Kapitel 14 (She)

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Zuerst; das Kapitel ist eine Ausnahme, okay? Normalerweise kamen Melody und Luke ja immer im Wechsel, aber ich habe gerade total viele Ideen für Melody, sodass ich meine eigene kleine Regel brechen muss. Ich hoffe ihr seid mir nicht böse, dass es nun kein Luke-Kapitel ist :/
Dennoch viel Spaß :)♥

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Ich überfiel ihn regelrecht mit der Umarmung, sodass er ein paar Schritte nach hinten stolpterte, als ich mich fest an seinen Körper drückte. Aber Luke hatte sich schnell gefangen und erwiderte die Umarmung perplex. Beruhigend strich er mir über den Rücken, während ich solange weiter weinte, bis ich mich halbwegs wieder beruhigt hatte. Ich löste mich von ihm und schniefte.
"Komm erst einmal hinein", sagte Luke, legte mir eine Hand auf die Schulter und führte mich in die Wohnung. "Gib mir deine Jacke." Auffordernd streckte er mir seine rechte Hand entgegen und wartete darauf, dass ich ihm das Kleidungsstück gab, was ich dann auch tat. Ich zog auch noch meine Schuhe aus, um nicht unnötig Dreck in der Wohnung zu verteilen. "Wir gehen in mein Zimmer und dann erzählst du mir, warum du überhaupt hier bist, okay?", sagte er bestimmt und es klang so, als würde er keine Widerrede akzeptieren. Er ging in die zweite Tür von links und wartete darauf, dass ich ihm folgte. Nur langsam bewegte ich mich in Richtung seines Zimmers und trat dann ein. Luke schloss die Tür hinter mir und setzte sich auf das Bett, welches gleich neben der Tür stand. Sein Zimmer war nicht das Größte, dafür aber äußerst gemütlich. Die Wände waren blau gestrichen und hier und da hing ein Bild von ihm, Freunden oder irgendwelchen berühmten Sportlern. Auf den ersten Blick ein ganz normales Zimmer eines Teenagers.
Luke klopfte neben sich und wies mir, mich neben ihn zu setzen. Erst da bemerkte ich, dass ich immer noch hilflos an der Tür herumstand. Zögernd nahm ich neben ihm Platz. "Also. Warum bist du hier?", fragte er sofort, nachdem ich mich gesetzt hatte. Ich seufzte. "Ich hatte Streit mit meiner Mum."

"Schlimm?"

"Keine Ahnung. Eigentlich nicht, aber ich wollte einfach weg."

"Vor dem Problem wegrennen löst es auch nicht."

Er sah mich die ganze Zeit über an, während wir miteinander sprachen.  Ich schwieg. Er hatte Recht und ich wusste nicht, was ich ihm antworten sollte.

"Tut mir Leid, dass ich einfach so bei dir aufgetaucht bin." Verlegen sah ich zu Boden. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht? Es war eine Kurzschlussreaktion gewesen, über mögliche Konsequenzen hatte ich mir keine Gedanken gemacht.
Aber sagte man nicht immer, dass spontane Ideen letztendlich zu den schönsten Erlebnissen führten? Ich wünschte, auf mich würde dies auch zutreffen.

"Nicht schlimm", antwortete Luke. Dann schwiegen wir wieder. Es war ein unangenehmes Schweigen und ich spürte die Anspannung, die in der Luft lag, sie erdrückte einen regelrecht.

"Magst du etwas trinken?", unterbrach Luke plötzlich die Stille und ich war ihm dankbar dafür. "Ähm, okay. Ein Wasser wäre nett." Wir hatten zwar nicht viel geredet, dennoch war mein Hals trocken wie in der Wüste. Luke verließ das Zimmer und ich war allein im Zimmer. Während ich so dasaß und mich im Raum umsah, musste ich plötzlich mehrmals niesen und merkte, dass ich kein Taschentuch dabei hatte. Da meine Nase lief und ich nicht unbedingt wollte, dass Luke mich mit Schnodder im Gesicht sah, machte ich mich auf die Suche nach einer Taschentuchpackung. Hier lag doch sicherlich irgendwo eine herum.

Zuerst ging ich zu seinem Schreibtisch, welcher in der linken, hinteren Ecke stand. Darauf lag ein Laptop und tausende, verschiedene Zettel und Stifte über die Ablage verstreut. Das meiste waren Schulnotizen. Ich schob einige beiseite, konnte aber keine Packung Taschentücher finden.
Der Schreibtisch hatte drei Schubladen. Ich zögerte, bevor ich sie schließlich öffnete. Vielleicht lagen ja da welche drin, dachte ich mir. Ich fühlte mich schuldig, während ich so in seinen Sachen schnüffelte, andererseits brauchte ich wirklich ein Taschentuch und es war mir zu dumm, deswegen zu ihm zu gehen. Im ersten Fach befand sich nur weiterer Schulkram. Auch im zweiten Fach fand ich nichts brauchbares. In der letzten Schublade fand ich tief hinten, in der letzten Ecke mehrere Zigarettenschachteln.
Luke rauchte? Ich war überrascht, auch wenn man es von seiner Art her erahnen könnte. Schnell legte ich die Packungen zurück an ihren rechtmäßigen Platz und versuchte, keine auffälligen Spuren zu hinterlassen. Ich hatte mich hingekniet, um an das Fach besser heranzukommen, und als ich aufstand, riss ich ausversehen ein paar der Blätter herunter. Fluchend bückte ich mich, um sie wieder aufzuheben und erhaschte dabei durch Zufall einen Blick unter sein Bett. Ich erstarrte bei dem Anblick und ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Er hatte zwar von seinem Alkoholproblem erzählt, aber jetzt, als ich die vielen Flaschen, versteckt unter seinem Bett sah, wurde mir die Sache erst richtig bewusst. Schnell stand ich auf und legte die Papiere an ihren Platz zurück, um mich selbst aus der unangenehmen Situation zu befreien.

Noch immer hatte ich nichts zum Naseputzen gefunden, also nahm ich mir seinen Kleiderschrank vor, welcher gegenüber des Schreibtisches stand. Ich hatte zwar keine Ahnung, warum gerade da Taschentücher drin sein sollten, aber meistens fand man ja das, was man suchte, immer genau da, wo man es nicht vermutete. Oder vielleicht brauchte ich auch einfach nur eine Ausrede, um mir Lukes Sachen ansehen zu können.

Vorsichtig öffnete ich die großen Türen und sah hinein. Die meisten seiner Klamotten waren schwarz, der Rest war zumindest dunkel. Hellere Farben waren kaum vertreten. Ich schob ein paar Kleidungsstücke zur Seite und schaute in der verschiedenen Fächern nach, aber natürlich fand ich nicht das, wonach ich eigentlich suchte. Dafür aber etwas weitaus interessanteres.

Eine kleine Schachtel kam zwischen den Pullovern versteckt hervor. Ich zog neugierig die geheimnisvolle Box hervor. Ich stellte diese auf den Tisch und schloss den Kleiderschrank wieder. Danach nahm ich das Objekt genauer unter die Lupe. Ein kleiner blauer Gummi war um die Schachtel gespannt, damit sie nicht so schnell aufgehen konnte. Ich entfernte ihn und nahm den Deckel ab. Meine Augen weiteten sich, als ich den Inhalt sah. In der Box befand sich ein Familienfoto, was an der rechten Seite nach hinten geklappt wurde. Das Bild zeigte eine glücklichscheinende Mutter, ein grinsendes junges Mädchen und einen kleinen Jungen. Er war der einzige, der kein strahlendes Lächeln auf den Lippen hatte. Ich faltete es auseinander, sodass ich das komplette Bild in der Hand hielt und dann war auch der Vater zu sehen. Luke hatte ihn also weggeknickt.

Neben dem Bild lagen mehrere, kleine Rasierklingen. Ich nahm eine heraus und strich vorsichtig mit dem Zeigefinger darüber. Ich hatte keine Ahnung, wann die zuletzt benutzt wurden und um ehrlich zu sein, wollte ich es auch gar nicht nicht wissen.

Ich legte die Klinge zurück an ihren Platz neben die anderen und schaute, ob sich noch etwas anderes in der Schachtel befand, aber Fehlanzeige. Es lagen nur das Bild von Lukes Familie und die Rasierklingen in der Pappschachtel.

Ich schaute ein letztes Mal auf das Foto, bevor ich den Deckel auf die Kiste tat und den Gummi wieder herum spannte. Wenn ich es nicht besser wüsste, wäre dies für mich ein ganz normales Familienfoto gewesen. Der Vater sah überhaupt nicht brutal oder aggressiv aus, eher nett, freundlich und zuvorkommend. Er hatte seine Hand auf die Schulter des Sohnes gelegt. Man würde diesem Mann nie zutrauen, dass er seine Frau oder gar sein Kind schlug. Daran war mal wieder zu erkennen, dass man sich nicht nach dem Äußeren eines Menschen richten sollte, da man nie wissen konnte, was sich hinter der Fassade verbarg.
Auch die Mutter machte keinen Anschein, dass es ihr in irgendeiner Art und Weise schlecht ginge. Sie lächelte freundlich in die Kamera, die Hand auf der Schulter der Tochter. Diese grinste fröhlich, aber sie hatte ja nichts mit all dem zutun.

Und dann war da noch der kleine Junge. Im Gegensatz zum Rest starrte dieser emotionslos in die Ferne; genauso wie er es auch heute noch tat. Ich fragte mich, ob er wohl Ärger bekommen hatte, als sein Vater mitbekommen hatte, dass er auf dem Foto, welches eigentlich eine glückliche Familie zeigen sollte, nicht nur ansatzweise gelächelt hatte, geschweige denn so gegrinst wie seine Schwester.

Ich fragte mich auch, ob es lang gedauert hatte, seine Familie zu einem fröhlichen Bild zu überreden. Wahrscheinlich nicht. Vielleicht hatten sie ja Angst vor ihm gehabt.

Ich war so in das Bild und meine Gedanken vertieft gewesen, dass ich nicht mitbekommen hatte, wie jemand die Zimmertür geöffnet hatte. Erschrocken wirbelte ich herum, als Luke sich lautstark räusperte. "Was tust du da?" Seine Stimme war eiskalt. Er kam, ohne auf eine Antwort zu warten, auf mich zu und riss mir die Schachtel aus der Hand. "Was gibt dir das Recht, in meinen Sachen zu wühlen?!" Wut schwang in seiner Stimme.
"Was ist das für ein Foto?", fragte ich mit zitternder Stimme und für einen kurzen Moment sah Luke unglaublich gebrochen aus. Dieser Ausdruck verschwand allerdings so schnell, wie er gekommen war und sein Blick war wieder emotionslos.
Ich hatte einen wunden Punkt getroffen. Das wusste ich. Und das würde er mir wahrscheinlich nicht so schnell verzeihen.
"Raus."

Perplex sah ich ihn an. Ich hatte damit gerechnet, dass Luke sauer war, aber nicht damit, dass er mich direkt rausschmiss. "Was?", fragte ich ungläubig.
"Raus habe ich gesagt. Verschwinde von hier!"  Seine Stimme raste jetzt regelrecht vor Wut.

Ich ging mit zittrigen Händen an ihm vorbei und zur Tür. Dort drehte ich mich noch einmal und und wollte etwas sagen, aber Luke rief nur wieder "Raus!". Also schloss ich seine Zimmertür und stolperte geradewegs in seine Schwester hinein. "Das wird schon wieder", sagte diese und lächelte mich aufmunternd an. "Er kann manchmal etwas kompliziert sein. Gib ihm etwas Zeit." Ich nickte nur und verabschiedete mich dann. Durch die Haustür verließ ich die Wohnung und mein erster Besuch bei Luke endete ganz anders als erwartet.


Can a boy change your life? *wird überarbeitet*Where stories live. Discover now