43 Ein anderes Gefühl von Schmerz.

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»Das verhindern wir schon. Ein Wochenende im Stadion der Spurs und er fängt sich wieder«, grinste ich und Benny sah so aus, als würde er überlegen, wann dort das nächste Match gespielt wurde.

Allein im Zimmer zog ich die Tasche mit der Kamera zu mir, fummelte die Speicherkarte heraus und nutze meinen Laptop. Die Plattform die Cal mir nahe legte, war eine, die mit seiner Homepage gekoppelt war. Es dauerte etwas bis ich durchblickte, wie man sich einloggte und das Menü funktionierte.

Dann begann die richtige Arbeit.

„Meine Güte", murmelte ich. Ich hatte einige Fotos, die ich abschicken konnte. Auf zwei Konzerten hatte ich welche gemacht, bei Wartezeiten am Flughafen, im Hotel, beim Aufenthalt. Es gab zahlreiche kurze Situationen und ich hatte vergessen, wie oft ich Louis, Niall und Liam ablichtete, ohne, dass sie es wussten.

Da war ein schönes Foto von Louis und Eleanor. Beide saßen sich auf einer Couch im Foyer eines Hotels gegenüber und berührten kaum einander. Doch die Art wie sie sich ansahen, hatte etwas Vertrautes und pure Zuneigung.

Ich spürte Neid.

Diese beiden hatten das geschafft, woran Harry und ich gescheitert waren.

Bevor sich der bittere Geschmack auf meiner Zunge ausbreiten konnte, klickte ich weiter. Ich sah Liam, so oberflächlich und posermäßig, dass ich es schon albern fand. Mit ihm hatte ich so gut wie gar nichts zu tun gehabt. In Endeffekt kannte ich ihn nicht einmal. Er gammelte in einem Sessel im Hotel und sah aus wie ein Zuhälter von minderjährigen Mädchen.

Die Bilder von Niall waren anders. Irgendwie einsam und er wirkte immer etwas angespannt und nervös. Ich fragte mich, ob er seine Freunde mittlerweile über seinen Hörverlust eingeweiht hatte. Sonst würde früher oder später eine Bombe hochgehen.

Ich wünschte, ich hätte etwas zu ihm gesagt, was ihm vielleicht geholfen hätte. Doch die Erfahrung mit versteckten Hörverlust hatte mich eines gelehrt. Nämlich, dass man noch so hilfsbereit sein konnte, der Betroffene musste sich dem zuerst selbst stellen.

Die meisten leugneten einfach so lange, bis das Sicherheitsnetz an Strategien ihnen unter den Boden weggezogen wurde.

Tief seufzte ich.

Die Fotos gingen raus an Cal. Sollte er selbst gucken, ob er eines davon nehmen konnte. Ich hoffte sehr, dass er unter dieser Lawine etwas Brauchbares fand. Cal bedankte sich und langsam klappte ich den Laptop wieder zu.

Ich hätte die Bilder von Harry und mir gleich löschen sollen, aber ich konnte das noch nicht. Noch fühlten sie sich zu wertvoll an. Aber ich war sicher, der richtige Zeitpunkt für diese Handlung würde bald kommen.

Also tat ich das, was am besten für mich war. Ich beschäftigte mich. Mit Benny zog ich durch den Baumarkt. Wir diskutierten über Farbe und Holz, über Folie und doppelseitiges Klebeband. Völlig banale Dinge.

Und das tat gut.

So kam der Tag für meinen Termin im CI-Zentrum schneller, als ich dachte. Das Gebäude befand sich direkt neben dem zuständigen Krankenhaus und war ein so vertrauter Ort, wie die Hearzone-Zentrale. Dort musste ich zu meinem vertrauten CI-Akustiker, der sich mit den Kollegen in Vegas bereits ausgetauscht hatte.

»Ich würde die Technik gerne noch einmal testen und ausprobieren. Nur zur Sicherheit«, teilte er mir mit, als wir uns in seinem Büro gegenüber saßen. Ich nickte knapp, packte das Außengehäuse des CIs aus und ließ mich an der hauseigenen Technik anschließen.

Das Ergebnis änderte sich nicht. Mein Implantat hatte seinen Zenit erreicht. Und so sah das auch Mr Hernandez. Der kleine dünne Mann rieb sich über das Kinn: »Ich schätze das mit der Reimplantation hat man dir schon nahegelegt.«

Jenseits der Stille ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt