Kapitel 10 (He)

510 33 4
                                    

Vollkommen neben der Spur brauste ich davon. Ich wusste nicht, was in mich gefahren war. Ich wusste nichts mehr. Eigentlich wollte ich Melody nicht einfach da sitzen lassen, aber ich musste einfach einen freien Kopf bekommen.

Warum zur Hölle hatte ich ihr alles erzählt?! Ich wollte doch niemanden mehr an mich ranlassen! Ich wollte mich nicht mehr binden. Ich wollte verdammt nochmal allein sein! Ich brauchte niemanden an meiner Seite! Ich war kein Gruppenmensch. Schon früher in der Schule hatte ich bei Projekten lieber allein statt mit anderen gearbeitet. Auch später wenn irgendwelche Bälle oder Veranstaltungen waren, bin ich stets ohne Begleitung oder garnicht hingegangen. Ich war nicht für Beziehungen geschaffen. Und ich wollte auch keine. Beziehungen bringen nur Ärger und Stress mit sich.

Und trotzdem hatte ich mich ihr anvertraut. Einem eigentlich völlig fremden Menschen und doch fühlte es sich an, als kannten wir uns schon ewig. Es fühlte es sich an, als würde uns etwas verbinden, jedoch wusste ich nicht, was das war.  Dieses Gefühl war so seltsam...

Ich war durcheinander. Ich wusste nicht, was ich fühlte und was ich wollte. Dieses ganze Gespräch hatte mich total aus der Bahn geworfen. Erinnerungen kamen hoch. Erinnerungen, an Geschehnisse, die ich verdrängen wollte. Geschehnisse, die mich geprägt hatten.

Melody brachte alles durcheinander. Alles lief super, bevor sie in mein Leben gekommen war. Ich hatte keine Freundin und hielt mich von sämtlichen Frauen fern. Und dann kam sie. Sie verwirrte mich mit ihrer Art. Ich wollte sie näher kennenlernen und gleichzeitig ihr aus dem Weg gehen. Einerseits sträubte sich jede Faser meines Körpers gegen Annäherungen, doch anderseits fühlte ich mich zu ihr hingezogen. In mir tobte ein Kampf und ich hatte keine Ahnung, wie er ausgehen würde.
Aber war sie überhaupt schon in meinem Leben? Wir kannten uns war, das hatte aber noch lange nichts zu bedeuten.

Doch eins war ich mir bewusst. Ich konnte sie nicht einfach gehen lassen, selbst wenn ich wollen würde. Sie wusste über meine Vergangenheit Bescheid. Sie würde garantiert nicht locker lassen, bis ich ihr alles bis in kleinste Detail erklärt hatte. So wie alle anderen vor ihr. Ich wollte mich nicht mehr anderen anvertrauen. Ich hasste es, angestarrt und ausgefragt zu werden. Ich wollte keine Aufmerksamkeit und auch kein Mitleid. Ich wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Doch das verstand niemand. Ein solches Schicksal ist für die Menschen ein gefundenes Fressen, um ihre Neugier zu befriedigen.

Ich war die ganze Zeit über einfach blindlings durch die Stadt gelaufen, ohne auf den Weg zu achten. Zum ersten Mal seit meinem überstürzten Aufbruch im Park sah ich auf und erforschte meine Umgebung. Ich war nicht wirklich weit gekommen. Vielleicht ein oder zwei Straßen weiter.

Ich zog mir meine Kapuze ins Gesicht, um niemanden ansehen zu müssen und lief weiter, ohne irgendein bestimmtes Ziel.

Wenige Momente später hörte ich hinter mir eine bekannte Stimmte rufen. "Luke warte!" Ich blieb stehen und drehte mich verwirrt um.

"Was willst du?", fragte ich, als sie keuchend bei mir ankam. "Es tut mir Leid", fing sie an. "Ich habe falsch reagiert, ich weiß. Es ist nur.." Sie machte eine Pause, und schien nach den richtigen Worten zu suchen. "Das war alles so viel auf einmal. Hör zu, ich kann deine Reaktion verstehen. Ich mag es auch nicht, mit Mitleid überschüttet zu werden. Es tut mir wirklich Leid Luke." Sie sah mir flehend in die Augen und wartete auf eine Antwort von mir, irgendeine Reaktion. Doch es kam vorerst keine.

Auch mehrere Augenblicke später hatte ich noch nicht geantwortet. Sie schien langsam zu verzweifeln und wollte schon wieder gehen, als ich schließlich den Mund aufmachte. "Ist schon okay, schätze ich." Irritiert sah sie auf. "Schätzst du?"  Ich seufzte. "Nein. Ich bin mir sicher. Ist schon okay Melody." Erleichtert atmete sie auf und lächelte mich leicht an. "Komm", sagte ich. "Wir stehen mitten auf der Straße. Wollen wir zurückgehen?" Versöhnend sah ich sie an und zwang mich zu einem klitzekleinen Lächeln. Sie nickte und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zurück zum Park.

Ich hatte eine Entscheidung getroffen.

************

"Du schuldest mir übrigens noch was", sagte ich zu ihr, während wir die Straßen entlang zurückgingen. Sie seufzte und senkte ihren Blick. "Ich weiß."

"Wirst du es mir erzählen?", fragte ich ruhig. Sie holte tief Luft, bevor sie antwortete. "Ich denke, ich bin es dir schuldig." Ich sagte nichts dazu und wir gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Wieder im Park steuerte sie die gleiche Bank an, auf der wir bereits zuvor gesessen hatten. "Das könnte unser Platz werden", sagte sie, nachdem wir uns niedergelassen hatten.
"Wie meinst du das?", hakte ich nach. "Wir sind kein Pärchen." Sie lachte über meinen Kommentar. Es war ein ehrliches Lachen und das gefiel mir. Irgendwie. Sie hatte ein schönes Lachen. "Also?", fragte ich nach einiger Zeit.

"Also...", wiederholte sie und begann zu erzählen. Aufmerksam lauschte ich ihrer Geschichte.

Can a boy change your life? *wird überarbeitet*Where stories live. Discover now