17 Verstummte Welt.

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┊  ┊  ┊          ★ NIALL

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Regungslos sah ich Harrys Freundin an und versuchte absolut keine Miene zu verziehen. Ihre Frage kam völlig aus dem Nichts und ich merkte selbst, dass ein Muskel verräterisch in meinem Gesicht zuckte.

Doch Isabell drängte nicht, sie wartete einfach. Nervös rieb ich meine feuchten Hände an der Jeanshose ab und sah mich zeitschindend im kleinen Restaurant um. Aber mein Zögern brachte mich nicht weiter, sondern verriet mich mehr und mehr.

„Es ist nicht schlimm, wenn es so ist", sprach Isabell und lächelte sanft. Mein Herz raste und ich fühlte mich eiskalt in die Ecke gedrängt. Eine Hand legte sich um meinen Hals und drohte mir an Panik und Angst die Luft abzuschnüren. 

Nur mit viel Überwindung gab ich zu: „Doch, für mich ist das schlimm."

Es war ein Albtraum. Ein verdammter Horror, der einfach nicht aufhörte. Man nahm mir etwas was, was mir alles bedeutete. Ich fühlte mich, als würde jeden Moment der Boden unter mir aufbrechen, deshalb fragte ich: „Was hat mich verraten?"

„Kleinigkeiten. Man merkt es nicht, wenn man das nicht selbst kennt", antwortete sie. Kurz durchflutete mich Erleichterung: „Also wird es niemand anderen auffallen."

„Nein."

Das kleine Wort war wie ein Rettungsanker.

„Jedenfalls nicht in den nächsten Wochen und Monaten", schob Isabell hinterher. „Dieses Gerüst bricht erst zusammen, wenn du keine plausible Erklärungen mehr für Missverständnisse hast."

„Das wird nicht passieren", meinte ich ernst. „Wenn es nur dir aufgefallen ist und nicht meinen Freunden, obwohl wir viel mehr Zeit miteinander verbringen-" 

Ich hörte auf zu reden, denn Isabell sah angestrengt auf meine Lippen. So wie immer. Sie tat sich weiterhin schwer damit mich zu verstehen und ich nahm die Hände dazu und wiederholte den Satz. Hintendran setzte ich: „Erkläre mir, was mich verraten hat."

Nicht für jedes Wort hatte ich die passende Gebärde, aber es schien ihr zumindest zu helfen mir zu folgen. Ich hatte allgemein angefangen die eine oder andere Gebärde zu lernen, damit ich ihr das Gespräch erleichtern konnte. Manche Gebärden erklärten sich sowieso von selbst und waren leicht umzusetzen, außerdem hatte mich die Freude in ihrem Gesicht nur bestärkt, als sie merkte, dass ich die Gebärdensprache zumindest lückenhaft anwenden konnte.

Gleichzeitig konnte ich nachvollziehen, wenn einem plötzlich etwas an Informationen fehlte. Als würde man sich in einer Parallelwelt befinden, dessen Regeln man nicht verstand.

„Du reagierst nicht, wenn du nicht weißt, dass du angesprochen wirst. Wenn man dich ruft, oder hinter deinem Rücken etwas sagt", begann Isabell mich aufzuklären. „Und all den Ärger hast du bislang immer nur dann bekommen, wenn etwas nebenbei geändert wurde. Sei es beim Videodreh gewesen oder wo anders."

Das stimmte. 

In der Commerzbank Arena beim Soundcheck hatte unser Chef-Techniker, Nelson, etwas an der Bühne verändern müssen. Ich wusste das nicht, für mich war das vollkommen neu als die Flammen plötzlich beim Gig hochschossen. Der Schock saß bei mir darüber genauso heftig, wie bei den anderen. Noch immer brannte mein rechter Oberarm, wenn ich daran dachte.

Die Wut der Umstehenden traf mich und ich konnte nichts anderes tun, als sie glauben zu lassen, ich hätte da nicht mehr dran gedacht. Dabei hatte ich das einfach nicht mitbekommen.  Das war einer der Momente, wo man instabiles Gerüst fast eingebrochen wäre. Jedoch konnte ich die anderen irgendwie täuschen.

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