen zu können, da sie es mit einem Nicken bestätigen. «Da wir nur spekulieren können, würde ich vorschlagen, dass wir uns jetzt erstmal hinlegen sollten... Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich bin ziemlich müde», meint Tobias. Sofort verstreuen sich alle und machen sich bettfertig. Wir alle sind ziemlich müde, da es mittlerweile schon Nacht ist. Tobias, Marya und ich müssen uns ziemlich lange unterhalten haben. Zweitere holt ihren Schlafsack zu unserem und legt sich mit einer Freundin von ihr dazu. Tobias hat einen Arm um meine Hüfte gelegt und zieht mich so an sich. Seine Wärme umgibt mich augenblicklich und ich schließe meine Augen. Marya und Tobias unterhalten sich leise, aber genaueres kann ich nicht verstehen, da ich schon so gut wie eingeschlafen bin.

Als ich am nächsten Morgen ziemlich früh aufwache, blicke ich sofort in Maryas blaue Augen, die mich förmlich anstrahlen. «Na gut geschlafen?», fragt sie grinsend. Ich nicke vorsichtig. «Auf jeden Fall hatte ich keinen Alptraum.» Bevor ich meine Frage, die mir schon länger auf der Zunge brennt, stelle, blicke ich zu Tobias, um sicher zu gehen, dass er wirklich noch schläft. «Warum wolltest du gestern eigentlich nicht mit Tobias reden? Du hast gesagt, dass du mir die Frage später noch beantworten willst und naja... jetzt ist später.» Ihr Lächeln wird größer, sie steht langsam auf und bedeutet mir es gleich zu tun. Ich befreie mich also vorsichtig aus Tobias' Griff und stehe ebenfalls auf. Dann folge ich Marya zu dem Zimmer, indem wir gestern schon waren. Auch wenn es zunächst komisch ist, setzen wir uns beide auf das Bett und legen uns die Bettdecke um die Schultern. Ich blicke das Mädchen neben mir nur abwartend an, was sie kurz darauf als Zeichen sieht, um zu erzählen: «Ich will etwas weiter ausholen... Ich denke es interessiert dich auch, warum ich dich nie leiden konnte, ohne dich zu kennen.» Ich nicke vorsichtig.
«Ich habe dich vom ersten Tag an beneidet. Du bist in unsere Klasse gekommen und die ganze Aufmerksamkeit lag auf dir, besonders die der Jungs. Und ich war auch irgendwie eifersüchtig, besonders weil du einfach wunderschön bist. Du hast eine perfekte Figur, weiche und reine Haut und deine Augen strahlen. Selbst nach all dem, was du erlebt hast... Naja aber die Gefühle verstärkten sich, als Tobias zu uns gestoßen ist. Er hat mir von Anfang an gefallen, aber er hat mir nie wirklich seine Aufmerksamkeit geschenkt. Diese lag eher auf dir...» Ich unterbreche sie kurz: «Weißt du, wir hätten gerne tauschen können. Ich habe ihn immer ignoriert, noch nicht einmal ein Wort mit ihm gewechselt. Deswegen verstehe ich auch nicht, warum er sich immer mit mir abgegeben hat.» «Naja ich irgendwie schon... Du wirkst ziemlich geheimnisvoll und vielleicht wollte er dich einfach näher kennenlernen. Auch ich hatte manchmal das Gefühl, aber ich habe es immer unterdrückt, weil die Abneigung dann überwogen hat. Ich habe auf jeden Fall jedes Wort, welches ich mit Tobias sprechen konnte genossen. Und schon bald habe ich irgendwie Gefühle für ihn entwickelt. Deswegen habe ich dich noch viel mehr gehasst, aber jetzt, da ich dich kenne hat sich das gewandelt. Natürlich war ich trotzdem irgendwie eifersüchtig auf dich, weil du mit ihm über seine Probleme redest. Aber genau das ist der Punkt...er hätte mir seine Sorgen nicht erzählt. Irgendwie hat er von Anfang an vertrauen zu dir aufgebaut und zu mir nur bedingt. Vielleicht liegt es daran, dass ich bekannt dafür bin, nicht alle Geheimnisse zu wahren. Aber er kennt mich eben dann doch nicht so gut, denn wichtige Sachen würde ich nicht weitersagen.... so wie dein Geheimnis. Aber, da du dein Gepäck selber trägst und mit kaum jemanden über deine Probleme redest, ist es irgendwie auch nahe liegend, dass du nichts weiter sagst. Oder es lag daran, dass ich dich nicht so gut behandelt habe. Aber das ist ja auch egal... ich merke, dass ich abschweife. Auf jeden Fall... was ich noch sagen möchte ist, dass ich mir wahrscheinlich eh eingebildet habe in Tobias verliebt zu sein. Ich finde ihn süß und heiß, aber naja... das trifft zurzeit auch auf Mark zu...» Ich lache kurz auf und frage: «Mark?!» Sie nickt eifrig und fängt an mir zu erzähle, was sie alles an ihm gut findet. Ich höre ihr lächelnd zu und nicke manchmal. Ja irgendwie verstehe ich sie auch, aber da finde ich Tobias trotzdem noch besser. Genau als ich das denke, könnte ich mich auch schon wieder schlagen... Ich frage mich, woher die Gedanken nur kommen.

Marya und ich reden noch eine Weile über Gott und die Welt. Dabei stellen wir fest, dass wir eigentlich viele Gemeinsamkeiten haben. Irgendwann beschließen wir wieder zurück zu gehen, wo wir uns umziehen und dann an unsere Schlafplätze setzen. Tobias kommt hinzu und fragt uns lächelnd, als er bemerkt, dass wir immer noch quatschen: «Über was habt ihr zwei Hübschen denn geredet?» Marya lacht kurz auf und auch ich muss schmunzeln. «Über eigentlich alles Mögliche... Wir haben ziemlich viel gemeinsam», antwortet Marya dann.

Noch bevor sie weiterreden kann, versammeln sich die Anderen um uns herum und sie verstummt. Auch Tobias sagt nichts mehr und setzt sich stattdessen neben mich. Mark, der uns dreien ziemlich genau gegenüber sitzt, fragt: «Was wollen wir heute noch so machen?»
Doch bevor noch irgendjemand etwas antworten kann, spüre ich einen leichten Schmerz in meiner Brust. Er wird langsam stärker und es kommt ein leichtes Ziehen bei meinem Herzen hinzu. Das Ziehen und der Schmerzen breiten sich immer weiter aus. Über meine Rücken, zu meinen Beinen, in meinen Kopf. Der Schmerz schwillt an, mein Bauch verkrampft sich und ich krümme mich nach vorne zusammen. Ich weiß was jetzt kommen wird und lange kann ich die Schmerzen nicht mehr aushalten. Sofort rückt Tobias näher an mich heran. «Ich habe noch ein was ausgelassen», presse ich hervor. «Was meinst du?» «Es gibt noch eine andere Welt.... die Engelswelt. Ab und zu wechsle ich zu ihr hinüber. Manchmal kann ich das nicht beeinflussen. Da werde ich von ihr gerufen, wie jetzt...» Er legt einen Arm um mich und zieht mich zu sich heran. «Bleib ganz ruhig. Alles ist gut», versucht er mich zu beruhigen. «Nein, nein. Meine Flügel...sie wollen...raus. Jetzt sofort. Ich kann es nicht länger unterdrucken... Ah!» Mir entweicht ein spitzer Schrei. Nun sind auch die Anderen näher zu uns aufgerückt. Ich nehme es nur am Rande war, da der Schmerz sich ins Unermessliche steigert und Tobias mich mit dem Rücken zu ihnen gedreht hat. «Was ist das auf ihrem Rücken?», höre ich Mark fragen. «Dein Zeichen leuchtet», flüstert mir Tobias zu. Ich werde panisch, die Ohnmacht naht. Das letzte was ich Tobias noch sagen kann ist: «Bring mich bitte hier raus!» Dann nimmt mich die Dunkelheit in ihre Arme und verschlingt mich.

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Das Mädchen mit den EngelsflügelnWhere stories live. Discover now