Kapitel 35 (He)

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Nach einem Tag durfte ich wieder raus aus dem Krankenhaus, musste allerdings noch ein paar Tage zu Hause bleiben. Gleich als ich mit Lucy die Wohnung betrat, begann sie ihre Rede.  "Du weißt, was jetzt kommt oder?", fragte sie mit ernster Stimme. Eine vage Ahnung habend stöhnte ich.

"Ich werde nicht zulassen, dass so etwas noch einmal passiert", sie streckte ihre Hand aus. "Gib mir deinen Ausweis!" Verwirrt zog ich eine Augenbraue nach oben. "Was?" "Gib mir deinen Ausweis", wiederholte sie ungeduldig mit dem Fuß wippend. Ich stöhnte erneut auf und sagte nun gereizt: "Du weißt schon, dass das meiner ist? Was wenn ich den mal brauche?!"  "Wozu? Damit du dir einen neuen Vorrat kaufen und dich dieses Mal gleich ins Koma saufen kannst, hm?!", fuhr sie mich wütend an.

Ich wusste, dass sie sich nur Sorgen machte, aber meiner Meinung nach übertrieb sie maßlos. Zudem tat es schon irgendwie weh sowas von seiner eigenen Schwester hören zu müssen.

Ich hatte keine Lust mich weiter mit ihr herumzustreiten und wollte auf mein Zimmer gehen, doch Lucy hielt mich mit den Worten: "Du wirst jetzt nicht wieder abhauen", am Handgelenk fest. Genervt riss ich mich von ihr los, drehte mich zurück zu ihr und verschränkte die Arme vor der Brust. "Was ist denn noch, willst du mich weiter beleidigen?", fragte ich gereizt. "Du kannst nicht dein Leben lang immer vor deinen Problemen weglaufen! Du musst dich ihnen stellen, nur so kann man zu einer Lösung finden." Ich schnaubte verächtlich. "Willst du jetzt den Psychiater raushängen lassen oder was?"

Wir diskutierten noch eine ganze Weile miteinander, bis sie mich endlich mehr oder weniger freiwillig gehen ließ. Als ich mein Zimmer betrat bemerkte ich sofort, dass sie 'aufgeräumt' hatte. Es waren keine Spuren von dem Vorfall mehr zu sehen. Aus reiner Neugier schaute ich unter mein Bett und sah... nichts.

In der darauffolgenden Woche konnte ich dann auch wieder zur Schule gehen. Es war erneut Montag und somit genau 7 Tage nach dem Geschehenen. Keiner wusste, was passiert war. Lucy hatte behauptet, ich hätte Grippe gehabt und konnte deshalb nicht zur Schule kommen. Der Arzt hatte mir noch eine Sportbefreiung geschrieben, ich hoffte einfach, dass sich niemand deswegen wunderte. Obwohl man auch nach einer Grippe durchaus vom Sport befreit werden konnte. Bestimmt würde sich eh keiner dafür interessieren.

Vor der Schule wartete Melody bereits auf mich. Als sie mich entdeckte, strahlte sie über das ganze Gesicht. Ich ging ein bisschen schneller und war sogleich auch bei ihr. Freudig schloss ich sie in die Arme und drückte ihr anschließend einen Kuss auf die Stirn. "Wie geht es dir?", fragte sie mich fröhlich und fügte hinzu: "Ich habe dich vermisst.." Dies brachte mich zum Schmunzeln und ich antwortete: "Ganz gut, schätze ich. So ein paar Tage ohne dich sind echt entspannend." Empört stemmte sie die Arme in die Hüfte. Dann musste sie lachen und schlug mir spielerisch auf die Schulter. "Idiot!"

Ich grinste und sagte nun etwas ernster: "Kleiner Spaß, natürlich habe ich dich auch vermisst." Und etwas leiser: "Mehr als alles andere." Das brachte sie zum Lächeln und ihre Wangen nahmen einen rötlichen Ton an. In dem Moment kam Flora mit ihren Lakaien an.

"Da bist du ja wieder! Hast du denn deine 'Grippe' auch gut überstanden?", begrüßte sie mich und klimperte scheinheilig mit ihren Wimpern. Mit einem misstrauischen Blick sah ich sie an und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Sie beugte sich zu mir vor und flüsterte: "Ich weiß von deinem kleinen Unfall."

Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, indem ich so ruhig wie möglich sagte: "Ich hab keine Ahnung wovon du sprichst, Flora." Sie grinste hinterlistig. "Bist du dir da sicher? Soll ich es dir sagen? Dann aber so laut, dass die ganze Schule davon Wind bekommt. Und ich bin mir sicher, dass du etwas dagegen hättest, wenn alle hier wüssten, dass du wegen zu viel Alkohol sogar im Krankenhaus warst. Habe ich nicht recht?"

Alles in mir spannte sich an und mein Atem ging etwas schneller, aber ich versuchte es so gut wie möglich zu vertuschen. "Woher?", fragte ich sie mit harschem Blick. Sie zuckte mit den Schultern und antwortete gelassen: "Ich habe da so meine Quellen."  "Ein Wort zu irgendjemanden und du wirst es bereuen!", drohte ich nun. Ich hatte es satt, mich von ihr einschüchtern zu lassen. Flora aber störte das nur wenig. Sie schien zufrieden mit ihrem Werk und wandte sich nun an Melody. "Ich bin äußerst froh, dass ihr euch vertragen habt. Du musst Luke allerdings ganz schön um den Finger gewickelt haben, dass er dir nach deinem kleinen Seitensprung verziehen hat. Der arme Adam, erst machst du ihm Hoffnungen und jetzt lässt du ihn für einen Säufer hängen. Ich würde mich nicht wundern, wenn er nichts mehr mit dir zu tun haben will." Hämisch grinsend wartete sie auf eine Reaktion von Melody. Die kam allerdings in einer ganz anderen Form als Flora sie sich erhofft hatte. Mit erhobenem Kopf beugte Melody sich zu ihrer ehemals besten Freundin vor und zischte mit dem gleichen Grinsen wie Floras vorhin: "Es tut mir sehr leid dich enttäuschen zu müssen, aber Adam und ich sind gute Freunde und werden es auch noch eine ganze Weile bleiben. Und nur zur Info; er hat bereits einen Freund und bräuchte mich somit gar nicht", sie drehte sich lächelnd zu mir und und Griff nach meiner Hand, "Wenn du uns jetzt entschuldigen würdest; Wir müssen zum Unterricht." Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und betrat händchenhaltend mit mir das Schulgebäude. Drinnen drehte sie sich zu mir um und begann laut loszulachen. "Omg-, bekam sie nur heraus und auch ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. "Hast du ihren Gesichtsausdruck gesehen? Ihr hast du's voll gegeben!", sagte ich und hob die Hand zum High-Five. Melody schlug ein und wir brauchten eine ganze Weile um uns zu beruhigen. Danach klingelte es und ich verabschiedete mich von ihr, um anschließend in meine Klasse zu gehen. Wir machten uns aus, und auf jeden Fall später nochmal genauer zu unterhalten.

In der ersten Stunde hatte ich Englisch mit der wahrscheinlich coolsten Englischlehrerin, die es gibt. Sie machte oft irgendwelche Scherze und hielt den Unterricht abwechslungsreich. Normalerweise passte ich bei ihr besonders auf, doch heute konnte ich mich überhaupt nicht konzentrieren. Meine Gedanken schweiften immer wieder zu Melody und die ganze Zeit über bekam ich dieses verdammte Lächeln nicht aus meinem Gesicht. Irgendwann bemerkte sie allerdings, dass ich ihr nicht zuhörte und ermahnte mich. "Luke, concentrate! What was my question?" Ich schreckte auf und sah sie etwas unbeholfen an. Ich überlegte fieberhaft nach einer Ausrede und stotterte: "S-sorry Miss. I-I've been thinking. Can you repeat it?" Sie begann zu schmunzeln und sagte: "Have you think of something specific? Or should I say 'someone specific'?"  Einige fingen an zu lachen und ich wünschte mich nur weg von hier. Ich grinste entschuldigend und rang nach einer Antwort, als sie abwinkte. "But that's not important right now. Open your books at page 45 please."  Über den Themenwechsel war ich äußerst froh und schlug erleichtert mein Englischbuch auf.

In der Mittagspause traf ich Melody wieder. Sie wartete bereits ungeduldig vor der Cafeteria. Wir begrüßten uns und dann erzählte ich ihr von meinem peinlichen Erlebnis in Englisch. Sie lachte daraufhin nur und berichtete stattdessen von einer totlangweiligen Doppelstunde Mathe. "Das war echt ätzend", stöhnte sie. Danach änderte sich ihre Laune allerdings schlagartig und sie sah mich nervös an. "Achjaa...", druckste sie herum. "Adam wollte dich nochmal sprechen. Am besten in der Pause noch.." Ich wusste nicht so recht wie ich darauf reagieren sollte, also zuckte ich einfach mit den Schultern und sagte monoton: "Okay."  Melody seufzte. "Du musst auch nicht, wenn du nicht magst. Aber es wäre vielleicht besser. Er möchte sich bei dir entschuldigen." Ich nickte stumm und ließ mich dann von ihr nach draußen zu Adam führen. Ich hatte keinerlei Vorstellungen, wie dieses Gespräch ablaufen sollte.

Can a boy change your life? *wird überarbeitet*Where stories live. Discover now