Kapitel 40 (She)

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Ich hatte überhaupt keine Lust am Nachmittag zur Selbsthilfegruppe zu gehen, vor allem da ich wusste, dass Luke nicht dort sein würde. Somit gab es für mich keinen Grund hinzugehen, aber meine Mutter bestand darauf und so musste ich kurz vor 15 Uhr mein Zimmer verlassen, um mich anzuziehen und anschließend zu meiner Mum ins Auto zu steigen. Als ich gerade meine Schuhe über die Füße gestreift hatte, fiel mein Blick auf Lukes Jacke, welche fein säuberlich an der Garderobe hing. Ohne lange darüber nachzudenken schnappte ich sie mir und zog sie an. Sogleich stieg mir Lukes Geruch in die Nase und ich fühlte mich ein Stück wohler.

Später im Auto wurde ich von meiner Mutter auf das Kleidungstück angesprochen. "Wo hast du denn die Jacke her? Die habe ich ja noch nie gesehen." "Luke hat sie mir gegeben, als es heute Mittag so geregnet hat", sagte ich ein wenig stolz und lächelte, während ich an dem Stoff spielte. Mum nickte daraufhin nur und richtete ihren Blick wieder auf die Straße.

An unserem Ziel angekommen, stieg ich aus dem Wagen und verabschiedete mich von ihr. Sie meinte, sie könne mich nachher nicht abholen, da sie noch etwas wichtiges zu erledigen hatte, also war ich gezwungen nach Hause zu laufen, was mich aber nur wenig störte. So hatte ich genug Zeit zum Nachdenken.

Die Zeit während der Selbsthilfegruppe ging heute unerwartet schnell vorüber und ich hatte mich sogar mit an den Gesprächen beteiligt, was sonst eher weniger der Fall war. Als die Stunde jedoch rum war, ging ich auf Marry zu, sie war schon vor mir in der Gruppe gewesen und wirkte heute besonders traurig. Ich machte mir Sorgen um sie und hatte mir schon, als ich sie heute das erste Mal gesehen hatte, vorgenommen, mit ihr zu reden.

"Hey Marry", begann ich vorsichtig. Sie sah mich nur kurz an und nickte mir wortlos zu. Ihre Haare hingen ihr schlaff ins Gesicht und sie hatte tiefe Augenringe. "Alles in Ordnung?", fragte ich, doch sie reagierte nicht. "Marry?" Als sie auch darauf nicht ansprang, wurde ich ein wenig ungeduldig. "Du kannst immer mit mir reden, wenn etwas ist. Okay? Ich möchte dir helfen." Nun hob sie sachte ihren Kopf und mir schaute ein blau-graues, unendlich trauriges Augenpaar entgegen. "Mir kann man nicht mehr helfen, es ist bereits zu spät", sagte sie mit erstaunlich fester Stimme. Ich wollte nicht so schnell aufgeben und erwiderte aufmunternd: "Es ist niemals zu spät für Hilfe, man kann immer den Sinn des Lebens zurückfinden. Man muss es nur wollen.
"Vielleicht will ich ja nicht."
"Aber-"
"Tut mir Leid Melody, ich muss los." Mit den Worten ging sie davon. Enttäuscht ließ ich die Schultern hängen. "Bis nächste Woche", murmelte ich in der Hoffnung, sie würde sich noch einmal umdrehen. Marry hielt kurz inne und sah über ihre Schulter. "Mal sehen." Danach schaute sie wieder nach vorn und verließ endgültig den Raum.

Ich stand noch eine ganze Weile einfach nur da und starrte auf die Stelle, an der gerade eben noch Marry gestanden hatte. Ich dachte an unser Gespräch und an ihre Worte. Mir kann man nicht mehr helfen, es ist bereits zu spät. Was meinte sie damit? Gab es einen tieferen Sinn? Sie hatte doch nicht vor-?
Mit einem mulmigen Gefühl verließ ich ebenfalls das Zimmer und betrat das Treppenhaus. Ich ging nach unten und stieß die Tür nach draußen auf. Warme Luft schlug mir entgegen, von dem Regen heute Mittag, war nichts mehr zu sehen oder spüren.

Als ich durch die Straßen in Richtung nach Hause ging, kam ich am Park vorbei und entschloss mich spontan, dort eine kleine Pause einzulegen. Ich setzte mich auf die übliche Bank und beobachtete die Menschen um mich herum. Ein altes Ehepaar saß auf einer Bank direkt vor dem kleinen Teich, der sich im vorderen Teil des Parks befand. Die Frau hielt eine kleine Plastiktüte in der Hand, aus der sie zerkrümelte Stückchen Brot herausholte und diese ins Wasser warf, damit die dort schwimmenden Enten etwas zu essen hatten. Dazu war sie aufgestanden und näher an das Geländer, welches den Teich vom Weg trennte, herangegangen. Der Mann saß hinter ihr auf der Bank und warf von dort aus selbst hin und wieder ein Bröckchen. Die beiden unterhielten sich, ich hatte allerdings keine Ahnung worüber. Sie waren zu weit weg, um etwas zu verstehen.

An ihnen vorbei fuhren ein paar Kinder auf ihren Fahrrädern. Sie trugen bunte Fahrradhelme und fuhren nicht gerade rücksichtsvoll. Ein Junge mit zerrissenen Jeans und einen seltsam aussehenden Fleck auf dem T-Shirt, ich schätzte ihn auf circa 12, radelte direkt an der alten Dame vorbei und hätte sie beinahe umgefahren. Die arme Frau erschrak dabei so sehr, dass sie ihre Tüte fallen ließ, wobei sich der ganze Inhalt auf dem Boden verteilte. Sie bückte sich mühsam und versuchte ihr Brot wieder aufzusammeln, da stand ich rasch auf und lief zu ihr, um ihr zu helfen. Freundlich lächelnd ging ich in die Hocke und in wenigen Sekunden befand sich alles wieder in dem kleinem Plastikbeutel. Ich richtete mich auf und sah, wie die alte Dame mich anlächelte. "Vielen Dank", sagte sie, "Es ist gut zu wissen, dass es doch noch junge Menschen gibt, die uns Alten helfen."  "Habe ich doch gern gemacht", sagte ich und verabschiedete mich, nachdem ich noch ein bisschen mit ihr geplaudert hatte.
Ich schlenderte zurück zu meiner Bank, da ich noch keine Lust verspürte, wieder nach Hause zu gehen. Plötzlich vibrierte mein Handy. Ich hatte eine SMS.

Von: Emy :3
Hey! Spontan Lust und Zeit etwas mit mir zu unternehmen? xx

Schnell schrieb ich ihr zurück.

An: Emy :3
Klar, sitze im Park. Komm vorbei, wenn du möchtest! :)  Du findest mich auf der Bank beim Brunnen.

Ca. 10 Minuten später sah ich Emy den Park betreten. Sie schaute sich um und entdeckte mich dann. Eiligen Schrittes kam sie auf mich zu. Lächelnd winkte ich in ihre Richtung und als sie näher kam, stand ich auf. Wir umarmten uns zur Begrüßung. "Was sitzt du hier so allein rum? das muss doch todlangweilig sein!", sagte sie, woraufhin ich nur mit den Schultern zuckte. "Ich mag es, wenn ich allein bin. Dann kann ich besser nachdenken, außerdem ist Luke beschäftigt. Also wüsste ich nicht mit wem ich hier sitzen sollte." Sofort wurde sie hellhörig und fragte mit den Augenbrauen wackelnd: "Luke? Wer ist das denn?"
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ihr noch gar nichts von ihm erzählt hatte. Also begann ich von ganz vorn und erzählte ihr unsere Geschichte, ließ aber hier und da ein paar Einzelheiten, wie zum Bespiel seine Vergangenheit oder die Sache hier im Park mit seinem Vater, weg. Ich war mir sicher, dass es Luke nicht gerade gefallen würde, wenn ich es ihr sofort erzählen würde.
"Uh lala!", sagte sie lachelnd, als ich fertig mit erzählen war. Mit neugierigem Blick hakte sie nach: "Und ihr habt euch sogar schon geküsst?" Ich spürte, wie ich rot wurde und sagte mit einem schüchternen Grinsen auf den Lippen: "Schon mehrmals." Emy war richtig Feuer und Flamme und brennte darauf, alle Details zu wissen. "Und wie hat er dir gesagt, dass er dich liebt?"
Bei der Frage gingen meine Mundwinkel schlagartig etwas nach unten. "Noch gar nicht." Enttäuscht ließ sie die Schultern hängen, wurde aber nach ein paar Sekunden Besinnung sofort wieder euphorisch. "Ich bin mir sicher, er plant etwas totaal romantisches!"  "Oder er liebt mich nicht", warf ich verunsichert ein. "So ein Quatsch! Nach dem, was du mir alles erzählt hast, ist es wohl mehr als offensichtlich, dass er so was von in dich verknallt ist. Und du in ihn!" Verlegen zuckte ich mit den Schultern und meinte dann: "Wenn du meinst, aber lass uns jetzt über was anderes reden. Wie sieht's denn bei dir so aus in Sachen Liebe?"
Emy erzählte, dass sie zurzeit niemanden im Auge hatte und in nächster Zukunft auch lieber Single bleiben wollte.
Wir merkten schnell,dass wir uns ähnlich waren, vorallem was den Humor und auch die Interessen angingen. Irgendwann war ich sogar so weit, dass ich ihr von der Selbsthilfegruppe erzählte. "Da habe ich auch Luke zum 1. Mal getroffen."  "Echt? Was hat er denn, dass er zu einer Selbsthilfegruppe geht? Ich meine, bei dir weiß ich es ja. Leider."
Ich druckste ein wenig herum und meinte, dass er bestimmt nicht wollte, dass ich es einfach so jemandem "Fremden" erzählte. Emy war nicht auf unserer Schule und so konnte sie es auch nicht von Flora wissen. Zum Glück fragte sie auch nicht weiter nach, wofür ich ihr äußerst dankbar war.
Wir beließen es dann dabei und widmeten uns anderen Themen. Ich hatte nicht auf die Uhr geschaut, aber wir saßen bestimmt ewig dort auf dieser Bank und redeten über Gott und die Welt.
"Schicke Jacke übrigens", sagte sie und zeigte darauf. Ich lächelte und erzählte ihr von wem sie war. Daraufhin fing Emy an zu grinsen. "Er hat dir seine Jacke gegeben? Aww, das ist ganz schön cute." Ich nickte einfach nur, weiterhin lächelnd.

Als es langsam spät wurde, verabschiedeten wir uns schließlich von einander und ich machte mich auf den Weg. Zu Hause angekommen, ging ich in mein Zimmer. Lukes Jacke behielt ich dabei an.
Kaum saß ich auf meinem Bett, bekam ich auch schon einen Anruf.

Eingehender Anruf von Luke♡

Ich ging sofort ran. "Hey! Na, wie war's?", fragte ich neugierig, nachdem ich ihn begrüßt hatte. Luke begrüßte mich ebenfalls und begann zu erzählen.

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Cliffhanger-Power! :D

Can a boy change your life? *wird überarbeitet*Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum