8. Kapitel Teil 3

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Als ich meine Augen wieder öffne, finde ich mich liegend vor dem Spiegelsee wieder. Meine Flügel sind wieder auf ihrem gewohnten Platz und ich kann die Freiheit spüren. Ich setze mich auf und schaue in den See. Gerade ist das Bild auf mich gerichtet, wie ich auf dem Fußboden liege. Das Bild wechselt und der Raum nebenan wird gezeigt. Tobias ist noch wach, er scheint auch nicht einschlafen zu wollen. Sein Gesicht ist mit einer Sorgenfalte durchzogen. Anscheinend denkt er über das nächste Versteck nach. Es hat etwas mit seiner Vergangenheit zu tun und es scheint eine schlecht Erinnerung zu sein. Denselben Gesichtsausdruck hatte er auch schon auf dem Dach, als er seine Idee erwähnt hat.

«Wenn du willst, kann ich dir sagen an was er denk und womit es zusammenhängt», höre ich eine Stimme sagen. Der alte Mann ist wie aus dem nichts hinter mir erschienen, weswegen ich auch leicht zusammengezuckt bin. Ich schüttle mit dem Kopf. «Nein, so grob weiß ich um was es geht. Außerdem, wenn ich nicht über meine Vergangenheit sprechen möchte, sollte ich das dann auch nicht von anderen erwarten. Wenn wir unser Ziel erreichen, werde ich mehr erfahren.» Nun tritt der Alte näher an den See heran. « Seit unserem letzten Treffen ist viel Zeit vergangen. Gibt es etwas, was du erfahren willst?», fragt er mit einer Falte im Gesicht. Ich überlege eine Weile. «Wieso lande ich immer hier oder in der Nähe des Sees? Es wird doch ein einen Grund geben, oder?», stelle ich fest. Ich blicke zu ihm hoch. Seine Schultern straffen sich und ich bereite mich automatisch auf eine Strafpredigt vor. Es kommt allerdings zunächst nichts, erst nach einer ganzen Weile gibt er mit eine Antwort. «Ja, es gibt wirklich einen Grund dafür. Du solltest aber zunächst etwas über dieses Leben hier wissen. Du bist der einzige Engel hier, aber nicht der einzige Mensch. Denn auf dieser Insel leben auch Himmelsmenschen. Ihr beiden, also Engel und Mensch, habt eine gemeinsame Geschichte, die du heute erfahren sollst. Am liebsten, würde ich dir jemanden vorstellen, aber das muss bis zu deinem nächsten Besuch warten. So viel Zeit haben wir dann leider doch nicht, denn der kleine Ausflug wird etwas länger dauern. Dein Körper kann diese Ruhe gebrauchen. Komm, folge mir», befiehlt er mir.

Ohne irgendwelche Worte zu verlieren, befolge ich seine Anweisungen. Wir laufen weiter durch einen Dschungel. Es ist wundervoll. Das Paradies. Ich verliere mich fast in dem Anblick der ganzen wilden Blumen. Rot, blau, violett, gelb und noch so viele weitere Farben sind zu sehen. Es ist fast hypnotisierend.
Dann schlichtet sich der Wald und die Himmelsstadt erscheint. «Das ist Skypia. Dort hinten kannst du den Palast sehen. Dahin werden wir jetzt gehen, denn dann kann ich dir alles Weitere erklären. Jedoch müssen wir durch die Stadt durchlaufen. Viele Leute werden dich anstarren, reagiere einfach nicht», gibt er mir als Tipp. «Warum bin ich hier der einzige Engel? Danke für den Tipp, aber sie müssen wissen, dass ich im Ignorieren sehr gut bin», erwidere ich. Der Mann schüttelt nur den Kopf und deutet auf den Palast vor uns.
Wir laufen durch die Stadt. Die Leute sind alle in weiß gekleidet. Egal ob Kleid, Hose, Schuhe oder Hemd. Überall wo man hinschaut, sieht man weiß. Nur die Haarfarben und Gesichter machen die Menschen vor mir einzigartig. Doch auch der Blick ist bei allen derselbe, sie starren mich alle an.
Der Mann und ich folgen immer weiter der Straße, bis sie auf einem Marktplatz endet. Alles sieht so aus, wie in der altern, schon lang vergangenen, Zeit der Griechen und antiken Götter. Die Häuser bestehen aus dem gleiche Gestein, wie damals. Auch Marmor scheint bei einigen Häusern mit als Fundament zu dienen. Genau wie bei dem Palast, zu dem wir wollen, und welcher auf der anderen Seite des Marktplatzes liegt.

Da ich mit meinen Flügeln die Aufmerksamkeit auf mich ziehe, werden wir bald umringt von Menschen. Sie alle wollen mich ansehen, anfassen und mit mir sprechen. Doch die Anwesenheit des Mannes lässt sie Abstand halten. Er scheint sehr von ihnen respektiert zu werden. «Sie weiß noch von nichts, da es ihr erster Besuch hier ist. Also lasst es mich ihr erklären oder sie selber herausfinden», meint der Mann. Daraufhin stieben alle wieder auseinander, die Blicke verfolgen mich jedoch auch weiterhin.

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWhere stories live. Discover now