Kapitel 58 (She)

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Am Mittwoch war es dann so weit. Nach allem, was passiert war, musste ich zurück zur Schule. Um ehrlich zu sein, war ich mehr als nervös. Ich wusste nicht, wie jeder reagieren würde. Aber vor allem freute ich mich darauf, endlich Adam wiederzusehen. Natürlich hatte er mich in den acht Wochen mehrmals besucht, aber das war auf keinen Fall vergleichbar, als wenn wir uns jeden Tag sahen.

Nachdem ich gefrühstückt und mich fertig gemacht hatte, saß ich bei meiner Mum im Auto. Sie hatte darauf bestanden, mich zur Schule zu fahren. Zuerst hatte ich mich geweigert, ich wollte nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen, als ich wahrscheinlich eh bekommen würde, doch schließlich musste ich einsehen, dass sie nicht nachgeben würde. Also erfüllte ich ihr den Wunsch und ließ mich von ihr fahren.
Während der Fahrt lief das Radio. Ich schaute zum Fenster hinaus und summte leise mit den Liedern mit, die ich kannte. Ich spürte, wie Mum mich immer wieder von der Seite musterte, doch ich versuchte, sie so gut es ging zu ignorieren. So verhielt sie sich schon seit ich wieder da war. -Das war zwar noch nicht so lange, aber es nervte mich jetzt schon-

An der Schule angekommen beugte sie sich vor, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben. Sie lächelte ermutigend. "Viel Spaß Liebes. Ich bin so stolz auf dich." Ich nickte nur abwesend und griff nach meiner Schultasche. Ich seufzte einmal und verabschiedete mich dann mit einem kurzen: "Ich hab dich lieb." Dann stieg ich aus.

Es war ungewohnt, wieder in der Schule zu sein. Die vielen Menschen, das große Gebäude, alles schien so unwirklich.
Es dauerte nicht lang, da sah ich Luke auf mich zukommen. Er strahlte, als ich ihn fest umarmte und wir uns anschließend küssten. "Hey Kleines", sagte er, nachdem wir uns voneinander gelöst hatten. "Ich sag's dir. Eines Tages bin ich größer als du und dann werde ich von oben auf dich herabschauen und dich auslachen." Luke schmunzelte über meine Bemerkung und streichelte sanft durch meine Haare. "Träum weiter Süße." Ich verdrehte nur die Augen und drückte mich an seinen Körper, als ich hinter uns eine bekannte Stimme wahrnahm. Schlagartig stieß ich Luke von mir weg und rannte grinsend auf Adam zu, der ein paar Meter von uns entfernt stand und mich angrinste. Er breitete seine starken Arme aus und ich sprang ihn regelrecht an. "Adaaam!"
Er lachte und erwiderte die Umarmung. "Ich habe dich auch vermisst Mel." Grinsend schloss ich die Augen und kuschelte mich an seinen muskulösen Körper. "Ich habe nie behauptet, dass ich dich vermisst habe."
"Achja und was sollte dann die Attacke eben?"
Ich zuckte mit den Schultern und sagte schmollend: "Ach lass mich doch in Ruhe."
Ad lachte und sah mich dann an. "Es war echt ruhig hier, als du weg warst."
"Weil ich ja auch so die Partysau war", entgegnete ich sarkastisch.
Ich löste mich aus unserer Umarmung und musterte ihn dann. "Wow ich muss echt sagen, du hast dich kein Stück verändert."
"Was hast du erwartet? Das ich von der vielen Sonne plötzlich weiß gebrannte Haut habe?"
"Sehr witzig Adam." Ich lachte und boxte ihn spielerisch in den Bauch.

Irgendwann gesellte sich Luke zu uns. Wir unterhielten uns noch kurz zu dritt, bis es allerdings zum Unterricht klingelte und wir uns trennen mussten. Nervös spielte ich mit meinen Fingern, als sich Luke mit einem Kuss von mir verabschiedete. "Du schaffst das schon, da bin ich mir sicher. Ich muss jetzt los. Ich liebe dich."
"Ich dich auch", murmelte ich und schaute den beiden Jungs hinterher, wie sie das Schulgebäude betraten.
Ich riss mich schließlich aus meinen Gedanken und ging zu meiner ersten Stunde.

Im Klassenzimmer angekommen wurde ich zuerst von allen gemustert. Unsicher schaute ich mich um und setzte mich an meinen Platz. Anders als sonst warf mir niemand irgendeine beleidigende Bemerkung an den Kopf. Allerdings kam schon nach kurzer Zeit Flora an meinen Tisch. Während ich mich bereits auf das Schlimmste gefasst machte, schien sie regelrecht nervös zu sein.
"Hallo Melody", begann sie zögerlich. Ich zog eine Augenbraue nach oben. "Was willst du Flora?"
"Ich habe von deinem Versuch gehört und ich... Es tut mir leid. Ich war schrecklich zu dir. All die Gemeinheiten und Schmerzen, die ich dir angetan habe. Das mit dem Foto war meine Schuld. Ich habe Luke mit diesem Mädchen gesehen und da war es auch schon zu spät. Ich hätte das alles nicht tun dürfen, dem bin ich mir jetzt bewusst. Und ich weiß auch, dass du mir wahrscheinlich nicht verzeihen wirst -das nehme ich dir auch keineswegs übel- Aber ich wollte das einfach gesagt haben. Es tut mir leid Melody. Alles."

Flora seufzte und ich bildete mir ein, doch tatsächlich eine Träne in ihrem Augenwinkel zu erkennen. "Eine Frage habe ich da noch", sagte ich kühl. Flora schaute mir direkt in die Augen und ich konnte ihr die Reue vom Gesicht ablesen. "Ja?"
"Warum hast du all das überaupt gemacht? Ich meine, ich habe dir nie etwas getan. Warum tust du dann mir so etwas an?"
Sie schluckte. Dann atmete sie tief furch, bevor sie mit zittriger Stimme zu erzählen begann.

"Damals als Jack diese Fotos von dir gemacht hat, da war ich überfordert. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Zu der Zeit waren wir ja auch noch befreundet. Du tatest mir so leid, als du den ganzen Hass von allen abbekommen hast. Da habe ich ja auch noch zu dir gestanden.
Aber irgendwann... Haben sie auch angefangen fiese Dinge zu mir zu sagen. Ich war total durcheinander. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich konnte das nicht einfach so ignorieren, wie du es tatest. Also habe ich die Seite gewechselt. Ich dachte mir, wenn ich mich ihnen anschließe, lassen sie mich in Ruhe. Ich wollte dir damals wirklich nichts böses. Ich wollte mich nur schützen... Und irgendwie hat sich das bis heute so hingezogen. Ich habe völlig vergessen, warum ich das eigentlich gemacht habe. Ich tat es einfach, ich habe gar nicht mehr darüber nachgedacht. Und das war falsch. Tut mir Leid."

Nun weinte sie wirklich. Die Tränen liefen einfach so ihre Wangen hinab und Flora tat nichts, um sie zu stoppen.

Ich stand einfach nur da. Ich wusste nicht, wie ich auf ihre Worte reagieren sollte. So richtig hatte ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht, wie das Ganze sich für sie angefühlt haben musste. So wie sie es beschrieben hatte, tat sie mir ja schon fast leid. Dennoch konnte ich nicht verstehen, wie sie freiwillig so schrecklich werden konnte. Wir waren damals beste Freundinnen. Und sowas sollte man seiner besten Freundin nicht antun. Sowas sollte man generell niemandem antun!

Schließlich nickte ich einfach nur. "Okay."
Flora sagte zwar wieder, wie Leid ihr alles tat, aber aus meinem Mund kam kein einziges Wort mehr. Ich musste das Ganze erst einmal verarbeiten und wie sie selbst schon sagte; ich würde ihr nicht verzeihen können. Zumindest nicht in nächster Zeit.

Wieder zurück in der Schule zu sein, war wirklich komisch. Alle taten plötzlich so, als seien wir schon immer beste Freunde gewesen oder entschuldigten sich tausende Male für das, was sie je über mich gesagt hatten. Ich war froh, als ich endlich Schluss hatte und ich mich dem Ganzen entfliehen konnte.
Kaum war ich zu Haue angekommen, drehte ich meine Musik auf und ließ mich auf mein weiches Bett fallen.
Ich wusste nicht, was ich von der Sache mit Flora halten sollte. Es war ja ganz nett von ihr, dass sie sich entschuldigte -auch wenn es meiner Meinung nach, dafür längst zu spät war- aber hatte sie wirklich erwartet, dass ich ihr einfach so verzeihen würde? Dass ich ihr ihre ganzen Leidensgeschichten ohne zu blinzeln abkaufen würde? Ich meine, klar es war bestimmt nicht einfach, zuzusehen wie die beste Freundin Inder Schule fertig gemacht wird und es ist sicherlich noch schwerer, wenn man selbst dann auch noch angegriffen wird. Aber deswegen stelle ich mich doch nicht gegen meine Freundin, oder? Dachte ich da falsch? Hatte ich einfach eine zu gute Meinung über die Menschheit?
Ich wusste es nicht. Was ich allerdings wusste, war, dass ich unbedingt Emy anrufen wollte. Ich hatte sie die ganze Zeit über nicht gesehen und brauchte gerade jemanden zum Reden. Also wählte ich ihren Kontakt aus und drückte auf die Wähltaste. Es dauerte nicht lange, da ging sie auch schon ran. Wir machten aus, dass sie in einer halben Stunde vorbeikommen würde.

Zuerst einmal erzählte ich ihr alles über die Klinik. Wie die Leute da so drauf waren und was ich die ganze Zeit über so gemacht hatte. Sie hörte mir dabei interessiert zu und stellte hin und wieder Fragen. Dann kam ich zu Flora. Ich erzählte Emy, was sie mir alles gesagt hatte und wartete schließlich auf eine Reaktion ihrerseits. Sie schien anfangs zu überlegen, erst nach einer Weile sagte sie skeptisch: "Ich weiß nicht so recht. Wer kann schon sagen, dass das nicht alles wieder nur Heuchelei ist?" Ich zuckte mit den Schultern. "Das ist wirklich schwierig. Ich schätze, du solltest einfach eine Weile warten. Vielleicht ergibt sich ja irgendwas."
"Was soll sich deiner Meinung nach denn ergeben?", fragte ich leicht verwirrt.
"Naja keine Ahnung, vielleicht ergibt sich eine Chance, in der sie dir wirklich beweisen kann, dass sie es ernst meint. Oder sie fällt wieder zurück in ihr altes Muster. Aber mal was anderes kennst du eigentlich schon..."

Und damit begann eine mehrstündige Diskussion über die verschiedensten Celebrities, die sie heiß fand. Die meiste Zeit ließ ich Emy reden, da ich es einfach zu amüsant fand, wie sie am Schwärmen war. Allerdings musste sie gegen Abend dann wieder nach Hause. Seufzend erhob sie sich von ihrem Platz und ich begleitete sie noch bis zur Tür, wo wir uns mit einer Umarmung voneinander verabschiedeten.
Alles in allem war der Tag ziemlich gut verlaufen. Um ehrlich zu sein, hatte ich es mir schlimmer vorgestellt.


Can a boy change your life? *wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt