Kapitel 57 (He)

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Ganze acht Wochen war Melody in der Klinik. Acht Wochen musste ich allein zur Selbsthilfegruppe, war allein im Park und auch die meiste Zeit allein in den Pausen. Manchmal unterhielt ich mich mit Adam oder auch Ryan, aber das waren meistens nur irrelevante Gespräche. Nichts intensiveres.

In ihrer Abwesenheit hatte so langsam der Winter eingesetzt. Es war inzwischen Anfang Dezember und der erste Schnee war bereits gefallen. Er bedeckte die Stadt unter einer malerischen, weißen Hülle. Allerdings war es schweinekalt und man musste aufpassen, dass man auf dem vereisten Boden nicht ausrutschte.
Ich persönlich liebte den Winter. Der ganze Schnee und das Eis hatten irgendwie eine magische Wirkung. Außerdem war Winter mit Weihnachten verbunden. Und mal ganz ehrlich; Wer hat schon was gegen Weihnachten? Der Geruch frisch gebackener Plätzchen, überall leuchtende Deko und natürlich die Geschenke!
Ja, Weihnachten war definitiv etwas tolles.

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Natürlich besuchte ich Melody so oft ich konnte -und durfte-. Sie erzählte mir dann immer von den verschiedenen Therapien und ihren Fortschritten. Die Ärzte waren der Meinung, dass sie sich großartig entwickelte, was mich mehr als nur freute.
Es tat gut, Melody wieder ehrlich lachen zu sehen. Sie riss Witze und alberte viel herum. Einmal stellte sie mich sogar ihren Freunden vor, die sie in der Klinik kennengelernt hatte. Es war mir fast schon unangenehm, wenn sie von mir sprach, während ich direkt daneben saß.

Auch ich machte in der Zeit eine gewisse Veränderung durch. Ich hatte mich ein wenig geöffnet, redete mehr und ließ mich auf neue Situationen ein. Lucy beteuerte mir immer wieder, wie sehr sie doch den "neuen" Luke mochte und dass ich ruhig öfter so eine Umwandlungsphase haben könnte. Tss...

Aber was mich am meisten stolz machte, in der ganzen Zeit, in der Melody nicht da war, hatte ich nicht einen Tropfen Alkohol auch nur angerührt. Nach allem was passiert war, hatte ich mir fest vorgenommen, auch mein Leben komplett umzukrempeln. Und mit dem Alkohol abzuschließen, war der ausschlaggebendste Teil davon.

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Kurz vor Melodys Entlassung war ich ein letztes Mal bei ihr zu Besuch in der Klinik. Als ich angekommen war, wurde ich direkt freudig von Riley, die in der Zeit eine gute Freundin von Melody geworden war, begrüßt. Ich nickte ihr kurz lächelnd zu und kurze Zeit später war ich auch schon bei Mel.

"Wie geht es dir?", fragte ich sie, nachdem wir uns mit einem Kuss begrüßt hatten. Melody strahlte. "Super, wirklich. Ich kann es kaum erwarten, wieder nach Hause zu kommen. Auch wenn ich die anderen hier irgendwie vermissen werde." Ich lächelte sie kurz aufmunternd an. "Ihr werdet sicher Kontakt halten, so wie ich dich kenne." Sie nickte freudig und kam dann ein Stückchen näher.  "Du, kann ich dich mal was fragen Luke?" Der plötzliche Ernst in ihrer Stimme verwunderte mich und ich nickte nur. "Immer doch, was ist los Prinzessin?"
Sie seufzte kurz und begann dann zu erzählen. "Weißt du, damals als ich im Koma lag, da-" Sie legte eine kurze Pause ein und sah zum Fenster hinaus, um gleich danach aber ihren Blick wieder mir zuzuwenden. Sie schien etwas nervös.
"Manchmal habe ich im Unterbewusstsein mitbekommen, wie du mit mir geredet hast. Anfangs habe ich das gar nicht so wirklich realisiert, das ist mir erst letztens eingefallen."
"Melody, worauf willst du hinaus?", fragte ich sichtlich verwirrt. Sie spielte abwesend mit ihren Fingern. "Ich habe gehört, wie du das mit deiner Mutter erzählt hast." Ich sah sie im ersten Moment perplex an. Doch schon wenige Sekunden später wurde mein Blick etwas weicher. Zögerlich fragte ich:"Und weiter?"

Sie seufzte und schien nach den richtigen Worten zu suchen. "Naja ich weiß nicht, aber ich kann irgendwie nicht so ganz  glauben, dass du wirklich noch nie an ihrem Grab warst."
Ich senkte den Blick. "Ich weiß, das klingt schrecklich egoistisch. Aber ich konnte es nie", murmelte ich entschuldigend.
"Vielleicht ist es langsam an der Zeit über deinen eigenen Schatten zu springen. Du meintest, dass es nicht mehr lang ist, bis sie sieben Jahre tot ist. Wann genau ist sie denn-?" Melody brach ab. Sie traute sich nicht, den Satz zu beenden.

"Nächstes Wochenende", sagte ich mit zusammengepressten Lippen. "Ich wollte es eigentlich verdrängen aber..."
Melody schaute mich besorgt an. "Tut mir leid Luke! Ich wollte dich damit jetzt nicht runterziehen. Aber- ich glaube, es ist an der Zeit ihr einen Besuch abzustatten." Ich wandte den Kopf zu ihr und fragte leise: "Würdest du mitkommen? Ich- Allein pack' ich das glaube ich nicht."
Sie begann zu lächeln und nickte. "Wenn du das willst, dann komme ich natürlich mit. Ab Dienstag bin ich ja eh hier raus. Da passt das ganz gut. Aber lass uns jetzt über etwas anderes reden. Wie läuft es eigentlich mit deinem Dad so?"

Ich lächelte, während ich erzählte. "Mit ihm ist alles super. Wir treffen uns regelmäßig und reden viel miteinander. Ich bin froh, damals zu dem Treffen gegangen zu sein. Jeder verdient eine zweite Chance und er hat seine mehr als genutzt." Melody kuschelte sich behutsam an mich. "Ich bin froh, das zu hören. Es ist toll, dich glücklich zu sehen." Ich schmunzelte. "Schließlich war ich dich ja jetzt auch acht Wochen los. Das allein ist Grund genug, glücklich zu sein."
Sie starrte mich empört und mit offenem Mund an, während sie von mir abließ und mit den Händen in die Hüften gestemmt auf die Tür wies. "Da ist der Ausgang. Du kannst gerne wieder gehen, wenn ich so schrecklich bin. Ich brauche dich nicht. Los!"
Schmollend zog ich sie in meine Arme. "Hey, du weißt, dass ich das so nicht gemeint habe."
Doch Melody drückte mich weg. "Jetzt brauchst du auch nicht mehr anzukommen."
"Aber Melody-"
"Nein."
Sie blieb stur. In dem Moment öffnete sich die Tür und Riley betrat den Raum. Sie war zugleich Melodys Zimmergenossin und kam wahrscheinlich gerade von einer Therapie oder sowas in der Art.

"Hallo Luke! Du bist ja auch noch da", sagte sie lächelnd und setzte sich auf ihr Bett. "Er wollte gerade gehen", kam es eiskalt von Melody. Sie packte mich an den Schultern und versuchte, mich Richtung Tür zu schieben, doch ich hielt mich an der Bettkante fest. "Sie ist ein wenig störrisch heute", lachte ich entschuldigend, als ich Rileys amüsierten Blick sah.
"Ach so ist das. Ja, Melody hat manchmal so ihre Phasen. Nicht wahr Mel?" Sie grinste zu ihr herüber.
"Und genau deswegen liebst du mich!", rief diese mit überzeugter Stimme. Ich schmollte immer noch. "Ich liebe dich viel mehr."
"Psh, du zählst nicht."
Beleidigt drehte ich mich von Melody weg und verschränkte die Arme vor der Brust. "Gut. Jetzt hast du mich zutiefst verletzt. Das verzeihe ich dir niemals."

"Wenn ihr jetzt getrennt seid, kann ich da Luke haben?", rief Riley und neldete sich, wie man es sonst immer in der Schule tat. "Aber ich dachte du liebst mich", sagte Melody enttäuscht und sah ihre Zimmergenossin mit großen Augen an.
"Das ja, aber du bist bei weitem nicht so ein heißer Typ wie Luke."
Ich unterdrückte mir ein Lachen und sagte so ernst wie möglich: "Der heiße Typ fühlt sich geschmeichelt."
Melody boxte mir hingegen gegen die Schulter und erwiderte an Riley gerichtet: "Hallo? Ich bin ja wohl der heißeste Typ überhaupt!" Aber Riley schüttelte nur mit dem Kopf. "Nope tut mir leid. Niemand toppt Luke."

Ich stand auf, setzte mich neben sie und drückte sie fest an mich, um ihr anschließend einen Kuss auf den Kopf zu verpassen. Übertrieben dramatisch seufzte ich: "Wo bist du mein ganzes Leben nur gewesen?!" Riley legte eine Hand auf ihr Herz und schniefte theatralisch. Zuckte dann allerdings neutral mit den Schultern und sagte gelassen: "Edeka. Hinten in der Keksabteilung."

Ich fing an zu lachen und brauchte eine ganze Weile, bis ich mich wieder beruhigt hatte.
Melody stöhnte derweil nur und sah mich traurig an.
"Jaja sie hat den Witz des Jahrtausends gerissen. Kannst du jetzt bitte wieder herkommen und mein Freund sein?"

Ich tat so, als müsste ich fieberhaft überlegen, bevor ich grinsend nickte und neben Mel Platz nahm. Ich zog sie zu mir auf den Schoß und gab ihr einen langen, zärtlichen Kuss.
"Wie ich das vermisst habe", murmelte sie gegen meine Lippen und ich konnte spüren, wie sie lächelte.

Can a boy change your life? *wird überarbeitet*Where stories live. Discover now